Emma Corrin fällt in „Deadpool & Wolverine“ – heute in den Kinos gestartet! – die Rolle des Bösewichts zu. Wie sie es erlebt hat, Cassandra Nova in einer derart großen Filmproduktion zu spielen, verrät Sie im SPOT-Gespräch.
Sie haben erstmals bei einer Kinogroßproduktion mitgewirkt. Entsprach die Erfahrung Ihren Erwartungen?
Emma Corrin: Es war einfach fabelhaft. Und absolut beeindruckend, Seite an Seite und Hand in Hand mit all diesen großartigen Leuten arbeiten zu können, die bereits unendlich viel Erfahrung mit dieser Art von Genre mitbringen. Man merkt sofort: Das ist etwas Besonderes. Und man spürt, wie wichtig den Menschen diese Geschichten sind, wie beeindruckend ihr Erbe ist. Ich fühlte mich merkwürdig geehrt, erstmals der Figur von Cassandra Nova Gestalt geben zu dürfen. Es hat Spaß gemacht, mit ihr spielen zu dürfen. Und sie zu spielen.
Hand aufs Herz: War Ihnen Cassandra Nova ein Begriff?
Emma Corrin: Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich kein große Comicleser bin. Die Antwort lautet also Nein. Umso größer war das Privileg, sie immer besser kennenlernen zu dürfen. Wenn man sich damit beschäftigt, öffnet sich ein beeindruckend faszinierendes Universum, angefüllt mit Figuren, die sich ständig wandeln, in neuen Inkarnationen existieren. Ich verstehe sehr gut, wie man sich darin verlieren kann.
Man kennt sie als Lady Diana aus „The Crown“. Sie haben die Hauptrolle gespielt in einer Netflix-Neuverfilmung von „Lady Chatterly’s Lover“, sie standen im Mittelpunkt der außergewöhnlichen Miniserie „Murder at the End of the World“. Wenn man Cassandra Nova spielt, ist das dann eine andere Art der Schauspielerei?
Emma Corrin: Wissen Sie, es ist tatsächlich anders. Ich hatte noch nie zuvor eine Fantasiefigur gespielt, die zwar menschliche Züge trägt, aber doch erkennbar übermenschlich ist. Ein bisschen hat es mich ans Theater erinnert.
Weil man bei der Arbeit vor Greenscreen/Bluescreen/LED-Volume auf sich allein zurückgeworfen ist?
Emma Corrin: Sie werden lachen. Ich hatte nicht eine einzige Szene vor einem dieser Screens. Alle Sets waren gebaut. Es war unbeschreiblich. Die Ausmaße, die Liebe zum Detail. Alles war voll funktional. Man konnte sich wirklich in ihnen verlieren.
Sie mussten sich für Ihre Rolle Ihre Haare abrasieren lassen. Trug das zu Ihrer Darstellung bei?
Emma Corrin: Wir haben die Haare raspelkurz geschnitten, und darüber trug ich dann eine Glatzenkappe. Den Kopf pausenlos neu rasieren zu müssen, wäre zu viel des Guten gewesen. Und dennoch hatte allein das Abschneiden eine profunde Wirkung. Man fühlt sich entblößt, man ist sich dessen ständig bewusst. Es war interessant. Man arbeitet dann konzentrierter, achtet mehr auf alles, was man macht, jede Geste, jede Mimik. Zu der Glatze kamen noch Fingerprosthetics – meine Finger sind nun wirklich nicht so lang! Damit fiel es mir dann leicht, mich in Cassandra zu versenken. Es war, als würde ich ein neues, ein anderes Ich überstreifen.
Wie war es, als Neuling an Bord zu kommen? Ryan Reynolds und Hugh Jackman kennen Ihre Figuren längst in- und auswendig? Ist es schwierig, sich an ihrer Seite zu behaupten, zumal es Ihnen nicht erlaubt war, komisch zu sein?
Emma Corrin: Cassandra ist einfach nur, naja, merkwürdig. Es ist also gar keine Frage, ob man ernst ist oder nicht, ob man lustig ist oder nicht. Das sind die falschen Kategorien, so funktioniert sie nicht. Ein Problem war es indes, dass Ryan so wahnsinnig komisch ist, ständig neue Witze macht, neue Gags bringt. Man muss sich sehr zusammenreißen, um nicht aus der Rolle zu fallen und einfach nur schallend zu lachen. Am liebsten will man einstimmen, mitmachen. Das geht natürlich nicht. Ich musste Cassandra bleiben, egal wie irrwitzig die Atmosphäre im Raum war. Weil die Comedy natürlich auch nur dann wirklich funktioniert. Aber wenn ich ganz ehrlich sein darf: Am meisten Schwierigkeiten hatte ich mich zurückzuhalten, wenn ich mit Matthew Macfadyen vor der Kamera stand. Ich fand ihn unfassbar amüsant.
Wie viel Improvisation ist bei einem Film wie „Deadpool & Wolverine“ möglich? Der Film wirkt sehr locker, sehr frei…
Emma Corrin: Sie dürfen nicht vergessen, dass man Ryans Gesicht die meiste Zeit nicht sieht. Die Wahrheit ist, dass zwei Drittel seiner Dialogzeilen erst in der Postproduktion erarbeitet werden. Aber natürlich ist es so, dass Ryan, Hugh und Shawn Levy am Set pausenlose neue Ideen haben, das Drehbuch ständig angepasst wird. Das ist aber auch gut. So bleibt man am Ball, verfällt nie in Routine. Das kann man sich bei ihnen nicht erlauben.
Wie gemein. Die anderen können nach den Dreharbeiten noch feilen – und Sie müssen einfach Sie bleiben?
Emma Corrin: Wie gesagt: Man muss am Ball bleiben. Ich finde den Prozess aber wirklich interessant, ich hatte noch nie so gearbeitet. Und dann ist es ausgerechnet bei dem größtmöglichen Filmprojekt so, dass man ständig die Erlaubnis hat, sich ganz frei zu entfalten. Aber natürlich ergibt es Sinn: Auf diese Weise kann man wirklich bis ganz zum Schluss noch Änderungen vornehmen, immer feiner werden. Ich denke, das ist einer der Gründe, warum diese Filme so erfolgreich sind.
Wurden Ihre Erwartungen erfüllt?
Emma Corrin: Ich weiß nicht, ob ich diese Frage beantworten kann. Weil ich Ihnen nicht sagen könnte, was genau meine Erwartungen waren. Ich hatte keine Vorstellung. Ich erinnere mich nur, dass ich wahnsinnig nervös war. Und dass diese Nervosität auf einen Schlag weg warm als ich am Set stand, weil alle so fürchterlich nett und partnerschaftlich waren, mich förmlich einluden, Teil ihres Prozesses zu sein. Ich war dann tatsächlich überrascht, wie handfest die Produktion war, dass kaum Greenscreens zum Einsatz kamen. Ich habe die Arbeit sehr genossen. Wenn man mich wieder haben will, dann bin ich dabei.
Das Gespräch führte Thomas Schultze.