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REVIEW VENEDIG: „The Order“

Harter Thriller von Justin Kurzel, in dem ein ausgebrannter FBI-Agent Jagd macht auf eine rechtsradikale Terrorvereinigung, die mit Anschlägen den Umsturz der Regierung anstrebt.

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„The Order“ von Justin Kurzel (Credit: Michelle Faye)

CREDITS: 
Land / Jahr: Kanada 2024; Laufzeit. 114 Minuten; Regie: Justin Kurzel; Drehbuch: Zach Baylin; Besetzung: Jude Law, Nicholas Hoult, Tye Sheridan, Jurnee Smollett, Marc Maron

REVIEW:
Zunächst und zuvorderst ist „The Order“, Justin Kurzels erster Film seit seinem Cannes-Beitrag „Nitram“, der Caleb Landry Jones 2022 den Darstellerpreis bescherte, ein lupenreines Procedural, schnörkellos, kompetent, alles drin, alles dran, was man sich von einem Thriller über Cops bei der Arbeit erwartet. Erfahrener FBI-Agent kommt in den amerikanischen Nordwesten, um das kriminelle Treiben einer radikalisierten Splittergruppe der Aryan Brotherhood zu recherchieren. Wie schon „Nitram“ basiert auch diese neue Arbeit des Australiers auf einer akribisch recherchierten wahren Geschichte, eine Verfilmung des Tatsachenromans „The Silent Brotherhood“ von Kevin Flynn und Gary Gerhardt: In den Jahren 1983 und 1984 hatte die neonazistische White-Supremacy-Gruppierung The Order unter Führung von Robert Jay Matthews nicht mehr und nicht weniger als den Umsturz der ihrer Ansicht nach von Juden unterwanderten Regierung des Landes angestrebt. Mit 30 Männern. Richtig.

Inspiriert von dem Roman „The Turner Diaries“, wollte die Miliz, finanziert durch eine Reihe von Banküberfällen, die Revolution erzielen durch Sprengstoffanschläge auf Pornokinos und Sexshops sowie der Hinrichtung prominenter Feinde, die zum entscheidenden „Day of the Rope“ führen sollten, der Erstürmung des Kapitols: So ist ihre Ermordung des Talkradio-Moderators Alan Berg im August 1984 die außerhalb der USA bekannteste Aktion der Terrorgruppe: Oliver Stone thematisiert sie in seiner Verfilmung des Theaterstücks „Talk Radio“ von Eric Bogosian aus dem Jahr 1987; The Order wurde im Kino zudem bereits in Costa-Gavras‘ „Verraten“ mit Debra Winger und Tom Berenger sowie Martin Bells „The Order – Kameradschaft des Terrors“ mit William Baldwin in den Mittelpunkt gerückt. 

Alan Berg gehört auch der Anfang des Films. Hier gespielt von dem populären Comedian Marc Maron, den man hört, wie er verbal auf Konfrontationskurs geht mit einem Anrufer seiner Show, der hasserfüllt seinen antisemitischen Überzeugungen freien Lauf lässt. Berg bleibt bewundernswert cool und merkt an, dass all diese extremen Gruppierungen eines gemeinsam hätten: Sie gäben immer anderen den Schuld, weil sie selbst zu unfähig seien, ihr Leben auf die Reihe zu kriegen und deshalb einen Sündenbock bräuchten. Was Justin Kurzel im Anschluss folgen lässt, ist ein Fanal der Inkompetenz und Stümperei. Die Nazis um den von Nicholas Hoult charismatisch gespielten Bob Matthews träumen von der Weltherrschaft, machen aber Anfängerfehler am laufenden Band, lassen Ausweise und Brieftaschen an Tatorten liegen und stellen sich auch sonst alles andere als professionell an. Matthews ist stolz, ein weißer Christ zu sein, hat aber neben seiner Familie eine Geliebte, die ihr erstes Baby erwartet. Gerade das, sagt der Film, ihre Stümperei, mache diese Männer so gefährlich und unberechenbar. Wenn es zu Schießereien kommt, wird vor allem daneben geschossen. Ein bisschen fühlt man sich erinnert an revisionistische Western des New Hollywood wie „McCabe & Mrs. Miller“ oder „Der große Minnesota Überfall“: Dumme Menschen machen dumme Dinge in einem Fort, halten sich aber für die Größten.

Dass sich FBI und Polizei wenig professioneller anstellen, ist die große tragische Ironie der Geschichte: Auch hier werden bei den Ermittlungen Fehler gemacht, offenkundig unkluge Entscheidungen getroffen. Und dass die Nazis wiederholt aus vermeintlich aussichtslosen Situationen entkommen können, wirft auch kein gutes Licht auf den starken Arm des Gesetzes. Mittendrin Jude Law als mit allen Wassern gewaschener FBI-Agent Terry Husk, der hier hinter seinem riesigen Schnauzer müde und ausgelaugt aussieht, als hätte er ein Jahr lang nicht mehr geschlafen. Er will es sich selbst nicht eingestehen, ist aber mit seinem verkorksten Leben konfrontiert. Der Umzug in den Nordwesten soll ein Neuanfang sein, seine Ermittlungen gegen The Order eine Wiedergutmachung für alles, was er im Lauf seines Lebens verbockt hat. Er holt den jungen und aufrechten lokalen Cop Jamie dazu, gespielt von Tye Sheridan, und besiegelt leichtfertig dessen Schicksal. Nicht einmal einen richtigen Showdown bekommen sie hin, als Matthews in einer entlegenen Hütte im Wald in die Enge getrieben ist: Hoch lodern die Flammen in der Nacht. Sie verzehren alles. Gewinner gibt es hier nicht. 

Thomas Schultze