Der schwedische Produzent Daniel Gylling von Yellow Bird gibt einen Einblick in die Produktion der dritten „Kommissar Bäckström“-Staffel. Er spricht über die Partnerschaft mit der ARD, den Crime-Heißhunger und herausfordernde Zeiten in Schweden.
Seit dem 28. Juni gibt es bereits die neuen sechs Folgen der schwedischen Crime-Serie „Kommissar Bäckström“ in der ARD-Mediathek. Der lineare Start im Ersten ist am Sonntag, den 21. Juli, mit Doppelfolgen.
Sie begannen ihre Karriere am Set von Lars-von-Trier-Produktionen wie „Dancer in the Dark“ oder „Dogville“. Wie wurden Sie dann der jetzige Produzent großer skandinavischer Serienproduktionen wie „Kommissar Bäckström“?
Daniel Gylling: Mich hat schon immer interessiert, Geschichten zu erzählen. Das geht bis in die Schule zurück, wo ich gerne Erzählungen schrieb. Filme und Fernsehen ist die dabei ultimative Form des Geschichtenerzählens, weil dort mit Bildern, dem Ton und dem Drehbuch alles zusammenkommt. Dann spielt häufig der Zufall eine Rolle, der erklärt, warum man gerade dort den Einstieg schafft.
Aber wie kamen Sie als Schwede an das Set der dänischen Produktion „Dancer in the Dark“?
Daniel Gylling: Als ich für Lars von Trier arbeitete, war ich ein Freiberufler und arbeitete viel mit der Firma Memphis Film zusammen, die schwedischer Koproduzent der Lars-von-Trier-Filme war. Dort gab es den Produzenten Malte Forssell, der heute mit Netflix zusammenarbeitet. Der war damals Line Producer bei von Trier, aber auch bei Lukas-Moodysson-Filmen. Über ihn kam ich auch in Kontakt mit meiner jetzigen Produktionsfirma Yellow Bird. Mit Malte machte ich die Produktion „Die Rache des Tanzlehrers“ zusammen. Dann fragte er mich, ob ich mit ihm und Yellow Bird das Format „Mankells Wallander“ machen wollte. Ich zog in den Süden von Schweden. Wir produzierten 13 dieser Filme. Danach fragten sie mich, ob ich bei Yellow Bird bleiben will.
Wie erfolgreich sind Serien wie „Kommissar Bäckström“ in Ihrem Heimatland Schweden? Wie wichtig sind gleichzeitig aber auch europäische Märkte wie Deutschland bei der Produktion?
Daniel Gylling: „Kommissar Bäckström“ ist sehr populär in Schweden. Hier ist es eine der erfolgreichsten und größten Crime-Serien auf TV4. Seit der ersten Staffel hat sich das Nutzungsverhalten verändert. Damals hatte wir viele lineare TV-Zuschauer. Bei der dritten Staffel tendieren immer mehr zur Streaming-Plattform des Senders, C More. Insgesamt ist es aber ein konstant großes Publikum. Der Autor der Vorlage, Leif G.W. Persson, ist in Schweden berühmt und tritt viel im Fernsehen auf und kommentiert echte Kriminalfälle und gesellschaftliche Themen. Obwohl die Serie so erfolgreich ist, ist es schwierig in einem so kleinen Land wie Schweden solch eine Serie auf diesem Qualitätslevel allein zu produzieren. Für uns ist deshalb wichtig, Kooperationen mit großen Sendern in Europa zu haben. Zwischen Deutschland und Schweden gibt es eine besondere Beziehung. Produkte aus Schweden sind in Deutschland beliebt. Auch wir haben schon viele Koproduktionen mit Deutschland gemacht.
In Deutschland ist jetzt die dritte Staffel von „Kommissar Bäckström“ gestartet. Was bekommen Sie von Ihren deutschen Partnern zur Serie gespiegelt?
Daniel Gylling: Als wir mit „Bäckström“ begannen, hatten wir immer drei Staffeln im Hinterkopf. Es gibt horizontale Erzählstränge, die durch alle drei Staffeln gehen und auch mit dieser Staffel enden. Aber da das Format in Schweden ein so großer Erfolg ist, kann man ja nie wissen. Entschieden ist noch nichts über eine potenzielle Fortsetzung. Die dritte Staffel basierte nur wage auf der Buchvorlage und mehr auf dem Charakter. Wenn wir also weitermachen, würde das noch mehr unsere Story werden. Oder wir würden uns gemeinsam mit Leif G.W. Persson eine Geschichte ausdenken. Es braucht keine literarische Vorlage.
Wieso spielt die dritte Staffel auf Mallorca?
Daniel Gylling: Die erste Staffel spielte für einen kleinen Anteil in Thailand. Wir fanden es in der dritten Staffel interessant, Kommissar Bäckström aus seiner Komfortzone rauszuholen und ihn in eine fremde Umgebung zu verpflanzen, wo er sich nicht zuhause fühlt. Wie die Deutschen lieben wir Schweden aber auch die Sonne und wunderschöne Natur, Strände und Palmen, die es bei uns nicht gibt. Mallorca ist als Ort auch exotisch.
In Deutschland gibt es eine größere Diskussion darum, dass viele der aufwendigen Serien gar nicht mehr im Land, sondern eher in Osteuropa entstehen, weil dort die Produktion günstiger und die Steueranreize besser sind. Hatte der Ort Mallorca auch etwas damit zu tun?
Daniel Gylling: Nein, das war für uns kein Hauptgrund. Wir hatten bei allen drei Staffeln schwedische Förderung, auch bei der dritten Staffel, weil wir einen kleinen Teil in Schweden drehten. Aber auch in Schweden gibt es diese angesprochene Diskussion, weil viele Serien und Filme wegen der Steueranreize im Ausland produziert werden. Die fehlen in Schweden. Es gibt hier schon Steueranreize, aber sie funktionieren noch nicht. Es ist bislang ein eher chaotisches System. Aber in Mallorca zu drehen, kostet erst einmal zusätzlich, weil wir mit einem größeren Teil des Teams vor Ort waren.
Den Namen Yellow Bird verbindet man immer noch stark mit den erfolgreichen Verfilmungen der Stieg-Larsson-Bücher über Lisbeth Salander, was aber schon Jahre her ist. Wie ist der aktuelle Zustand der Produktionsfirma? Boomt das Geschäft mit schwedischen Crime-Serien oder ist es gerade hart?
Daniel Gylling: Ich denke, dass Menschen immer spannende Crime- oder Thriller-Serien schauen wollen. Ja, es sind aktuell schwierige Zeiten in Skandinavien und auch in Schweden. Bei uns gab es den riesigen Streamingdienst Viaplay, der fast bankrott gegangen wäre. Das Unternehmen bestellte eine riesige Anzahl von Formaten. Das waren 40 bis 50 Serien pro Jahr, was für Skandinavien sehr ambitioniert war. In Verbindung mit der Inflation und der aktuellen ökonomischen Situation ist es schon schwer in Skandinavien. Aber wenn es schwierige Zeiten sind, tendieren Menschen dazu, auf das zu setzen, was sich immer schon bewährt hat und das Publikum sehen will. Es wird weniger riskiert. Crime-Geschichten und Thriller funktionieren schon seit so vielen Jahren und erreichen immer noch ein riesiges Publikum. Für diese Form von Serien sehe ich eine rosige Zukunft. Schwieriger wird es vor allem für Formate, die etwas spitzer und experimenteller sind, bei denen die Zielgruppe nicht ganz klar ist. Wenn es um bekannte Marken wie „Kommissar Bäckström“ geht, wird es immer ein nationales wie internationales Publikum geben. Es ist etwas einfacher, den Auftrag für solche Formate zu erhalten.
Deutsche lieben die schwedische Kultur. Das geht unter anderem auf Astrid-Lindgren-Bücher, aber sicherlich noch deutlich weiter zurück. Aber warum sind skandinavische Crime-Formate so erfolgreich in Deutschland?
Daniel Gylling: Das ist schwierig aus meiner Perspektive zu beurteilen. Diese Fragen sollten Sie den Deutschen stellen. Aber als Land haben wir in Schweden die unberührte Natur und riesige Wälder. Ich weiß, dass viele Deutsche diese Umgebung schätzen und sich Sommerhäuser kaufen oder hier Urlaub machen. Unglücklicherweise ändert sich das gerade, aber die Menschen haben auf Schweden diesen Blick, dass wir eine funktionierende Gesellschaft und mit unseren Bürgern eine Art Vorbild sind: Wie eine ideale Gesellschaft aussehen könnte und an der man sich orientieren kann. Der Konflikt aus dieser scheinbar vorbildlichen Gesellschaft und den schrecklichen Crime-Fällen, die hier passieren, erklärt eventuell auch den Reiz. Schaut man zurück auf die Bücher von Henning Mankell oder Stieg Larsson gab es dort immer schon blutige Morde und schreckliche Geschichten. Sie zeigen die Risse in einer scheinbar perfekten Gesellschaft, was interessant ist.
Sie sprachen davon, dass sich die schwedische Gesellschaft dahingehend aber unglücklicherweise ändert. Wie meinen Sie das?
Daniel Gylling: Aktuell gibt es in Schweden viele Diskussionen darüber, dass das Gesundheitssystem nicht mehr richtig funktioniert. Es gibt lange Schlangen in Krankenhäusern und mehr Kriminalfälle. In schwedischen Vororten sind kriminelle Gangs ein großes Thema für eine verängstigte Gesellschaft. In den Nachrichten wird rund um die Uhr darüber berichtet. Auch die Welt hat festgestellt, dass es bei uns viele Crime-Fälle gibt und wir echte Probleme mit Gangstrukturen haben. Ich bin mir gar nicht sicher, ob sich das wirklich in Schweden geändert hat oder ob die Menschen nur das Gefühl haben, dass sich gerade etwas ändert. Aber die Gefühle sind real, dass etwas verloren gegangen ist, was wir einmal hatten. Egal, ob das stimmt oder nicht.
Was ist Ihr nächstes Projekt?
Daniel Gylling: Aktuell arbeite in an dem faszinierenden Serienprojekt „A Life’s Worth“, das vom Krieg in Bosnien handelt. Darin geht es um die erste schwedische UN-Einheit, eine Gruppe junger Männer. Eine Art Coming-of-Age-Geschichte, bei der die jungen Männer keine Ahnung haben, was sie vor Ort vorfinden werden. Es ist ein halbes Jahr ihres Lebens, indem sie aber erwachsen werden müssen. Ich bin Executive Producer. Das Format ist abgedreht und wir befinden uns bereits in Postproduktion. Wir produzieren es zusammen mit Arte.
Das Interview führte Michael Müller