Wenn am 6. November „Zeit Verbrechen“ bei RTL+ auf Sendung geht, geht für die vierteilige Miniserie auch eine regelrechte Odyssee zu Ende, die sie antreten musste, als sie von Paramount+ unvermittelt aus dem Line-up gestrichen wurde. Ein Gespräch mit Produzent Jorgo Narjes von X Filme über einen langen Weg – mit Happy-End.
Sie hatten einen tollen Aufschlag auf der Berlinale, als erste Miniserie, die komplett im Panorama gezeigt wurde. Da wussten Sie schon, dass „Zeit Verbrechen“ nicht wie geplant bei Paramount+ gezeigt werden würde. Wie sind Sie damit umgegangen?
Jorgo Narjes: Erst einmal war es für uns ein Schock, dass unsere Serie nicht wie geplant auf Paramount+ erscheinen konnte – natürlich nicht nur für uns und unser Team, sondern auch für die Mitarbeiter:innen von Paramount+, die ebenfalls Jahre mit uns und dem Stoff verbracht haben. Rückblickend war es umso wichtiger, dass wir auf der Berlinale liefen und einen entsprechenden Aufschlag hatten als einzige deutsche Serie. Sehr geholfen hat uns, dass wir im Lauf des Jahres viel Anerkennung aus der Branche erfahren haben, wie die Auszeichnung als „Krimiserie des Jahres“ in Wiesbaden, der Deutsche Schauspielpreis, der Kamerapreis, der New Faces Award. Wir spürten: Wir werden gesehen, wir werden wahrgenommen. Aber natürlich sind wir extrem froh, dass es jetzt ein Happy-End gibt und „Zeit Verbrechen“ bei RTL+ ein neues Zuhause gefunden hat, das Ergebnis vieler guter Gespräche. Wir nehmen einen großen Enthusiasmus wahr, eine große Euphorie. Es macht nach den Monaten der Ungewissheit Spaß zu sehen, wie viel Energie jetzt auf der Serie liegt. Die Zeit ist reif, dass „Zeit Verbrechen“ mit der Welt geteilt wird. Von Seiten der Branche gab es bereits viel Zuspruch, jetzt wollen wir wissen, was die Fans dazu sagen – jede neue Folge des Podcast wird von Millionen von Menschen gehört.
Ist der Release bei RTL+ so, wie er ursprünglich bei Paramount+ geplant gewesen war?
Jorgo Narjes: Genau. Den Kern bilden die vier Spielfilme von Jan Bonny, Helene Hegemann, Mariko Minoguchi und Faraz Shariat, die inspiriert sind von jeweils einer Folge des Podcast. Darüber hinaus gibt es, und das war bis zuletzt auch gar nicht öffentlich angekündigt, vier begleitende Dokumentationen, bei denen Benjamin Cantu Regie geführt hat, die auf bestimmte Aspekte eingehen, die weder im Film noch im Podcast behandelt werden konnten. Man kann es also als Triptychon bezeichnen. Die drei Angebote zu jeweils einem Fall ergänzen sich wunderbar. Dieses ganze Paket startet am 6. November, alle vier Filme, alle vier Dokus auf einen Schlag.
Gibt es eine präferierte Reihenfolge?
Jorgo Narjes: Eine große Frage! Bei der Berlinale haben wir uns nach deren Präferenzen gerichtet. Jetzt vertrauen wir auf die Erfahrung und das Know-how von RTL+. Dort hat man uns eine Reihenfolge der Präsentation vorgeschlagen, mit der wir alle happy sind. Als erstes wird „Dezember“ von Mariko Minoguchi gezeigt, gefolgt von „Deine Brüder“ von Helene Hegemann und „Der Panther“ von Jan Bonny, schließlich dann „Love By Proxy“ von Faraz Shariat.
Die Serie ist seit einiger Zeit fertig. Wie fällt Ihre Bilanz aus? Wie werten Sie die Erfahrung – eingedenk der Tatsache, dass Sie im Grunde vier Filme parallel produziert haben?
Jorgo Narjes: Ich betrachte es als absolutes Privileg, ein solches Serienprojekt umgesetzt haben zu dürfen, mit den Regisseur:innen, die ich spannend und toll finde. Es herrschte eine besondere Stimmung, wie man das wahrscheinlich nicht oft hat. Dass es erst einmal nicht so vorgesehen war, alle vier Teile tatsächlich mehr oder weniger parallel zu drehen, liegt wahrscheinlich in der Natur der Sache, aber auch das ging, weil es eben sehr gute Teams waren.
Wann wurde Ihnen bewusst, dass die Produktion tatsächlich parallel würde stattfinden müssen?
Jorgo Narjes: Irgendwann kam das grüne Licht von Paramount+, das war Heiligabend 2022. Dann haben wir natürlich nicht bei null angefangen, wir waren vorbereitet. Zwei Wochen später saß ich schon mit Faraz Shariat und seinem DoP Simon Dat Vu im Flieger nach Ghana, um den Dreh von „Love By Proxy“ vorzubereiten. So ging das dann weiter, ich saß im Hotel in Ghana, während „Love By Proxy“ gedreht wurde, und arbeitete an der Vorbereitung der drei folgenden Filme. Das ging aber auch nur, weil wir bei jedem Projekt ein fantastisches Produktionsteam vor Ort hatten. Jeder Film wurde einzeln betreut von einzelnen Produktionsleitungen. Jeder Film ist eine Herausforderung. Vier Filme parallel sind eine umso größere Herausforderung. Aber ich hatte nie den Eindruck, dass es nicht machbar sein würde – weil ich wusste, dass die richtigen Leute daran arbeiteten und unter uns großes Vertrauen herrschte.
Haben sich die Regisseur:innen jemals untereinander abgesprochen?
Jorgo Narjes: Tatsächlich hatten wir es immer wieder mal versucht, alle Vier zusammenzubringen. Es gab auch einen Moment, als alle vier Bücher fertig waren, dass diese untereinander geteilt wurden, damit jede Person wusste, was die anderen machen. Aber weil die Filme formal auch so unterschiedlich sind und die Drehpläne doch sehr heterogen waren, gab es kein gemeinsames Kick-off in dem Sinne. Dabei wird mir gerade rückblickend immer gespiegelt, dass es Regisseur:innen sehr genießen, bei den Kolleg:innen hinter den Vorhang zu blicken und zu schauen, wie die Anderen arbeiten.
Also ist jeder Film für sich in seiner jeweils eigenen Welt entstanden, unberührt von den anderen Beiträgen zur Miniserie?
Jorgo Narjes: Auf jeden Fall. Mit unterschiedlichen Teams, unterschiedlichem Cast, unterschiedlichen Drehorten, unterschiedlicher Tonalität. Unsere Idee war, dass jeder Film eine ganz eigene und freie künstlerische Interpretation eines bestehenden Falls der Podcast-Serie sein sollte. Die Podcasts erzählen ihre Geschichten so gut und so sorgfältig, dass es uns redundant erschienen wäre, wenn wir sie einfach nur nacherzählt hätten. Jeder Film sollte etwas Besonderes bieten, einen besonderen Ansatz, geprägt von der kreativen Handschrift seiner Macher:innen. Einen gemeinsamen Nenner zu finden, hätte nichts gebracht. Auch beim Podcast besteht der Reiz darin, dass man nie weiß, was einen erwartet, weil jede Folge ihre Form immer dem jeweiligen Fall anpasst, andere Aspekte auswählt, auch wenn durch die Sprecher:innen eine Gemeinsamkeit besteht. Jeder Film sollte unbedingt anders sein, gerade weil auch ganz verschiedene Genres bedient werden. Das war der eigentliche Witz. Mir gefällt aber besonders gut, wie diese vier eigenständig realisierten Filme nunmehr in einen gemeinsamen Dialog miteinander treten, wenn man sie zusammen sieht.
Der Podcast ist unverändert immens erfolgreich, es gibt weitaus mehr als vier Folgen. Wie sieht es denn mit Plänen für eine Fortführung aus?
Jorgo Narjes: Diese Überlegungen gab es. Und es gibt sie unverändert. Der Podcast ist ein Fundus an hervorragend recherchierten Geschichten, dass sich dieses Format im Grunde beliebig weit fortsetzen ließe. Unser Wunsch war es, ganz frei damit umzugehen, wie es die Filme selbst auch tun. Gewiss gibt es auch Geschichten, bei denen es sich lohnen würde, nicht nur einen Film zu machen, sondern sie über mehrere Folgen hinweg zu erzählen. Manche von ihnen sind so komplex und inhaltlich so reich, dass es unmöglich wäre, ihnen im 60-minütigen Format gerecht zu werden. Ebenso können wir uns natürlich weitere Folgen im einstündigen Format vorstellen. Darüber hatten wir schon mit Paramount+ gesprochen, darüber sprechen wir jetzt auch mit RTL+. Aber jetzt müssen die ersten vier Filme erst einmal ein größtmögliches Publikum finden. Das ist die wichtigste Voraussetzung, um weitermachen zu können.
Das Gespräch führte Thomas Schultze.