Ob da der Wunsch Vater des Gedankens war? Die Berliner Zeitung berichtet über die Eröffnung eines neuen VIP-Kinos mit außergewöhnlichem Konzept am Potsdamer Platz. Leider ist an der Meldung nichts dran – und man muss sich wundern, wie eine vor Ort angesiedelte Redaktion auf eine derart plumpe Fälschung hereinfallen konnte.
Ein wenig erstaunlich ist es ja doch, wenn man in einem so großen Haus wie der Berliner Zeitung nicht in der Lage ist, einfach mal kurz jemanden zum Potsdamer Platz zu schicken, um sich vor Ort ein Bild zu machen – insbesondere dann, wenn man der (knappen) Meldung genug Bedeutung bemisst, um sie auch auf sozialen Medien zu teilen.
Ein neues VIP-Kino soll demnach am Potsdamer Platz eröffnet haben. Eines, in dem statt Sitzen durchgängig Betten auf die Besucher warten. Am interessantesten an dieser Meldung sind leider die Kommentare unter dem Bericht bzw. jene unter der Quelle. Denn offenbar hat sich in der Hauptstadt noch nicht recht herumgesprochen, dass solche Konzepte tatsächlich existieren – und das beispielsweise im Traumpalast Leonberg mit großem Erfolg.
Das entscheidende Problem: Was die Berliner Zeitung zu dieser Meldung veranlasst hat, ist ein verwackeltes Video, das Impressionen aus diversen Bettensälen zeigt, verbunden mit der Behauptung, hierbei handle es sich um Bilder aus einem neuen Berliner VIP-Kino. Stutzig hätte schon die Quelle des Videos machen müssen. Denn der Kanal „Shishadream“ hat erst einmal herzlich wenig mit Kinos zu tun – ganz offensichtliche Fake-Videos zu angeblichen Kinoprojekten findet man dort allerdings etliche.
Immerhin: Die Bilder zum vermeintlichen Berliner VIP-Haus stammen aus echten Bed Cinemas – unter anderem dem Schweizer Pathé Spreitenbach. Wem das Pathé-Logo auf der Leinwand diesbezüglich als Fingerzeig nicht reicht, dem könnte auch ein anderes Detail ins Auge stechen, das sofort klar macht, dass die gezeigten Säle nie und nimmer in Berlin (oder generell Deutschland) beheimatet sein können. Stichwort: Notausgangsbeleuchtung.
Hinzu kommt natürlich: Ein derart aufwändiges Konzept soll völlig unter dem Radar entstanden und eröffnet worden sein, über keinerlei Online-Präsenz abseits von TikTok und Instagram verfügen – und auch in Berliner Verleihkreisen (selbstverständlich haben wir noch nachgehakt, um der Sorgfaltspflicht Genüge zu tun) unbekannt sein?
Wie so ein Artikel überhaupt entstehen kann? Vermutlich steht im Hintergrund die Erwartung, dass in das Gebäude des Ende 2019 geschlossenen CineStar Original am Potsdamer Platz tatsächlich perspektivisch wieder ein Kino einzieht – immerhin gab es im November 2021 in der Tat entsprechende Ankündigungen der Oxford Properties Group als Eigentümerin des Komplexes. Wirklich konkrete Informationen zu diesem Projekt – und einem potenziellen Betreiber – gab es allerdings nie. Klar ist nur: Die jetzt gemeldete Eröffnung ist leider ein Fake.
Zwischenzeitlich waren Teile der Räumlichkeiten von der Berliner Agentur Starlounge für hybride Veranstaltungsformate genutzt worden, tatsächlich wurde der pandemiebedingt nur digital abgehaltene Filmtheaterkongress KINO 2021 dort realisiert.
Immerhin: Verbreitung und Like-Zahlen des Videos könnte man als grundsätzlich hochgereckten Daumen für ein neues VIP-Kino und das Konzept werten…
UPDATE: Offenbar ist man sich mittlerweile auch bei der Berliner Zeitung des faux pas bewusst geworden – der Artikel wurde dort kommentarlos entfernt.