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REVIEW KINO: „Weisheit des Glücks“

Porträt des Dalai Lama, der sich in einem Interview zu hochaktuellen Themen direkt an das Publikum wendet.

CREDITS: 
O-Titel: Wisdom of Happiness; Land/Jahr: Schweiz 2024; Laufzeit: 90 Minuten; Regie: Barbara Miller, Philip Delaquis; Verleih: X-Verleih; Start: 7. November 2024

REVIEW:
„Manche sind vielleicht nur aus Neugierde hier. Andere kommen mit einer gewissen Erwartung auf einen wundersamen Segen oder etwas ähnliches. Dann erwartet nicht zu viel.“ So begrüßt der 14. Dalai Lama mit scherzhaftem Lächeln das Kinopublikum zu seinem vielleicht letzten Auftritt auf der großen Leinwand, und so beginnt „Weisheit des Glücks“ mit einer Nahaufnahme des ikonischen, hoffnungsvollen Gesichts der wohl am meisten respektierten Persönlichkeit dieses Planeten. Ein Gesicht, das für Werte steht, die heute vielerorts in Vergessenheit geraten zu sein scheinen, und das im Laufe des Films einen ungewohnt sorgenvollen Ausdruck annehmen wird, der uns sagen will: Es ist ernst, Brüder und Schwestern.

Über den mittlerweile 89-jährigen Friedensnobelpreisträger, das geistige und einstige politische Oberhaupt der Tibeter wurden bereits unzählige Bücher geschrieben, seine Weisheit und seine Lehren, jeder Lebensabschnitt wurde dokumentiert, von seiner Inthronisierung im Alter von fünf Jahren über die dramatische Flucht ins Exil nach dem Überfall der chinesischen Volksarmee bis hin zu seinem unermüdlichen Einsatz für Menschenrechte und Versöhnung. Namhafte Regisseure haben ihm Denkmäler gesetzt, in Spielfilmen und Dokumentationen, in denen er oft selbst zu Wort kommt, wie in Werner Herzogs „Rad der Zeit“ (2003) oder in Mickey Lemles „Der letzte Dalai Lama“ (2016). Es gibt keine Seite, von der dieses außergewöhnliche Leben noch nicht beleuchtet wurde, und in dieser Hinsicht kann auch „Die Weisheit des Glücks“ das Rad nicht neu erfinden, aber es drehen, die Message dem Zeitgeist und unserer Zeit anpassen: als sehr berührender und zutiefst menschlicher Versuch, sie einem größtmöglichen Publikum zugänglich zu machen – bevor es dafür zu spät ist.

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Ab 7. November in den deutschen Kinos: „Weisheit des Glücks“ (Credit: Das Kollektiv GmbH / X Verleih AG)

Dieses Anliegen teilen die erfolgreiche Schweizer Dokumentarfilmerin Barbara Miller („#Female Pleasure“) und Produzent Philip Delaquis mit dem Regisseur und Drehbuchautor Oren Moverman und dem Hollywoodstar und Dalai-Lama-Schüler Richard Gere, beide arbeiten hier zum wiederholten Mal zusammen und wirkten als ausführende Produzenten mit. Initiiert wurde das Projekt von dem Philanthropen und Globetrotter Walo Kamm, hinter der Kamera stand erstmals bei einem Kinofilm Manuel Bauer, der den Dalai Lama seit mehr als drei Jahrzehnten als Fotograf auf seinen Reisen begleitet und 1995 unter anderem die lebensgefährliche Flucht einer tibetischen Familie über den Himalaya dokumentierte. Die Filmemacher lassen Tenzin Gyatso, der stets als „einfacher Mönch“ verstanden werden will, der bei seinen Auftritten nie dogmatische Formeln herunterbetet, sondern pragmatische Ratschläge erteilt, direkt in die Kamera sprechen, auf Augenhöhe mit dem Publikum, wie bei einer privaten Audienz. Die außergewöhnliche Interviewsituation wird verwoben mit zum Teil restauriertem, bisher unveröffentlichtem Archivmaterial, mit Kinderfotos und „Home-Videos“ von unbeschwerten Alltagsszenen und immer wieder atemberaubenden Aufnahmen der himalayischen Berglandschaft. 

Humorvoll kommentiert der Dalai Lama seine Zeit als Mönchsschüler, wie er mit „der heiligen Peitsche“ zum Lernen gebracht wurde, als aufbrausender Teenager von seinem Vater Schläge kassierte – Anekdoten, wie sie in seiner Autobiografie und auf dalailama.com nachzulesen sind, Geschichte aus erster Hand, die den vertrauensvoll-inspirierenden Ton des Films bestimmt, nach dem Motto: Wenn ich es kann, kann es jeder schaffen, wer andere verändern will, muss zuerst sich selbst ändern. Der Film wiederholt viele Grundsätze, die man schon oft überhört, gehört und nicht verinnerlicht hat, füllt leer klingende Worte mit Inhalten: Der sphärische Score der Emmy-nominierten Komponistin Ariel Marx trägt das Publikum auf eine dritte Ebene, eine visuelle Collage des 21. Jahrhunderts, aus assoziativen Bildern, die einerseits die Schönheit der Erde, andererseits die großen Krisen der Gegenwart umkreisen, Naturkatastrophen und Kriege, Symbole des Materialismus und der Technologien, denen sich der Mensch unterworfen hat, dazwischen immer wieder Nahaufnahmen von Frauen und Männern, Kindern und Erwachsenen jeden Alters, die achtsam und bewusst ein- und ausatmen.

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Richard Gere bei der Weltpremiere von „Weisheit des Glücks“ in Zürich, eingerahmt von Lama Tenzen Jottotshang und Geshe Tenzin Jangchup, Abt aus dem Schweizer Kloster Rikon, Schweiz (Credit: Andreas Rentz (Getty) for ZFF

Die universelle Botschaft des Dalai Lama richtet sich an alle Nationen, Kulturen und Religionen, wenngleich sie tief in den Lehren des Buddhismus verankert ist – wie das Prinzip der Meditation: Nur im vollen Bewusstsein all dessen, was sich in einem gegebenen Moment in unserem Inneren abspielt, können wir uns selbst erkennen und Mitgefühl entwickeln, das die Grundlage für ein friedliches Zusammenleben und persönliches Glück bildet. Was der Zeitgeist als „Mindfulness“ propagiert und heutzutage sogar im Fitnessstudio trainiert werden kann, übersetzen Barbara Miller, Philip Delaquis und Manuel Bauer in eine intensive, 90-minütige, spirituelle Unterweisung in Achtsamkeit. Während in der kürzlich gestarteten Netflix-Serie „Achtsam Morden“ bezweifelt wird, dass man die Welt gesund atmen kann, ist „Weisheit des Glücks“ das Gegenprogramm, das sich an all jene richtet, deren Blick durch Binge-Watching und die Flut schlechter Nachrichten getrübt ist. Es ist eine Anleitung zu Resilienz und Zuversicht, ein Instant-Wohlfühlfilm für alle Menschen, die eben nicht glauben wollen, dass die Welt nicht mehr zu retten ist. Mehr kann man gar nicht erwarten.

Corinna Götz