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Erica Tremblay zu „Fancy Dance“: „Allen Widrigkeiten zum Trotz”

Bereits im vergangenen Jahr konnte Erica Tremblay ihr besonderes Roadmovie „Fancy Dance“ mit Lily Gladstone aus „Killers of the Flower Moon” in Sundance vorstellen. Endlich wird der Film nun am 28. Juni bei Apple TV+ eingespeist. Grund genug, bei der queeren und indigenen Filmemacherin nachzufragen. 

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Filmemacherin Erica Tremblay bei der New Yorker Apple-Premiere von „Fancy Dance“ (Credit: Marion Curtis / Starpix for Apple Original Films)

Wenn Sie auf die Arbeit auf „Fancy Dance“ zurückblicken, was erfüllt Sie am meisten mit Stolz?

Erica Tremblay: Hmm, da muss ich überlegen, weil es so schwer ist, eine Sache herauszugreifen. Wissen Sie, wir haben diesen Film allen Widrigkeiten zum Trotz gemacht. Wir haben auf wundersame Weise tolle Finanziers gefunden, die wir dazu gebracht haben, ein Filmprojekt über eine queere indigene Frau und ihre Nichte zu unterstützen. Allen Widrigkeiten zum Trotz haben wir nicht nachgelassen und haben mehr als ein Jahr nach der Premiere einen großartigen Distributionspartner gefunden und eine wunderbare Herausbringung organisiert. Das macht mich stolz. Gestern Abend saß ich im Auto und unterhielt mich mit meiner Managerin darüber, dass alles gerade toll läuft und ich trotzdem ständig kurz vor einer Panikattacke stehe. Sie schaute mich an und sagte ganz streng: Süße, das ist einfach nur deine Scham davor, stolz auf das Geleistete zu sein. Sie hat Recht. Ich schrecke davor zurück, Stolz zu fühlen und auszudrücken. Aber manchmal gelingt es mir, alles andere auszublenden und einfach nur im Moment zu sein. Und ja, dann bin ich stolz, sehr stolz auf „Fancy Dance“.

Das können Sie auch. Es ist ein wunderbarer Film – und Sie haben ihn, wie Sie sagen, gegen alle Widrigkeiten realisiert.

Erica Tremblay: Es war ein mühseliger Weg, mit meinem Film dahin zu kommen, wo ich jetzt bin. Es war hart. Es war allen Widrigkeiten zum Trotz. Es war gegen die Strukturen in Hollywood, wo ein Film wie meiner nicht vorgesehen ist. Es bedurfte gewaltiger Willenskraft und Ausdauer, diesen Film eine Realität werden zu lassen. Aber jetzt blicke ich zurück auf den Weg und kann nur sagen: Es hat sich ausgezahlt, ich bin unendlich glücklich, dass wir uns nie haben unterkriegen lassen. 

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„Fancy Dance“ mit Lily Gladstone (Credit: Apple)

Sie haben viel Zeit gehabt, die Arbeit an Ihrem Film sacken zu lassen. Was empfinden Sie heute, wenn Sie „Fancy Dance“ wiedersehen? Ist es der Film geworden, den Sie ursprünglich haben machen wollen?

Erica Tremblay: Ziemlich. Ich stehe mir und meiner Arbeit sehr kritisch gegenüber, entdecke immer den kleinsten Fehler und ärgere mich maßlos darüber. Wenn ich mir den Film ansehe, gibt es schon Momente, da fühle ich mich absolut cringe, und mache mir mentale Notizen, was ich beim nächsten Mal besser machen muss. Aber dann lehne ich mich zurück und sage zu mir: Mach mal halblang! Das ist das erste Drehbuch, das du geschrieben hast, zusammen mit deiner großartigen Schreibpartnerin Miciana Alise. Das ist der erste Spielfilm, den du inszeniert hast. Ist das nicht einfach großartig? Ich kann nicht genug kriegen von den Darstellungen von Lily Gladstone und Isabel Deroy-Olson. Ich kann nicht genug kriegen von dieser wunderschönen Liebesgeschichte, diese vielschichtige Geschichte, die man uns hat erzählen lassen. Und den Kleinkram, der nicht so toll ist? Das mache ich nächstes mal besser! Um Ihre Frage endlich zu beantworten: Ja, das ist der Film, den wir machen wollten. Es ist der Liebesbrief an meine Gemeinde und meine Sprache, der mir vorgeschwebt war. Wenn ich später einmal auf „Fancy Dance“ zurückblicken werde, nach hoffentlich vielen weiteren Filmen und Arbeiten, dann werde ich sehr glücklich darüber sein, dass wir diesen Moment eingefangen haben. 

„Unser Film ist soll keine Lehrstunde sein, wir wollen niemanden bekehren.“

Sie haben den Film auf vielen Festivals vorgestellt, hatten die Gelegenheit, mit vielen Menschen darüber zu reden. Worum geht es in diesen Gesprächen?

Erica Tremblay: Wenn ich mit Menschen rede, die keine unmittelbare Erfahrung mit den Lebensumständen der indigenen Bevölkerung der USA haben, dann höre ich immer wieder Überraschung und Erstaunen: Ich wusste gar nicht, dass ihr euch mit diesen Themen herumschlagen müsst. Manche leben nur ein paar Kilometer vom Reservat. Das finde ich gut. Unser Film ist soll keine Lehrstunde sein, wir wollen niemanden bekehren. Wir wollen einfach nur unsere Geschichte gut erzählen und dabei der Realität unseres Lebens so nahekommen wie möglich. Umso mehr freut es mich, wenn ich von Menschen höre, die nicht mit unserer Lebensweise vertraut sind, aber glauben, etwas aus dem Film gelernt zu haben und dadurch vielleicht bessere Bürger werden und mehr Verständnis für ihre Nachbarn aufbringen. Und dann sind da natürlich die Leute aus meiner Kultur, native folks, die mir spiegeln, dass das im Film Gezeigte auch ihre eigene Erfahrung ist. Die mit ähnlichen Todesfällen in ihrer Familie konfrontiert waren, die Familienangehörige haben, die verschwunden sind. Ihre Reaktion zu erleben, von ihnen zu hören, dass der Film sie berührt und zu ihrer Heilung beigetragen hat, treibt mir die Tränen in die Augen, wenn ich nur davon erzähle. Wie gerade jetzt. 

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Isabel Deroy-Olson, Lily Gladstone und Erica Tremblay bei der Apple-Premiere von „Fancy Dance“ (Credit: Marion Curtis / Starpix for Apple Original Films)

Das ist verständlich. Lassen Sie uns über weniger emotionale Dinge reden. Sie haben „Fancy Dance“ 2023 in Sundance vorgestellt, konnten sich Apple als Vertriebspartner allerdings erst in diesem Jahr sichern. War es frustrierend, dass es so lange gedauert hat?

Erica Tremblay: Raten Sie mal. Ja, das war es. Miciana Alise und ich hatten eine Checkliste, die wir befolgt haben, von der wir dachten, dass sie uns ans Ziel führen würde. Wir haben alles pflichtbewusst abgehakt. Lily Gladstone in der Hauptrolle mit einer tollen Leistung. Premiere in Sundance. Fast perfekter Score bei Rotten Tomatoes. Tolle Kritiken. Viel Lob vom Publikum. Und dann… passierte nichts. Es kam einfach nichts. Das war frustrierend. Jetzt ist mir klar, dass das Timing nicht gerade ideal war. Die Industrie wurde in ihren Grundfesten erschüttert aufgrund der beiden Streiks, Corona ist auch noch nicht aufgearbeitet. Die Nerven liegen blank, keiner will ein Risiko eingesehen. Man darf einfach nicht aufgeben. Man muss immer weitermachen, an das glauben, was man erreichen will. Das habe ich von meiner Familie gelernt, meiner Mutter, meinen Tanten, die so sind wie Jax im Film. Klingt vielleicht kitschig, aber es ist so. Die Mühlen mahlten langsamer, als wir es uns gewünscht hätten, aber jetzt könnte ich nicht glücklicher sein. Alle meine Träume für diesen Film haben sich erfüllt. Apple ist das perfekte Zuhause für „Fancy Dance“. 

Ihr Film ist ein nachgerade exemplarischer Independentfilm – jetzt werden Sie von einem der größten Konzerne der Welt ausgewertet. Sehen Sie da eine Diskrepanz?

Erica Tremblay: Nicht wirklich. Sehen Sie sich an, welche Filme von Apple unterstützt werden. Filme wie „CODA“ oder „Swan Song“. Oder auch „Killers of the Flower Moon“ natürlich. Die Größer der Company ist für mich nicht so wichtig. Für mich ist wichtig, dass die Sensibilität stimmt, dass sie das richtige Gefühl mitbringt für meinen Film und ihn entsprechend auswertet. Ich saß mit dem Team zusammen und unterhielt mich mit Matt Dentler, der früher mal bei Blockbuster gearbeitet hat – ich habe als junge Frau bei Video Update gejobbt. Wir hatten eine wunderbare Unterhaltung unter Nerds, wie sehr wir das Kino und Filme lieben. Das ist entscheidend für mich. Die Leute, mit denen ich zu tun habe. Ich hatte viele Gespräche mit Osage-Freunden, die voll des Lobes waren, wie die Zusammenarbeit mit Apple bei „Killers of the Flower Moon“ war. Es war eine respektvolle Zusammenarbeit, immer auf Augenhöhe. Insofern ist Apple das perfekte Zuhause für mich und meinen Film. 

Das Gespräch führte Thomas Schultze.