Mit seinen Sportdokus hat Leopold Hoesch seiner Broadview TV internationales Renommee verschafft. Er macht sich indes Sorgen um die deutsche Produktionslandschaft, wie er im Interivew im Rahmen unseres NRW-Schwerpunkts rund um das 34. FFCGN verrät.
Seit der Gründung 1999 durch Leopold Hoesch in Köln hat sich Broadview TV als eine der erfolgreichsten Dokumentarfilmproduktionsfirmen Deutschlands etabliert und über 250 vielfach prämierte Filme sowohl für Fernsehen, Streaming und Kino realisiert, unterhaltsame, wahre und persönliche Geschichten aus den Bereichen Zeitgeschehen, Politik, Sport und Kultur. Der sensible Umgang mit hochbrisanten Themen gehört ebenso zu den Markenzeichen von Broadview TV wie akribische Archivrecherchen, einfühlsam geführte Interviews und ausgefeilte Dramaturgien, geschrieben und inszeniert von preisgekrönten Autoren und Regisseuren, oft ergänzt durch eine aufwändige musikalische Untermalung, die für die buchstäblich unverwechselbare Note sorgt. Im Jahr 2005 wurde Leopold Hoesch, der als deutscher Botschafter der International Academy of Television Arts & Sciences seit vielen Jahren eine der Jurysitzungen für die International Emmy Awards in Köln veranstaltet, gemeinsam mit Guido Knopp für die ZDF-Zeitgeschichte-Doku „Das Drama von Dresden“ mit dem Oscar der TV-Branche ausgezeichnet. Für die große Leinwand entstanden unter dem Label Broadview Pictures die Sportler-Porträts „Klitschko“ (Weltpremiere 2011 beim Tribeca Film Festival in New York), „Nowitzki. Der perfekte Wurf“ (2014) und „Kroos“ (2019), außerdem mit „Die Unbeugsamen“ über Spitzenpolitikerinnen der Bonner Republik die zuschauerstärkste Kinodokumentation des Jahres 2022. Deren Fortsetzung, „Die Unbeugsamen 2 – Guten Morgen, ihr Schönen!“, über den Selbstbestimmungskampf von Frauen in der Deutschen Demokratischen Republik, startete in diesem August bundesweit in den Lichtspielhäusern. Zu den kommenden Highlights gehört der Film „13 Steps – Die unglaubliche Karriere von Edwin Moses“, dessen Weltpremiere Ende September beim Morehouse College Human Rights Film Festival in Atlanta gefeiert wurde und der gerade erst Deutschlandpremiere beim 34. Film Festival Cologne feierte.
Sieben Fragen an Leopold Hoesch
Was macht den Medienstandort NRW für Sie besonders?
Leopold Hoesch: Medien ist Netzwerkgeschäft. In NRW, insbesondere in Köln, findet man dank der jahrelangen Förderung alle Gewerke auf international höchstem Niveau. Zusätzlich ist das Publikum gerade in und um Köln kampagnenfähig. Die Menschen lassen sich gerne gut unterhalten und gehen mit.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit der Film- und Medienstiftung NRW?
Leopold Hoesch: Wir haben der Film- und Medienstiftung NRW sehr viel zu verdanken und gemeinsam wunderbare Erfolge gefeiert. Auf der anderen Seite sind teilweise auch Projekte nicht gefördert worden, obwohl wir einhundertprozentig von dem Stoff und dem Autor überzeugt waren. Diese Unsicherheit ist leider marktbremsend, und es ist für den Standort von hoher Bedeutung, dass auch in Deutschland regionale Förderungen wie die Film- und Medienstiftung NRW durch automatische Systeme (Tax Credit) ergänzt werden. In jedem Jahr, in dem dies nicht passiert, verlieren wir als Industrie an Wettbewerbsfähigkeit und an internationaler Bedeutung. Tatsächlich sollte jetzt keine weitere Zeit mehr verloren werden, um die bereits angekündigten Maßnahmen auch wirklich umzusetzen.
Welche Bedeutung haben internationale Festivals und Preise für Sie?
Leopold Hoesch: Am Ende geht es immer darum, Filme gut zu verkaufen. Wenn Festivals zeitlich gut liegen, können sie diesen Prozess enorm befördern. Zusätzlich macht es großen Spaß, die eigenen Filme mit einem Festivalpublikum zu sehen. Das Screening von „MOSES – 13 Steps“ (internationaler Titel) beim Morehouse College Human Rights Film Festival in Atlanta mit 1500 begeisterten Zuschauern im Saal war ein unvergessliches Erlebnis. Mal sehen, welchen Empfang Edwin Moses das Kölner Publikum am 18. Oktober beim Kölner Filmfestival bereitet.
Ist es einfacher, internationale Themen zu finanzieren?
Leopold Hoesch: Das kommt sehr auf den Stoff an. Insgesamt ist die Kennung „deutsche Provenienz“ leider auf keinem guten Weg und international keine gelernte Referenz für erfolgreiche Filme. Man muss eigentlich pro Stoff und Projekt immer und immer wieder den Wettbewerb inhaltlich als „Staatenloser“ neu bezwingen (Ausnahme Kriegsthemen), ohne zu viele Vorschusslorbeeren. Das ist schade und sollte Teil des Ziels einer nationalen Filmindustrie sein, auch international relevant zu sein.
Auf welche Produktionen und Erfolge sind Sie besonders stolz?
Leopold Hoesch: Es erfüllt unser Broadview-Team natürlich mit Stolz, unsere Reihe mit stark deutschlandbezogenen Sport-Ikonen-Filmen (Klitschko, Nowitzki, Kroos, Beckenbauer, Langer) um eine US-Legende wie Edwin Moses zu erweitern. Die letzten drei Jahre mit einem der größten US-Sportler aller Zeiten zu arbeiten, habe ich als enorm bereichernd empfunden. Ein weiteres Thema, an dem wir seit fast zehn Jahren immer drangeblieben sind: öffentliche Gesundheit, mit den beiden Schwerpunkten Pandemien und Antibiotika-Missbrauch. Dank der substanziellen Förderung der Film- und Medienstiftung NRW laufen unsere diesbezüglichen Filme auf der ganzen Welt und wurden bei der diesjährigen Generalversammlung der Vereinten Nationen wieder als Referenz für viele High-Level-Meetings herangezogen (z.B. der Fleming Initiative).
Dokumentarfilme sind in den letzten Jahren auch für das Kinopublikum immer attraktiver geworden. Worin liegen Ihrer Meinung nach die Gründe dafür?
Leopold Hoesch: Leider ist die Annahme in meinen Augen so nicht haltbar, was wir sehr bedauern. Der Markt wird immer schwieriger. Das hängt auch damit zusammen, dass der Kinomarkt insgesamt runtergeht. Aktuell heißt der Trend eher stargetriebene Streamer-Serie, in der Regel mit einem großen ersten Aufschlag und kurzer Halbwertszeit und ohne IP beim Produzenten.
Sind derzeit internationale Projekte bei Broadview TV geplant?
Leopold Hoesch: Wir werden auf jeden Fall so lange systematisch das Risiko verringern, bis die Rahmenbedingungen durch die Politik auf das internationale Niveau gebracht werden. Ich hoffe, es geht schnell, weil es genau diese Produktionen sind, die bei Erfolg und für den Standort den Unterschied machen. Als nächste Sport-Ikonen kommen Bernhard Langer, Franz Beckenbauer und Big-Wave-Surfer Sebastian Steudtner, ferner ein Film über die Sammlerin Julia Stoschek als auch den eSports-Pionier Ralf Reichert (Gründer der Electronic Sports League). Als allernächstes kommt aber erst mal „13 Steps“.
Text & Interview: Corinna Götz