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Marie-Lou Sellem und ihr Regiedebüt: „Ich mache alles selbst“

Wenn etwas passieren soll, muss man es selbst in die Hände nehmen: Marie-Lou Sellem, 58 Jahre alt und seit 1989 als Schauspielerin tätig, hat erstmals Regie geführt. Und bringt ihren Dokumentarfilm „Die Schule der Frauen“ jetzt nach der Premiere auf dem Filmfest München in Eigenregie ins Kino. Ihre Kinotour ist heute gestartet. 

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Marie-Lou Sellem (Credit: Maud Sellem)

Schauspielerin Marie-Lou Sellem hat mit „Die Schule der Frauen“ hinter die Kamera gewechselt. Der Dokumentarfilm, den Sebastian Schipper produzierte, ist ihr Regiedebüt. Weltpremiere feierte er in der Reihe Spotlight des 41. Filmfest München. Das Projekt ist eine echte Herzensangelegenheit, für das Sellem alles gibt. „Ich mache alles selbst. Sogar den Verleih und die Organisation einer Kinotour. Mir war wichtig, dass der Film in die Kinos kommt. Er soll gesehen werden und eine Chance beim Deutschen Filmpreis erhalten.“

„Die Schule der Frauen“ blickt auf das Thema der patriarchal geprägten Kulturlandschaft, auf das „Problem“, als Schauspielerin alt zu werden. Vor der Kamera sind Sellems Jahrgangskommilitoninnen, mit denen sie ihre Ausbildung an der Folkwang Universität der Künste machte. Cornelia Felden, Jacqueline Kornmüller, Karoline Eichhorn, Katharina Linder und Kerstin Weiß. Es geht um den Kampf und Idealismus, dem sie sich damals als junge Schauspielschülerinnen verschrieben hatten, und die Frage, 36 Jahre später, welche Erfahrungen sie gesammelt haben, was sie als Erfolg werten und was sie lieber nicht erlebt hätten.

Auf Kinotour ist Marie-Lou Sellem seit 4. September. Start war in Berlin „Es gibt kaum eine Woche, wo ich nicht täglich in einem anderen Kino, in einer anderen Stadt bin, um mit dem Publikum über den Film zu sprechen. Von Berlin, Hamburg, Göttingen über Bochum, Hannover, Karlsruhe… einmal durch die Republik.“ Den Wunsch, Regie zu führen, trug sie schon lange in sich. Projekte hatte sie immer im Kopf. Im Falle von „Die Schule der Frauen“ war es das Thema, das sich aufdrängte. „Mein Ansinnen als Regisseurin ist es, eine Perspektive zu formulieren“, so Sellem.

Die Grundidee von „Die Schule der Frauen“ war es, anhand der Frauenbiografien ,in persönlicher Weise das Exemplarische der beiden Leitthemen weibliche Diskriminierung und Ageism spürbar werden zu lassen. Das Auftauchen der jetzigen Generation im Film, lässt nicht nur schnell ein Gefühl für einstige Utopien entstehen, sondern gibt dem Zuschauer auch die Möglichkeit zu überprüfen, was sich eigentlich wirklich in der Zwischenzeit geändert hat. „Fünf Protagonistinnen durch eine interessante Dramaturgie mit Höhepunkten und Wendepunkten zu führen, alles selbst entscheiden zu müssen, war eine große Herausforderung. Wir hatten am Ende ca. 60 Stunden Material, das ich mit meiner Partnerin in Crime, Editorin Sonja Baeger, in nur zweieinhalb Monaten geschnitten habe“, erinnert sich Sellem.

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„Die Schule der Frauen“ von Marie-Lou Sellem (Credit: Maud Sellem)

Schwierige Phasen gab es bis zu dem Punkt, an dem Sellem dachte, jetzt würde ihr das Projekt um die Ohren fliegen, „ich bekomme es nicht in den Griff, ihr werde als Hochstaplerin enttarnt“. Glücklicherweise hielt dieses Im-Tunnel-Feststecken nur eine Woche an. „Dann fiel der Groschen, ich wusste plötzlich die Richtung. Mein Blick öffnete sich, das Material arrangierte sich fast wie von selbst. Ich habe viel gelernt.“ Musste sie sich dabei auch von Lieblingsszenen trennen? Nach dem Motto „Kill Your Darlings“? „Mein Hauptansatz war, den Anteil deutlich zu machen, den wir Frauen selbst an den beklagenswerten Umständen haben, um dadurch einen Handlungs -und Möglichkeitsraum frei zu legen.  Natürlich gab es schöne Dinge, von denen ich mich trennen musste. Es war ein kreativer Vorgang des Weglassens. Meine Editorin hat oft gesagt: Das brauchen wir nicht. Ich habe lange gebraucht, um das zu akzeptieren, ich musste richtig lernen loszulassen .“

Es habe z. B einen ganzen Block gegeben, in dem es noch spezieller um das Wesen von Schauspielerei ging, was es bedeutet, Schauspielerin zu sein, mit welchen Ängsten, welchen Utopien man dasteht, was es bedeutet, im Theater sich mit dem Publikum im Saal zu verbinden. „Davon musste ich mich leider trennen. Da wäre das Kinopublikum vermutlich ausgestiegen.“

War es eine gute Erfahrung, das Regieführen? „Es war beides“, so Sellem. „Unheimlich schön und gleichzeitig ganz selbstverständlich.“ Als Schauspielerin saß sie Zeit ihrer Karriere in so vielen Proben, hat so viel zugeguckt, hat so viele Prozesse beobachtet, dass der Schritt gar kein besonders großer war. „Außerdem bin ich mit wirklich vielen Regisseuren befreundet wie Sebastian Schipper, Tom Tykwer oder Fabian Stumm, mit denen ich mich seit Jahren unterhalte.“ Den Weg als Filmemacherin will sie weiter schreiten. Ihr erstes fiktionales Drehbuch ist geschrieben, es liegt aktuell einer Produktionsfirma vor. „Es ist die Geschichte eines verantwortungslosen Menschen, der sein ganzes Dasein auf eine Karte gesetzt hat und dann wird plötzlich eine andere Farbe gespielt“, so Sellem.

Thomas Schultze