Bewegender Ensemblefilm zum Lachen und Weinen, der einem engen Freundeskreis von einer Feierlichkeit zur nächsten durch mehrere Jahre folgt.
FAST FACTS:
• Fantastisches deutsches Starensemble
• Remake des dänischen Films „Lang historie kort“ von May el-Toukhy aus dem Jahr 2015
• Weltpremiere als Eröffnungsfilm des 28. Tallinn Black Nights Film Festival
• Sensationelle Vorpremiere auf den Filmtagen Köln
CREDITS:
Land / Jahr: Deutschland 2024; Laufzeit: 107 Minuten; Regie: David Dietl; Drehbuch: Elena Senft; Besetzung: Laura Tonke, Jasmin Shakeri, Ronald Zehrfeld, Nicholas Ofczarek, Annette Frier, Trystan Pütter, Pegah Ferydoni, Henning Flüsloh, Antje Traue, Katia Fellin; Verleih: LEONINE Studios; Start: 2. Januar 2025
REVIEW:
David Dietl ist angekommen. Über Jahre hat man mitansehen dürfen, von Projekt zu Projekt, Mainstream wie „Rate Your Date“, Ambitioniertes wie „Funeral for a Dog“, Abseitiges wie die Türsteher-Doku „Berlin Bouncer“, wie der Filmemacher sich ausprobiert, dazulernt, wächst, reift. Um nun „Feste & Freunde – Ein Hoch auf uns“ gemacht haben zu können. Streng genommen handelt es sich zunächst einmal um das Remake des dänischen Films „Lang historie kort“, mit dem May el-Toukhy 2015 ihr Regiedebüt gegeben hatte. In den Händen Dietls und mit einem Drehbuch von Elena Senft erwächst die brillante Prämisse, Entwicklungen und Verstrickungen in einem engen Freundeskreis über mehrere Jahre hinweg entlang diverser Feste und Feierlichkeiten zu erzählen, zu einem erwachsenen Filmerlebnis, einem emotionalen Epos, das seine Geschichte so elegant und mühelos, beschwingt und treffend erzählt, dass man als Zuschauer niemals zu spüren bekommt, wie unfassbar schwierig es gewesen sein muss, so viele Bälle gleichzeitig zu jonglieren, niemals eine der zwölf Hauptfiguren aus den Augen zu verlieren oder die Wirkung eines der Triumphe oder der Niederlagen zu minimieren.
Der Anker dieses Beziehungsreigens, der Ophüls ebenso evoziert wie Renoir, den wohlwollenden Blick der alten Meister auf die Menschen und ihre Eigenheiten und Schwächen aber ganz modern interpretiert, ist ausgerechnet die Figur, die den wenigsten Halt hat. Ellen ist stets die Suchende unter den Freunden, nach Liebe, nach Erfüllung, nach Glück, festgefahren in einer Affäre mit einem aus dem Freundeskreis, von der nur wirklich sie überzeugt ist, dass sie mehr sein könnte als nur eine kurze Verrücktheit. Ellen könnte eine tragische Figur sein, aber Laura Tonke spielt sie mit so viel Hoffnung, unerschöpflicher Stärke, unterstützt von Regisseur Dietl und seinem Bildgestalter Holly Fink, die die Schauspielerin förmlich von innen heraus strahlen lassen, dass man nie den Glauben an sie verliert. Um diesen Fixstern herum drehen sich die anderen Freunde. Ellens beste Freundin Natalie, die den Kreis zusammenhält, aber selbst nicht weiß, wie sie zum Kinderwunsch ihrer Lebensgefährtin Maya stehen soll. Ellens Liebhaber Sebastian, der nie im Leben bereit sein könnte, seine Frau Eva zu verlassen. Die mit ihrem Leben unzufriedene Mareike, die ihren Unmut immer an ihrem Mann Adam auslässt, der es ihr nie rechtmachen kann. Und der Single Rolf, der völlig unerwartet seine Seelenverwandte findet, aber nicht ahnt, wie flüchtig dieser Segen sein kann.
Von Silvester 2019 bis zu einer Geburtstagsfeier im Jahr 2023 erstreckt sich die Reise, dazwischen eine Party im Park während der strengsten Coronaregeln, ein Sommerfest an der Küste, eine Hochzeit, eine Taufe, ein entspanntes Hoffest mit bitteren Nachrichten. Es knistert und es knirscht, es wird gelacht und geweint, geküsst und gestritten, es ist albern und es ist ernst, todernst schließlich, die einen trennen sich, die anderen finden sich. Alles ist immer in der Schwebe, alles ist möglich. Das Gute ist zum Greifen nah wie das Schlimme. Und je weiter sich David Dietl mit seinem Film an der Zeitleiste entlang bewegt, desto mehr schließt man die Figuren in sein Herz, werden sie für den Zuschauer selbst zu Freunden. Das klingt fürchterlich banal. Aber das ist die Qualität von „Feste & Freunde“, der so wunderbar geerdet ist und dem es in seiner elliptischen Erzählung gelingt, eine Essenz über das Leben herauszudestillieren, der man sich nicht entziehen kann.
„Feste & Freunde“, das ist sieben Mal Kammerspiel und einmal ein tolles Kinoerlebnis, ein Film, der immer in Bewegung ist, bei dem man als Zuschauer auch mitmachen muss, um die Leerstellen von einem Fest zum nächsten aufzufüllen. Wie Keith Richards an der Gitarre weiß der Film treffsicher, dass man nicht immer alles auserzählen muss, um alles zu sagen. Es ist ein Film, der sein Publikum ernstnimmt. Und der es gleichzeitig in die Arme nimmt, ganz behutsam, wie man einen Freund umarmt, weil er weiß, dass es im Kino genauso ist wie im wahren Leben: Jede Sekunde zählt. Mit einem Ensemble rund um Laura Tonke, aus dem man niemand hervorheben will, weil sich alle gleich geschmeidig in ihren Rollen ausbreiten und bewegen. Am Schluss ist man erfüllt mit Demut und Freude, dass man seine Zeit verbringen durfte mit Jasmin Shakeri, Annette Frier, Trystan Pütter, Ronald Zehrfeld, Nicholas Ofczarek, Pegah Ferydoni, Henning Flüsloh, Antje Traue und Katia Fellin, weil sie, wie es sich in einem Ensemblefilm gehört, allesamt Nebenrollen spielen, aber begreifen, dass jeder in seinem Leben die Hauptfigur ist.
Thomas Schultze