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REVIEW KINO: „Sonnenplätze“

Hintergründige Komödie über die vier Mitglieder einer dysfunktionalen Familie, die auf Lanzarote zusammenstößt und sich miteinander zu arrangieren versucht. 

CREDITS:
Land / Jahr: Deutschland 2023; Laufzeit: 92 Minuten; Regie: Aaron Arens; Drehbuch: Aaron Arens, Lukas Loose; Besetzung: Julia Windischbauer, Juliane Köhler, Niels Bormann, Jeremias Meyer, Jeremy Mockridge; Verleih: Filmwelt; Start: 22. August 2024

REVIEW:
An meine Kinder: Das Welt wartet auf euch.“ – „Man muss den Ort finden, vor dem man nicht wegläuft.“ – „Plötzlich waren wir zu dritt. Und die Insel verloren.“ – „Wer dem großen Glück nachläuft, entläuft der Ruhe, sagte der Rabbi.“ – „Schreib immer so, als ob deine Eltern tot wären.

Mit diesen Sätzen beginnen die verschiedenen Kapitel des Regiedebüts von Aaron Arens, das er gemeinsam mit Lukas Loose geschrieben hat – das Drehbuch würde beim 41. Filmfest München mit dem Förderpreis Neues Deutsches Kino bedacht. Sie entstammen dem fiktiven Roman „Aus der Sonne“ des einstmals erfolgreichen Schriftstellers Jo Maibaum, eine der vier Hauptfiguren von „Sonnenplätze“, eine hintergründige Komödie über eine Familienzusammenführung der etwas anderen Art. Weil sich die Maibaums eigentlich schon lange nichts mehr zu sagen haben. Und jetzt auf einmal wieder miteinander reden müssen, zurückgeworfen auf sich selbst, durch einen Zufall, eine Laune des Schicksals zusammengeführt auf Lanzarote, wo man viel aneinander vorbeiredet und -lebt, es dann aber bald ans Eingemachte geht.

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„Sonnenplätze“ (Credit: Filmwelt Verleihagentur)

„Sonnenplätze“ beginnt mit dem schlimmsten Tag im Leben von Samuela Maibaum, genannt Sam und gespielt von Julia Windischbauer, die eine echte Entdeckung ist. Zumindest will man hoffen, dass sie keine schlimmeren Tage hat als diesen: Ihr Freund verlässt sie und wirft sie aus seiner Wohnung, ihr eigenes Zimmer ist anderweitig vergeben worden, weil sie die Miete nicht bezahlt hat. Ihr Verlag stellt sein Förderprogramm ein, mit dem ihr der Weg zur Veröffentlichung ihres Romandebüts geebnet werden sollte. „Verbrannte Erde“ heißt es. Und sie will darin mit ihrer Familie ins Gericht gehen, mit ihren Eltern vor allem, die seit Jahren getrennt sind und unverändert im Clinch liegen, Sibylle eine erfolgreiche Verlegerin, Jo eben ein vormaliger Erfolgsautor, der mit Mühen noch auf dem alten Ruhm surft. 

Gemeinsam mit ihrem jüngeren Bruder, Frederick, ein sensibler Junge mit dem Talent zum Pianisten, entflieht Sam nach Lanzarote ins Ferienhaus der Eltern, wo sie große Teile ihrer Kindheit verbracht haben, eine letzte Erinnerung an ein vielleicht mal harmonischeres Leben. Dort will Sam ihren Roman weiterschreiben – und ist nicht schlecht überrascht, als sie dort ihren Vater vorfindet, der sich hier eingenistet hat, obwohl er das Haus längst seiner Frau überschrieben hat. Das ist erst der Anfang einer Reihe von Überraschungen in einer sich zuspitzenden Lage, als auch noch Sibylle mit ihrem neuen Freund auftaucht – bald schon wird sie, gespielt von der überragenden Juliane Köhler, einen Auftritt haben, der sich gewaschen hat und bei dem Tacheles geredet wird. „Ein Urlaub auf Lanzarote mit einer Familie, die ihr eigenes Ferienhaus besetzt“, steht in der ersten Besprechung ihres Romans „Sonnenplätze“, die Sam später beglückt lesen wird, als sie wieder zurück in München ist. 

Das kann man so sehen. Erst verweist der parlierende Ton des Films auf Christian Petzolds „Rote Sonne“, wo ja auch ein talentierter Autor mit sich und seinen Themen ringt, wenngleich die Lavalandschaften von Lanzarote ein felsiges Ödland andeuten, die auch Sinnbild für den Seelenzustand der Familie Maibaum, in der ganz kurz einmal Versöhnung in der Luft liegt, aber eben nur ganz kurz, weil sich Jo Maibaum, gespielt von Niels Bormann, als ein Vatermonster im Stil der von Jeff Daniels gespielten Figur in Noah Baumbachs „Der Tintenfisch und der Welt“ entpuppt, ein empathieloser Narzisst – und hier auch noch ein hoffnungsloser Verlierer, der dazu verdammt ist zuzusehen, wie der Rest der Familie zu einem Song von Udo Jürgens ausgelassen tanzt. „Ein sehr humor- und liebevolles, aber auch etwas zu ambitioniertes Buch“, heißt es in der Besprechung weiter. 3.5 Punkte. Aaron Arens hat also nicht nur Drama und Comedy drauf, sondern auch noch Augenzwinkern. Right on. 

Thomas Schultze