State-of-the Art und grün präsentieren sich die neuen HQ7 Studios in Wien-Simmering, die im Herbst in Vollbetrieb gehen und Österreich als Drehort für nationale und internationale Produktionen noch attraktiver machen. Ein Besuch vor Ort.
Wie lustig ist es, in einen Bus zu steigen, dessen Terminus „Alberner Hafen“ heißt? In diese Richtung ging es, allerdings nicht ganz so weit. Haltestellen wie Erdberg oder Gasometer machen klar, dass man sich in eine Industriezone begibt. Zwei Stationen vor dem „albernen“ Hafen Ausstieg, Simmeringer Haide. Dort residieren die brandneuen HQ7 Studios. Auf einem riesigen Gelände von Hafen Wien. Wie überhaupt alles dort Hafen Wien gehört. Hafen? In Wien? Jawohl. Der Hafen Wien, ein Unternehmen der stadteigenen Wien Holding sowie der Wirtschaftskammer Wien, beherbergt den größten öffentlichen Donauhafen Österreichs mit den Frachthäfen Freudenau, Ölhafen Lobau und – Achtung – Albern. 😉
Die HQ7 Studios mit zwei Hallen sind in Wien-Simmering gelegen, einem klassischen Arbeits- und Industriebezirk und als Standort des größten Friedhofs Österreichs, des Wiener Zentralfriedhofs, bekannt. Innerhalb von nur einem Jahr wurden die Studios fertiggestellt. In den Bau hat Hafen Wien 9,1 Millionen Euro investiert. Das Unternehmen ist Eigentümer des gesamten Geländes und hat die Studios nach den Entwürfen des Architekturbüros Haas Haas gebaut. Die HQ7 Studios GmbH ist Betreiber der Studios und vertraglich langfristig gebunden. In der Bespielung der Hallen ist die GmbH vollkommen frei. Hafen Wien hat hier kein Mitspracherecht. Seit kurzem ist nun der Probebetrieb gestartet. Im Herbst soll der Hebel auf Vollbetrieb umgelegt werden. Die Anfragen häufen sich.
Die Hallen fallen auf, wenn man sich dem Gelände nähert. Schließlich sind sie nigelnagelneu, wie sonst nichts in näherer Umgebung. Auch die Straße, die dorthin führt, ist frisch geteert. Man läuft an einer LKW-Diesel-Tankstelle vorbei, an einer Autowerkstatt für Ferraris, einem Transportunternehmen für Menschen mit Behinderung. Geschäftsführer der HQ7 Studios ist Anu Shanker. Er holt mich mit einem Golf Cart ab, das ihm geschenkt wurde. Ein Branding irgendeines Yachthafens fällt ins Auge. „Mein Lieblingsfortbewegungsmittel auf dem Gelände bekommt auch noch unser Logo“, so Shanker. Und los geht’s, mit Gehupe, einmal rund ums Areal und dann hinein in die große Halle.
Diese misst 2000 Quadratmeter mit einer inneren Höhe von 13 Meter. Stage 2 verfügt über 1000 Quadratmeter bei identischer Höhe. Die Hallen, beide schallisoliert, können unabhängig voneinander genutzt werden. Auf den Dächern sind 7000 Solarpanele verbaut. Es riecht nach neuen Spanplatten. Verwendet wurde die Sorte, wie sie in jedem zweiten Hipster-Coffee-Shop zu finden sind. Bis dato war nur eine Werbefilmproduktion zu Gast. „Offiziell eröffnet sind wir ja noch nicht. Das sind jetzt bewusst Testbetriebe, die uns wichtige Insights verschaffen, um alle Abläufe zu testen“, so Katrin Fürnkranz, die Shanker im Management unterstützt. Rund 60.000 Quadratmeter misst das gesamte Areal, 12.000 davon stehen den HQ7 Studios zur Verfügung. In Nebengebäuden gibt es großzügige Flächen für Büros, Garderoben und Werkstätten, sowie zwei feste Kulissen: ein Krankenhaus mit Aufzug und eine Pathologie.
Das Gelände wurde vor der Errichtung der neuen Hallen bereits hin und wieder von Filmproduktionen genutzt. Adele Neuhauser und Harald Krassnitzer hatten in einem der vielen Büroräume eine Zeit lang ihr „Tatort“-Kommissariat. Eine der Werkstätten gehört Szenenbildnerin Verena Wagner, die darin zuletzt die Vorarbeiten für „Crooks“ geleistet hat. Manche der Räumlichkeiten sind auch noch anderweitig vermietet, an eine Kaffeerösterei etwa oder ein Fitnessstudio für Frauen. Im Keller sind sogar noch ein Bogenschützenverein und ein Schießclub, der häufig von Polizisten besucht wird, um ihre Zielgenauigkeit zu überprüfen. „Wird was frei, bekommen wir den Vorzug“, so Shanker. Geschaut wird, dass sich ein buntes Sammelsurium an Film- und TV-nahen Unternehmen ansiedelt. Arri Rental ist temporär im Flexspace eingemietet und lädt Ende August zu einem Opening. Auch etliche Servicewagen von Grizzly Filmbau sind bereits vor Ort. Eine Cafeteria ist in Planung. „Da das Gelände hin und wieder schon für Drehs genutzt wurde, ist es auch ein Begriff in der österreichischen Filmlandschaft. Und Hafen Wien war bereits Ansprechpartner für Filmdrehs. Insofern ist Film für Hafen Wien kein exotisches Thema. Und wenn wir Anfragen nach erweiterter Fläche im Außenbereich bekommen, haben wir wirklich einen guten Partner an der Hand“, so Fürnkranz. Der Immobilienbestand von Hafen Wien ist alles andere als unbeträchtlich. Auch Drehs auf der Donau müssen häufig dort angemeldet werden.
Zu diesem Bestand zählen nun auch die beiden Studiohallen, die moderner kaum sein könnten. Die Hallen haben als einziges Studio Europas eine Bodenheizung, was lautlose Wärme ermöglicht (lautlos ist nicht ganz unwichtig bei Dreharbeiten) und eine State-of-the-Art Lüftungsanlage – alles steuerbar via Tablet, auch remote. Das Soundproofing, die Lasten, die man in die Hallen fahren kann – zwei Tonnen pro Quadratmeter! – und die 180 Tonnen, die in die Decke eingehängt werden können (fürs Rigging diverser Technik; Requisiten), sind weitere Pluspunkte. Ebenso die verbauten Tektalan Platten, die den Schall innen schlucken, High-Speed-Internet und Services-Angebote rund um die Vermittlung von Location Scouting, Auskunft zu Fördermöglichkeiten oder Reisearrangements. All das hebt die HQ7 Studios allemal auf ein Level mit der weltweiten Konkurrenz. Die Hallen bieten maximale Flexibilität und ermöglichen ein Arbeiten ohne Störfaktoren von äußeren Einflüssen wie Wetter oder Straßenlärm.
Nachhaltigkeit habe bei der Konzeption von Anfang an eine große Rolle gespielt, damit klimaneutrales Produzieren gewährleistet werden könne, wie Shanker erzählt. „Wir produzieren aktuell so viel grünen Strom, dass wir gar nicht alles benötigen, sondern ihn ins Stadtnetz einspeisen lassen.“ Rundum gibt es genügend Parkplätze, weitere Flächen, die als Parkplätze oder für Vorbauten benutzt werden können, kommen noch hinzu. „Ich möchte nicht sagen, dass die Möglichkeiten grenzenlos sind. Wir verstehen uns als Boutique-Studio, weil wir uns anpassen können. Jedes Projekt bekommt sein eigenes Angebot, entsprechend der Bedürfnisse. Das zeichnet uns aus“, so Fürnkranz.
Bis dato hat es in Österreich kein Studio auf diesem Level gegeben. Die geschichtsträchtigen Rosenhügel Filmstudios, in denen sich Alexander Korda und Max Neufeld die Klinke in die Hand gaben oder Stars wie Paula Wessely, Hans Moser, Curd Jürgens, Romy Schneider, Willi Forst und Peter Alexander ein- und ausgingen, sind Vergangenheit, hätten technisch aber auch nie mit HQ7 mithalten können (Fun Fact: in eine der zwei Hallen, die dort noch stehen, ist die SynchronStage Vienna gezogen; die andere hat sich ein russischer Milliardär für seine Enkelin gekauft, die sie zum Leichtathletiktraining verwendet). Die ersten Anfragen für HQ7 kommen vor allem aus dem Ausland, viele aus Deutschland, aber auch international, wie Anu Shanker erzählt. Neben dem 2023 eingeführten Anreizmodell, über das ein Zuschuss von bis zu 35 Prozent pro Projekt gewährt wird, sind die HQ7 Studios nun ein weiteres Asset, das den Standort Österreich innerhalb Europas nach vorne pusht. Hier werden sicherlich bald die Stars unserer Zeit ein- und ausgehen. Die großen Tore der Studios sind geöffnet!
Barbara Schuster