Mit „Woodwalkers“ (Kinostart: 24.10. bei STUDIOCANAL) hat sich die Münchner blue eyes Fiction auf die nächste Stufe begeben, was Umfang und Ausmaß einer Produktion fürs große Familienpublikum anbelangt: nicht nur (viele ) Kinder und ein hoher VFX-Anteil – das Steckenpferd der Erfolgsfirma – sondern auch viele echte Wildtiere waren dieses Mal zu jonglieren. Ein Gespräch mit den beiden Produzentinnen Corinna Mehner und Carolin Dassel.
„Woodwalkers“ ist für blue eyes next level: Obwohl Sie bekanntermaßen Spezialist sind in Sachen Family-Entertainment als Mischform aus Realfilm mit einem hohen Anteil an VFXen, hatten Sie es bei „Woodwalkers“ auch noch mit vielen echten Wildtieren zu tun. Hat Sie das im Prozess der Umsetzung hin und wieder ins Schwitzen gebracht?
Corinna Mehner: Das geht uns bis heute so. Erstens ist es einfach wirklich schwierig, mit so vielen echten Tieren zu drehen. Das zweite ist, dass die echten Tiere auch in der digitalen Postproduktion exakt fotorealistisch nachgebaut werden mussten, damit man keinen Unterschied zu den echten Tieren sieht. Das haben Pixomondo und unsere anderen Dienstleister im VFX-Bereich sehr toll hingekriegt, wir sind sehr happy, weil man es einfach nicht mehr unterschieden kann. Nur ein paar Tiere waren vor Ort nicht dabei, sondern werden nur digital erstellt, wie die Bären, weil das einfach zu gefährlich gewesen wäre. Für die Sehgewohnheit des Kinozuschauers neu und vielleicht auch herausfordernd ist die Tatsache, dass unsere Wildtiere telepathisch kommunizieren. Das ist aber in den Romanen von Katja Brandis vorgegeben. Wir haben uns sehr nah der Vorlage orientiert.
Carolin Dassel: Für Kinder, die die Buchmarke kennen, und generell für Kinder, die altersbedingt näher an Rollenspielen dran sind, sind diese „Kopfstimmen“ relativ normal. Aber als begleitende Erwachsene muss man sich da etwas daran gewöhnen.
Im Gegensatz zu Ihren anderen Produktionen bedient „Woodwalkers“ durchaus eine etwas ältere Zielgruppe. Was bedeutet das?
Corinna Mehner: „Woodwalkers“ ist ein sehr großer Film geworden, und ja, er bedient, was Familytainment aus Deutschland betrifft, durchaus auch eine erwachsenere Zielgruppe ab 6 Jahren. Die Kinder sind sehr ernstgenommen worden in unserem Film. Es gibt zu Beispiel keine überzeichneten Antagonistenfiguren und es werden auch relevante Themen angesprochen. Ich bin sehr glücklich über das schöne Universum, das wir geschaffen haben, das zwischen den realistischen Tieren und Fantasy hin- und hergeht. Die Hauptmessage bei Katja Brandis wie auch in unserem Film ist der gute Umgang mit sehr unterschiedlichen Charakteren. Im Film ist uns das sowohl in unserem sehr diversen Kindercast als auch dank der vielen Tiere, die alle sehr verschieden sind, sehr gut gelungen. Die große Diversität empfinde ich als eine unserer Hauptleistungen.
Carolin Dassel: Die jüngeren Kinder mögen den Abenteuerplot, die Figuren und die Tiere. Die älteren Kids interessieren sich sehr für die in der Geschichte angesprochenen ernsthaften Themen, wie Diversität, seine Mitmenschen zu respektieren, aber auch Naturschutz. Diese Message gefällt total gut. Das haben wir in Testscreenings als Feedback bekommen.
„Unsere Strukturen haben sich ausgeweitet, was uns viel Festigkeit und Stabilität gibt in Zeiten, in denen sich Budgets eher reduzieren.“
Corinna Mehner
blue eyes steht auch dafür, Projekte als europäische Koproduktionen aufzusetzen – was ab einem bestimmten Budgetrahmen unabdingbar ist aus Deutschland heraus. „Woodwalkers“ entstand mit Österreich (Dor Film) und Italien (Filmvergnuegen) als Koproduktionsländer. Die Liste der Förderungen, die dabei sind, ist ellenlang. War die Finanzierung ein besonders herausforderndes Puzzle?
Corinna Mehner: Die Finanzierung geht bei so hohen Budgets, wie Sie sagten, nur über eine europäische Koproduktion. Das ist in der Tat sehr mühsam. Jede/r Produzent:in würde das sicher gerne anders machen, wenn es ginge. Es ist sehr kleinteilig. Nicht nur aufgrund der zahlreichen Förderanträge, die wir stellen und die dann erst mal durch die verschiedenen Gremien müssen, sondern auch, weil wir die Förderpartner durchgehend informieren, sie auf dem Laufenden halten müssen. Alles wird einzeln geprüft. Das ist eine unfassbare zusätzliche Maschinerie, die da losgetreten wird. Wir haben dafür inzwischen eine ganze Abteilung, die sich darum kümmert. Alleine würden wir das nicht schaffen. Andererseits sind wir durch unsere langjährige Erfahrung wirklich Profis in Sachen Förderung geworden. Wir kennen alle Förderstellen, egal, ob in Belgien, Italien, Österreich. Wir kennen alle Leute, die Bedingungen, die Voraussetzungen etc. Das hat Vorteile. Wenn wir merken, dass wir in einem Land nicht auf die Summe kommen, die wir brauchen, können wir schnell mit einem anderen Koproduktionsland auffangen. Eine Koproduktion z.B. mit Belgien oder Italien aufzubauen ist für uns mittlerweile ein Leichtes. Bei „Woodwalkers“ haben wir einen italienischen Verleih an unserer Seite, weil sich das dortige Tax-Incentive-Programm dieses Jahr verändert hat. Unsere Strukturen haben sich ausgeweitet, was uns viel Festigkeit und Stabilität gibt in Zeiten, in denen sich Budgets eher reduzieren.
Bei „Woodwalkers“ haben Sie mit Studiocanal zudem einen starken Partner, der sich gleich für drei Filme committet hat. Das ist in Zeiten wie diesen auch eher unüblich…
Corinna Mehner: Das Herausbringen von großen Filmen im Kino wird für Verleiher immer unsicherer bzw. ist mit größerem Risiko verbunden. Wir haben mit Studiocanal in der Tat einen ganz tollen Partner an unserer Seite, der es verstanden hat, gerade bei einer Reihe wie „Woodwalkers“ das Publikum nicht immer ein oder mehrere Jahre warten zu lassen, bis der nächste Film kommt. Klar ist das auch ein Risiko, gerade beim zweiten Film, der bereits vor der Kinoauswertung von Teil eins abgedreht wurde. Aber wir sind fest überzeugt, dass die Rechnung am Ende aufgehen wird. Starke Partner wie Studiocanal und Finanzierungsformen wie die europäische Koproduktion sind die Zukunft. Die Budgets für Kinofilme, gerade bei solchen Produktionsweisen wie „Woodwalkers“, müssen hoch sein. Sonst können wir mit den Filmen aus Hollywood nicht mithalten. Seitdem die Streamer am Markt sind, kommt hinzu, dass die Qualität von Kino noch mal höher sein muss als vor den Streamern. Deutschland ist eine wahnsinnig gute Filmnation, deshalb ist es wichtig, dass die Fördersäulen der Reform jetzt auch wirklich umgesetzt werden. Wir brauchen das sehr dringend.
Wäre bei einer Produktion wie „Woodwalkers“ eine spürbare Erleichterung gegeben, hätten Sie bereits auf ein neues Fördermodell mit allen drei Säulen bei der Finanzierung zurückgreifen können?
Corinna Mehner: Für uns würde sich tatsächlich nichts ändern, weil wir immer schon komplex finanzieren. Aber für viele andere Produzent:innen würde ein Tax Incentive bei der Filmproduktion vieles erleichtern.
„Da wir nicht mit Wildtieren und Kindern gleichzeitig drehen konnten, mussten wir viele Szenen splitten. Das war eine Herausforderung.“
Carolin Dassel
„Woodwalkers“ glänzt nicht nur mit einer komplexen Finanzierungsstruktur, sondern auch mit der Tatsache, dass Sie es neben vielen Jungdarsteller:innen auch mit vielen Wildtieren zu tun hatten. Was waren die größten Herausforderungen?
Carolin Dassel: Die Tiere im Einzelnen waren gar nicht mal so herausfordernd. Natürlich war die schiere Menge an Tieren kompliziert zu organisieren und natürlich gab es auch immer wieder Überraschungen. Wir haben sehr früh mit unserer Tier-Supervisorin Katja Elsässer besprochen, mit welchen Tieren man gut drehen kann, welche Tiere sie selbst hat und welche sie von ihr bekannten Tier-Trainern holen könnte. So haben wir unser Wildtier-Ensemble zusammengestellt, darunter Pumas, Wölfe, Bisons, Raben, Adler etc. Wir haben auch die Tiere ausgeschlossen, mit denen wir nicht drehen wollten, u.a. mit Bären, und uns darauf verständigt, diese rein digital zu erstellen. Da wir nicht mit Pumas oder anderen Wildtieren und Kindern gleichzeitig drehen konnten, mussten wir viele Szenen splitten. Das war eine Herausforderung. Dann gab es hin und wieder Hiobsbotschaften wie, dass Pumas nicht nach Österreich einreisen dürfen. Für den Dreh sind wir dann auf Italien ausgewichen. Auch mit unseren Raben durften wir nicht nach Österreich, weil in der Region, in der wir drehen wollten, Vogelgrippe herrschte. Wir haben für alles Lösungen gefunden. Und dank unserer Animal Trainer und unserer Tierwohlbeauftragten waren wir immer gut beraten und die Tiere optimal beim Dreh versorgt.
Corinna Mehner: Nicht nur Kinder haben begrenzte Drehzeiten, die eingehalten werden müssen, sondern auch Tiere. Darauf achtet eine Tierwohlbeauftragte am Set.
Der Kampf um gute IPs ist nach wie vor groß. Nicht nur im Kino, sondern auch bei den Streamern. Sie haben durchaus ein Händchen dafür. Stoffe wie „Hexe Lili“, die „Hilfe, ich hab..“-Reihe, „Die Chaosschwestern“, „Vier zauberhafte Schwestern“.. basieren alle auf Buchreihen. Wie nehmen Sie die Situation im Markt wahr?
Corinna Mehner: Der ganze Markt ist fiebernd auf der Suche nach Marken. Alle wollen nur noch Marken finanzieren und umsetzen. Insofern hat man viel Konkurrenz. Bei „Woodwalkers“ hatten wir das Glück, dass wir uns noch vor Corona um die Rechte bemüht haben und dass es Romane sind, die sehr schwierig umzusetzen sind. Da braucht es wirklich die nötige Erfahrung als Produzent:in. Denn neben der vielen Tiere gibt es auch sehr viele Darsteller:innen. Wir hatten beim ersten Teil um die 16 Kinderrollen, beim zweiten sogar 20. Das erfordert viel Organisation, zumal auch deren Eltern natürlich auch immer mitreisen müssen. Wir haben uns das zugetraut, sind durchaus auch neue Wege gegangen. Insgesamt war es eine Weiterentwicklung, die gut zu uns gepasst hat
Carolin Dassel: Die Erfahrung mit einzelnen Tieren und Kindern zu drehen hatten wir. Bei „Woodwalkers“ haben wir eine Schippe draufgelegt. Das Schwierige war, wie angesprochen, dass wir die Tiere fast gänzlich getrennt vom Cast drehen mussten. Wir arbeiteten mit einer großen Animal Unit, die 21 Drehtage nur für sich hatte. Den Drehplan und die Ergebnisse von Animal Unit und First Unit zu kombinieren, war kein Kinderspiel.
„Eine Veränderung ist, dass nur die großen Marken Zuschauer generieren.“
Corinna Mehner
Welche Veränderung stellen Sie allgemein im Hinblick auf Family-Entertainment im deutschen Kino fest?
Corinna Mehner: Kino für Familien stellt nach wie vor eine große Attraktion dar. Das hat man auch gleich nach Corona wieder feststellen dürfen. Das Erlebnis, mit Kindern einen Nachmittag im Kino zu verbringen, ist beliebt. Eine Veränderung ist, dass nur die großen Marken Zuschauer generieren, und dass aber die großen Marken deutlich mehr Zuschauer machen als früher. Dass eine große Marke wie „Die Schule der magischen Tiere“ früher die Drei-Mio.-Besuchermarke gestreift hätte, wäre sehr selten vorgekommen. Darüber freuen wir uns sehr.
Abschließend ein Blick in die Zukunft: Wo stehen Sie mit Teil zwei von „Woodwalkers“?
Carolin Dassel: Mit der Haupt Unit haben wir abgedreht. Es folgt noch ein Dreh mit der Animal Unit, wenn wir den Rohschnitt vorliegen haben: Das hat sich bei Teil eins bewährt, weil man nach dem Rohschnitt besser sieht, wo genau welche Tiere noch fehlen und gedreht werden müssen. Bei Teil zwei konnten wir prima auf unsere Erfahrung und unser Know How aus Teil eins aufbauen, gerade im Hinblick auf die Animal Unit lief vieles reibungsloser. Unsere kilometerlangen Wildzäune, die wir bei Teil eins anschaffen mussten, kamen bei der Fortsetzung wieder zum Einsatz. Jeder Dreh hat seine Herausforderungen, bei Teil zwei spielte öfter das Wetter nicht so mit, wie es sollte. Aber grundsätzlich sind wir gut durchgekommen.
Corinna Mehner: Wir haben nicht nur unsere Zäune wieder verwendet, wir haben auch andere Sets recycelt und wieder verwendet, weil uns das Grüne Drehen durchaus ein Anliegen ist. Außerdem haben wir neue Tiere aufwachsen lassen. Unter anderem spielt ein ganz süßer Otter mit, ein Baby Wolf und ein kleiner Luchs. Dass wir so viel über Tiere lernen dürfen, ist sehr schön!
Das Gespräch führte Barbara Schuster