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Markus Aicher über die Musikfilmtage Oberaudorf: „Die Teamleistung eines Vereins“

Heute beginnen die 17. Musikfilmtage Oberaudorf. „Das Kind kann erwachsen werden“, sagt Festivalgründer Markus Aicher über die Veranstaltung, die sich zu einer unverzichtbaren Plattform in dem oberbayerischen Luftkurort entwickelt hat.

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Markus Aicher ist leitender Kinoredakteur beim BR und Gründer der Musikfilmtage Oberaudorf (Credit: privat)

Heute starten die Musikfilmtage Oberaudorf. Es ist die 17. Ausgabe. Das heißt, Ihr Festival ist fast erwachsen!

Markus Aicher: Wir haben uns in den letzten Jahren in der Nische Musikfilm gut etabliert. Bayernweit sind wir das einzige Festival mit dieser Ausrichtung und es gibt auch deutschlandweit außer dem Festival unerhört in Hamburg kein weiteres Festival, das sich rein auf das Genre Musikfilm konzentriert. Wir sind solide aufgestellt mit Finanzleistungen vom FFF Bayern, vom Bezirk, vom Landkreis, von der Gemeinde Oberaudorf aber auch durch die vielen Sponsoren und vor allem durch das Engagement der vielen regionalen Sponsoren. Das Kind kann also gut 18 werden!

Es ist Ihr Kind. Sie haben das Festival gegründet, leiten es nach wie vor und zeichnen für die Kuratierung verantwortlich. Was macht Sie besonders stolz?

Markus Aicher: Natürlich bin ich fürs Programm verantwortlich, leite das Festival auch, aber es ist mir ganz wichtig herauszustellen, dass das Festival die Teamleistung eines Vereins ist. Alle arbeiten ehrenamtlich, vom Bauern im Ort, zur Osteopathin über den Revierförster sind so viele verschiedene Menschen beteiligt, dieses Festival umzusetzen. Wenn man die Einwohnerzahl von Oberaudorf nimmt mit 5000+, stehen wir mit knapp 2500 Besucher:innen ganz gut da.

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Open-Air-Kino im Kurpark Oberaudorf (Credit: Festival)

Hat sich das Festival von den für die gesamte Kulturbranche schwierigen Coronajahren gut erholt?

Markus Aicher: Wir sind gut durch die Corona-Delle gekommen. Wir waren eines der wenigen Festivals, das tatsächlich ohne hybrid zu werden durchgespielt hat mit einem sehr rigiden Gesundheitskonzept. Wir hatten erstaunlicherweise bei minimierter Sitzplatzanzahl mit nur 20 Prozent Auslastung bei beiden „Corona-Festivals“ jeweils fast 1500 und 1700 Zuschauer. Wenn man das reziprok auf die „normalen“ Ausgaben umrechnen würde, war der Besucherstrom während Corona fast größer. Das zeigt uns ganz deutlich, dass es ein eminentes Bedürfnis der Zuschauerinnen und Zuschauer gibt, Kulturveranstaltungen zu besuchen und Filme zu sehen.

Stichwort Kultur und Filme aufs Land bringen. Der Großteil der Festivals tummelt sich in Großstädten, wo es eh ein Überangebot an Kultur gibt. Welchen Stellenwert hat es Ihrer Ansicht nach, Kultur auch in ländlichere Regionen zu bringen?

Markus Aicher: Das ist absolut erforderlich. Kann ich nur unterstreichen. Natürlich ist es in den Metropolen leichter, vor allem auch jugendliches Publikum zu aktivieren, zu interessieren, aber auch zu generieren. Das zeigen Festivals in Universitätsstädten wie Würzburg, Bayreuth oder Regensburg, wo etwa das Hard:Line-Filmfestival sein zuhause hat. Bei uns in der Region ist Kultur ein hartes Brot. In einem kleinen Dorf in den bayerischen Alpen bist du als Jugendlicher entweder bei der Feuerwehr, bei der Blaskapelle oder der Wasserwacht aktiv. Aber kaum verstärkt kulturell, vor allem, wenn es sich um einen Ort ohne Kino handelt. Deshalb bringen wir einmal im Jahr ein kulturelles Angebot in den Ort. Der enorme Zuspruch legt Zeugnis von der Wichtigkeit dieser Aufgabe ab. Zugleich ist es mir wichtig, dieser Stadt-Land-Konfrontation entgegenzutreten. Deshalb haben wir auch eine Kooperation mit der HFF München, wo wir jungen Filmemacher:innen zeigen, dass es noch etwas anderes gibt, jenseits der Festivals in München, Berlin, Locarno, Nyon, Cannes etc… Auch die sogenannte Provinz lebt und auch dort sind Menschen, die clever sind, die Filme sehen, über Filme sprechen wollen. Die lebhaften Publikumsgespräche nach den Vorführungen sind das beste Beispiel.

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Frühschoppen gehört auch dazu (Credit: Festival)

Was sind dieses Jahr Ihre Highlights im Programm?

Markus Aicher: Ich freue mich ganz besonders, dass es uns gelungen ist, „The Marching Band/ En Fanfare“ als Bayern-Premiere nach Oberaudorf zu holen. Die Deutschland-Premiere war ja im Juni beim Filmfest Emden. Ich habe den Film in Cannes gesehen, im vollgepackten Salle Debussy. Durch den Verkauf an Neue Visionen und den good Will von Torsten Frehse dürfen wir diesen wunderbaren Film nun als Eröffnungsfilm zeigen. Große Freude herrscht auch über „U.Me: The Complete Musical“ von der BBC, das ein bisschen die Kommunikationslosigkeit zu Coronazeiten nachzeichnet. Es ist ein wunderbares animiertes Musical mit Musik des Symphonieorchesters der BBC, eine ganz tolle Arbeit des Regisseurs Dan Masterton nach einer Story von Simon Pitts und Theo Jamieson. Außerdem kommt Adrian Goiginger zu uns und stellt seinen im Kino leider ein bisschen unter Wert gelaufenen „Rickerl – Musik ist höchstens ein Hobby“ vor. Und zum Stichwort Region gibt es ebenfalls ein Schmankerl: Hans Steinbichler und der im Chiemgau lebende Schauspieler August Zirner präsentieren noch einmal „Ein ganzes Leben“ vor Publikum. Da ist jetzt schon ein unglaublicher Run auf die Karten, weil der Film zu Teilen in Oberaudorf gedreht wurde und die Leute das natürlich sehen wollen. Und zu guter Letzt freue ich mich sehr auf „Shahid“ von Narges Kalhor, ein Film, der großartig ist gerade in diesen Zeiten, der zeigt, wie man auf sehr kluge und zugleich witzige Art und Weise mit dem Thema Iran und Unterdrückung umgehen kann.

Die Musikfilmtage Oberaudorf zeichnen sich dadurch aus, dass viele der Filmemacher vor Ort sind. Tradition hat Ihr Frühschoppen, bei dem ebenfalls stets prominente Persönlichkeiten aus der Welt des Kinos zugegen sind. Wie gelingt Ihnen das?

Markus Aicher: Es ist nicht selbstverständlich, dass wie in diesem Jahr Tobias Moretti, Juliane Köhler, Julia von Heinz oder in anderen Jahren Prominente wie Senta Berger, Maximilian Brückner, Günter Rohrbach oder viele andere zu uns kommen, ohne etwas „verkaufen“ zu müssen. Sie kommen aus Gefälligkeit, um vor Ort mit dem Publikum in den Dialog zu treten. Natürlich ist da bisweilen auch längere Überzeugungsarbeit von Nöten, hartes Werben. Aber wenn ich mir die Liste der Leute aus den vergangenen 17 Jahren anschaue, die bei uns waren, kann ich sagen, dass es sich durchaus um das Who-is-Who der deutschen Filmbranche handelte. Mein herzlicher Dank geht an alle, die nach dem Gespräch noch im Biergarten sitzen bleiben und mit dem Publikum auf Augenhöhe, ohne Red Carpet, in einen Diskurs treten. An dieser Stelle muss ich auch dem BR danken, meinem Arbeitgeber, der mir über meinen Beruf als leitender Kinoredakteur ermöglicht, mit vielen dieser Talents in Kontakt zu treten und sie dadurch auch nach Oberaudorf lotsen zu können. 

Das Gespräch führte Barbara Schuster