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REVIEW KINO: „Bernhard Hoetger – Zwischen den Welten“

Porträt des umstrittenen deutschen Bildhauers und Architekten Bernhard Hoetger anlässlich seines 150. Geburtstags. 

CREDITS:
O-Titel: Bernhard Hoetger; Land/Jahr: Deutschland, 2024; Laufzeit: 90 Minuten; Drehbuch: Gabriele Rose; Regie: Gabriele Rose; Besetzung: Moritz Führmann, Florian Lukas, Esther Maria Pietsch, Katharina Stark, Ulrich Gebauer, Sanne Schwapp, Christian Neuhof; Verleih: Farbfilm Verleih; Start: 25. Juli 2024

REVIEW:
Der Bildhauer, Maler und Architekt Bernhard Hoetger war schon zu Lebzeiten schwer zu fassen, nach seinem Tod lange vergessen und wegen seiner Nähe zu nationalsozialistischem Gedankengut umstritten. Anlässlich seines 150. Geburtstags und einer Jubiläumsausstellung wagt die Münchner Dokumentarfilmerin Gabriele Rose eine Annäherung an den Künstler, von dem zwar unzählige Museumsstücke und Bauten, aber weder Ton- noch Filmaufnahmen existieren. Die Grundlage bilden daher Hoetgers eigene Texte sowie Interviews, Briefe, Tagebucheinträge seiner Wegbegleiter, die vertont und bebildert, von Schauspielern wie auf der Theaterbühne oder an Originalschauplätzen nachgestellt werden. Ergänzt wird das Reenactment durch Archivmaterial, Fotografien von Kunstwerken und Analysen von lebenden Historikern. Entstanden ist so ein facettenreiches Porträt, das einem facettenreichen Menschen gerecht werden und zugleich ergründen will, was diesen zur Anbiederung an Nazi-Ideologien bewegt hat. Den erzählerischen Rahmen bildet ein Gespräch zwischen seiner Muse Olga Bontjes van Beek (Sanne Schnapp) und einem Museums-Mitarbeiter (Christian Neuhof), der 1963 selbst für eine Ausstellung recherchierte. 

Der Film beginnt mit den ersten Karriereschritten des mittellosen, hungernden Künstlers (verkörpert von Moritz Führmann) um 1900 in Paris, wo er bald Unterstützerinnen und Mäzene für sich gewinnt und mit in Stein gemeißelten Straßenszenen die Avantgarde-Szene erobert. Geldsorgen erledigen sich durch die Heirat mit der Kaufmannstochter und Pianistin Helene Natalie Haken (Esther Maria Pietsch), womit sich auch die Dimensionen seiner Skulpturen ändern. Er lässt sich von der jungen Paula Modersohn-Becker (Katharina Stark) inspirieren und folgt ihr nach Worpswede, entdeckt Anreize in der Esoterik und überall auf dem Erdball, in Japan, Indien, dem alten Ägypten, wechselt immer wieder Stile und Themen. Nach 1918 nimmt seine fortschrittliche Weltanschauung eine nordisch-germanisch geprägte Form an, während sich Freunde wie der Maler Heinrich Vogeler (Florian Lukas) dem Kommunismus zuwenden und deutliche Kritik an Hoetger äußern, der 1934 sogar der NSDAP beitritt, im irrigen Glauben, seine Kunstauffassung verfolge die gleichen Ziele wie die Partei – doch die Hoffnung auf Förderung und Unterstützung von rechts wird enttäuscht, sein Werk als „entartet“ eingestuft. 

Man müsse bei Hoetger genauer hinschauen, so die vor der Kamera geäußerte Expertenmeinung, und so will auch Gabriele Roses Film das Wesen des Künstlers von möglichst vielen Seiten beleuchten, ihn zum Leben erwecken, um dem Zuschauer die Möglichkeit zu geben, sich selbst ein Urteil zu bilden. Wobei die Dialoge, die im Bemühen um Authentizität ausschließlich auf Originalzitaten basieren sollen und zwangsläufig etwas hölzern vorgetragen werden, den Zugang zu der komplexen, problematischen Persönlichkeit nicht unbedingt erleichtern. Es bleibt das Bild eines Mannes, der rücksichtslos, egozentrisch, aber auch fabelhaft sein konnte, wie ihn Olga Bontjes van Beek beschreibt, der nur seinem inneren Kompass folgte, bestimmen und geistig führen wollte, sich gegen Widersacher durchsetzte und so Monumentalwerke hinterließ wie das Kriegerdenkmal „Niedersachsenstein“ und das nicht minder umstrittene, mit völkischer Symbolik überfrachtete Haus Atlantis in der Bremer Böttcherstraße. Eine Antwort auf die Frage, wie man mit diesem Vermächtnis umgehen soll, findet sich bei dieser Betrachtungsweise leider eher nicht. 

Corinna Götz