In den etwas mehr als zehn Jahren ihres Bestehens hat sich die Kölner Produktionsfirma Weydemann Bros. ein ausgezeichnetes internationales Netzwerk aufgebaut. Im Rahmen unseres NRW-Schwerpunkts anlässlich des 34. FFCGN haben wir um einen persönlichen Erfahrungsbericht gebeten. Voilà!
Schon von Beginn unserer Arbeit bei Weydemann Bros. an, die wir 2012 in Köln gegründet haben, lag unser Fokus neben deutschsprachigen Filmprojekten auch auf internationalen Koproduktionen. Wir sind geprägt von einem internationalen Arthouse-Kino, das immer wieder nach neuen Erzählungen und Erzählformen sucht und dessen Geschichten nicht an Ländergrenzen Halt macht, sondern weltweit Menschen berührt und aufrüttelt. Uns hat dabei immer die Vision geleitet, Filme sowohl für den deutschen als auch für den internationalen Markt zu produzieren, die politisch, unterhaltsam, berührend und horizonterweiternd zugleich sind.
Dabei entdecken wir jedes Mal aufs Neue mit Aufregung und Begeisterung andere Länder und ihre Geschichten, haben schon an so unterschiedlichen Orten wie Moldawien und Mexiko, UK und Malaysia, USA und Südafrika gedreht. Jedes Land hat seine Eigenheiten in der Filmfinanzierung und -produktion, und so ist jedes Projekt auch eine ganz eigene Erweiterung unseres beruflichen, produzentischen Horizonts.
Zuletzt hatten wir die Möglichkeit, gleich zwei Projekte in und mit englischen/schottischen Partner:innen zu produzieren. „The Outrun“ ist unsere zweite Zusammenarbeit mit Autorin und Regisseurin Nora Fingscheidtnach ihrem fulminanten Debüt „Systemsprenger“ (2019). Es handelt sich dabei um die Adaption des autobiografischen Romans „Nachtlichter“ von Amy Liptrot und spielt zum Großteil auf den schottischen Orkney Inseln. Der Film erzählt vom Kampf der Hauptfigur mit ihrer Alkoholsucht. Nora hat das Drehbuch gemeinsam mit Amy geschrieben, Saoirse Ronan hat die Hauptrolle übernommen und den Film auch, gemeinsam mit ihrem Mann Jack Lowden, sowie Sarah Brocklehurst und Dominic Norris in UK majöritär produziert. Aus Deutschland konnten wir als minoritäre Partner u.a. einen großen Teil der kreativen Head-of-Departments mit in das Projekt bringen, die bereits an „Systemsprenger“ mitgewirkt hatten, darunter Yunus Roy Imer als DOP, Stephan Bechinger als Editor und John Gürtler für die Musik.
Zeitgleich haben wir zudem „Falling Into Place“, das Regiedebüt von Schauspielerin Aylin Tezel, in Schottland gedreht, in diesem Fall eine majoritär deutsche Produktion unsererseits zusammen mit der schottischen Produktionsfirma Compact Pictures als minoritärem Partner. Die Liebesgeschichte zweier Mittdreißiger greift das Lebensgefühl einer ganzen Generation auf der Suche nach dem richtigen Lebenspartner auf. Auch bei „Falling Into Place“ fand der überwiegende Teil des Drehs in Schottland, diesmal u.a. auf der Isle of Skye, statt und nur ein kleiner Teil der Innenaufnahmen in NRW. Dafür kam ein Teil der wichtigsten Head-of-Departments aus Deutschland mit zum Dreh, wie z.B. DOP Julian Krubasik, Oberbeleuchter Fabian Zenker und Chef-Maskenbildnerin Christina Neuss. Und auch bei diesem Projekt hat die gesamte Postproduktion in Deutschland stattgefunden.
Produktionen in UK orientieren sich viel stärker am amerikanischen als am europäischen Markt, angefangen beim 1st AD System bis hin zu den Finanzierungspartnern. Zum Beispiel begreifen sich die britischen Förderungen stärker als aktive Investoren, denn als eine kulturell-wirtschaftliche Förderung, und begleiten die Herausbringung und den Verkauf des Films sehr aktiv. Für uns bieten englischsprachige Koproduktionen mit UK die Chance einer international sehr viel breiteren Auswertung, da sowohl aufgrund der Sprache als auch aufgrund des englischsprachigen, international bekannteren Casts eine größere Reichweite erzeugt wird.
Beide Filme konnten durch die beteiligten Weltvertriebe (Protagonist bei „The Outrun“ und GlobalScreen bei „Falling Into Place“) überaus erfolgreich international verkauft werden. Nach ihren Festivalpremieren in Sundance und Tallinn zogen beide Filme weiter über zahlreiche Festivals und wurden mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Anschließend konnten sie in viele Länder verkauft werden. So ist „Falling Into Place“ zuletzt u.a. in Spanien und der Türkei im Kino gestartet, während „The Outrun“ nahezu weltweit in die Kinos kommt und Sony Pictures Classics in den USA eine Oscarkampagne vorbereitet.
Unser Interesse an internationaler Zusammenarbeit geht aber weit über den englischsprachigen Raum hinaus. So haben wir bereits mehrfach mit lateinamerikanischen als auch mit asiatischen Ländern koproduziert. Je nach Weltregion sind die Budgets der Filme sehr unterschiedlich aufgestellt. Eine unserer letzten Koproduktionen ist der Debütfilm „Tiger Stripes“ der malaysischen Regisseurin Amanda Nell Eu, an dem wir als minoritäre Koproduzenten mitgewirkt haben. Eine Coming-of-Age Geschichte einer jungen Frau mit Genreelementen aus dem Bereich Body-Horror und gleichzeitig ein hochpolitischer Film, der im Heimatland der Regisseurin nur in zensierter Fassung im Kino starten durfte. Für die Realisierung dieses Films, der ein Budget von nur knapp einer Million Euro hatte, haben insgesamt sieben Koproduktionspartner aus verschiedenen Ländern zusammengearbeitet. Eine großartige Produktionserfahrung, die bis zum Gewinn des Hauptpreises der Semaine de la Critique in Cannes geführt hat.
Ein weiteres aktuelles Beispiel unserer internationalen Koproduktionen ist der Spielfilm „El aroma del pasto recién cortado” der argentinischen Regisseurin Celina Murga. In zwei parallelen Handlungssträngen erzählt der Film von einer Frau und einem Mann in der Midlife-Crisis, die jeweils eine Affäre mit einem/einer Student/in beginnen, und betrachtet die unterschiedlichen Reaktionen des gesellschaftlichen Umfelds auf diese beiden Affären. Auch hier waren wir als minoritäre Partner beteiligt neben Produzent:innen aus Argentinien, Uruguay und den USA, darunter Martin Scorsese als Executive Producer und Mentor. Der Film hatte, u.a. wegen wirtschaftlicher und politischer Herausforderungen in Argentinien, eine langwierige Finanzierungsphase. Und so wäre auch dieses Projekt ohne die Beteiligung internationaler Partner voraussichtlich nie zustande gekommen. Stattdessen konnte der Film dieses Jahr seine Premiere in Tribeca feiern und dort den Preis für das Beste Drehbuch gewinnen.
Keine internationale Koproduktion ist ohne Herausforderungen. Zu den eh schon großen Risiken, die das Produzieren von Filmen generell birgt, kommen zahlreiche weitere hinzu: heftige Währungsschwankungen, sprachliche und kulturelle Missverständnisse, unterschiedliche Gesetzgebungen oder Probleme mit Zoll und Visum, um nur ein paar zu nennen. Aber die Zusammenarbeit über Ländergrenzen und Sprachen hinweg an einer gemeinsamen filmischen Vision, die von den ganz unterschiedlichen Sichtweisen und Lebenserfahrungen der Beteiligten, die sich gegenseitig inspirieren, gestaltet wird – diese Erfahrung ist unschätzbar bereichernd.