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REVIEW KINO: „Zwei zu Eins“

Entzückende Wende-Komödie über Freunde in der Gerade-Noch-DDR, die auf Berge von vermeintlich wertlosem Ostgeld stoßen und über Nacht reich werden.

CREDITS:
Land/Jahr: Deutschland 2024; Laufzeit: 116 Minuten; Regie & Drehbuch: Natja Brunckhorst; Besetzung: Sandra Hüller, Max Riemelt, Ronald Zehrfeld, Peter Kurth, Uwe Preuss, Martin Brambach, Ursula Werner; Verleih: X Filme: Start: 25. Juli 2024

REVIEW:
Als Leander Haußmann 1999 die Mauer wegtanzte und mit „Sonnenallee“ das Genre des Wendefilms begründete, war nicht abzusehen gewesen, dass das deutsche Kino diese besondere Schrittfolge 25 Jahre später immer noch tanzen würde. Und schon gar nicht, dass das nach all den „Good Bye, Lenins“, „Herr Lehmanns“ und „Russendiskos“ so leichtfüßig und beschwingt sein könnte wie in der zweiten Regiearbeit von Natja Brunckhorst. Ihrem Debüt „Alles in bester Ordnung“ war vor drei Jahren das Talent anzumerken, aber auch noch die Schauspielerin, die nach einem Kurzfilm viele Jahre davor erste Tastversuche in ein neues Metier hinein unternimmt. „Zwei zu eins“, eine Produktion von Row Pictures und Zischlermann Filmproduktion, in Ko-Produktion mit ZDF/ARTE und Lichtblick Film- und Fernsehproduktion ist ein Quantensprung für sie als Filmemacherin – und hat als zusätzlichen Bonus noch den ersten Leinwandauftritt von Sandra Hüller seit ihrem Cannes- und Oscar-Doppelpunch „Anatomie eines Falls“ und „The Zone of Interest“ zu bieten.

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„Zwei zu eins“ von Natja Brunckhorst (Credit: X Verleih AG/Peter Hartwig)

Und obendrein ein vergnügtes und hintergründiges Angebot an ein großes Kinopublikum, ein ausgewiesener Sommerfilm in breitestmöglichem Leinwandformat und mit dem Herzen am rechten Fleck, der ganz spontan wirkt, aus der Hüfte geschossen wie ein Haußmann oder Buck, mit einem liebevollen und nachdenklichen Blick zurück auf diese unfertige Zeit, in der zusammenwächst, was zusammengehört, die Bundesrepublik von heute im Entstehen begriffen ist, ohne dass es einen ausgeklügelten Masterplan dafür geben würde. Improvisation ist angesagt in dieser Schwebezeit, die etwas Märchenhaftes hat und die Natja Brunckhorst einfängt wie ein Heistmovie, ein Heistmovie mit blauem Kragen allerdings, eine Working-Class-Krimikomödie über eine Handvoll Noch-Bürger der DDR im Sommer 1990, die zu den Verlierern der Wiedervereinigung gehören würden, wenn sie nicht zu ihrer ganz persönlichen Anarchie griffen.

Heiß ist es in „Zwei zu eins“, Traumsommer und so. Man glaubt förmlich, dem Asphalt zusehen zu können, wie er sich wellt. Die Köpfe eines Trios von Kindheitsfreunden, zwei Jungs, Robert und Volker, ein Mädchen, Maren, raucht ebenfalls. Weil sie in dieser Zeit, in der die Gegenwart kurz aufgehoben zu sein scheint und die Zukunft wohl nicht allzu viel Gutes bringt, wenn man nicht längst den Weg auf der Siegerstraße eingeschlagen hat, plötzlich eine Chance sehen, dass doch noch einmal alles anders werden könnte. Ein bisschen außerhalb von Halberstadt werden in einem unterirdischen Gewölbe die verbliebenen Bestände des DDR-Geldes gehortet, die im Zuge der bevorstehenden Währungsunion vernichtet werden sollen, Abermillionen von Ost-Mark. Es sei denn, man kann davon etwas aus dem Gewölbe schmuggeln und zum noch wenige Tage möglichen Umtauschkurs von Zwei zu eins in D-Mark umtauschen. Und wenn es richtig viel ist, wer weiß, kann man vielleicht sogar in einer ganz eigenen Köpenickiade dem Siegeszug des Kapitalismus Einhalt gebieten. Ein tolles Schelmenstück ist das, bei dem alsbald der ganze Wohnblock eingespannt wird und die Menschen dort eine Solidarität erleben, die ihnen in der DDR immer versprochen gewesen war. Und mittendrin sind Maren, Robert und Volker, die einander schon immer gemocht und manchmal mehr geliebt haben, als sie sich gegenseitig gestehen konnten. 

„Zwei zu eins“ ist auch und vor allem ein Schauspielerfilm. Wie auch nicht, wenn Sandra Hüller, Max RiemeltRonald ZehrfeldUrsula WernerPeter Kurth und und und zur Besetzung zählen? Gezielt und bewusst hat Natja Brunckhorst, geboren 1966 in West-Berlin, nur Schauspieler besetzt hat, die tatsächlich aus dem deutschen Osten stammen – jeden von ihnen sieht man gern: Echtheit und Wahrhaftigkeit sind erklärte Anliegen von „Zwei zu eins“, dem es gelingt, den Zuschauer diese besondere Zeit damals schmecken zu lassen. Und doch freut man sich über den Gestaltungswillen der Regisseurin, die eine Lakonie und Lässigkeit im Ton anschlägt, die einen denken lässt an Kaurismäki, Jarmusch und Kusturica, an große, eigenwillige Kino-Coolness, die einen abholt und teilhaben lässt an dem Treiben auf der Leinwand, wenn Solidarität, Freundschaft und Nachbarschaft angesagt ist in Halberstadt. Ein auch wehmütiger Abgesang auf eine DDR abseits von Autokratie und Überwachungsstaat, in dem Schwestern und Brüder die Signale hören und sich ein kleines bisschen Menschenrecht erkämpfen. Wenn auch nicht jede Abzweigung, die der vergnügt Haken schlagende Film nimmt, unbedingt zielführend ist, hat man am Ende eine tolle Reise gemacht mit Natja Brunckhorst und ihrer tollen Mannschaft, ein deutscher Film, der Spaß macht, zu Herzen geht und richtig was zu Erzählen hat, ein Crowd-Pleaser von Format. 

Thomas Schultze