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REVIEW CANNES: „Horizon”

Erster Teil eines auf vier Filme angelegten Westernepos von und mit Kevin Costner über die Besiedlung des Wilden Westens.

CREDITS:
O-Titel: Horizon – An American Saga Part One, Land/Jahr: USA 2024, Laufzeit: 181 Minuten; Regie: Kevin Costner; Drehbuch: Kevin Costner, Jon Baird, Besetzung: Kevin Costner, Sienna Miller, Abbey Lee, Jena Malone, Isabelle Fuhrman, Sam Worthington, Luke Wilson; Verleih: Tobis; Start: 22. August 2024

REVIEW:
Kevin Costner
gehört zu den überragenden Western-Darstellern und -Regisseuren in der Tradition des großen John Ford, vergleichbar mit dem 25 Jahre älteren Clint Eastwood, der ihn interessanterweise ausgerechnet in seinem Kriminaldrama „Perfect World“ (1993) besetzte. Auf dem Regiestuhl hat er im Genre bereits bei „Open Range – Weites Land“ (2003) und „Der mit dem Wolf tanzt“ (1990) Platz genommen. Letztgenannter Leinwandmeilenstein wurde als Wiedergeburt des Western – einmal mehr: „Der Western ist tot, lange lebe der Western!“ – gefeiert. Als Lohn gab‘s sieben Oscars, darunter die für den bester Film und Costners Regie.

Als rauer, kantiger Westerner, als Mann, der mit dem Colt traumwandlerisch umzugehen versteht, ist er bestens bekannt. In „Silverado“ (1985) schwang er sich für Lawrence Kasdan – der um seine Reitkünste wusste – in den Sattel, neun Jahre später übernahm er unter dessen Regie die Titelrolle in „Wyatt Earp – Das Leben einer Legende“. Erste Erfahrungen mit dem seriellen Erzählen machte er – als Hauptdarsteller und Koproduzent – in der Miniserie „Hatfields & McCoys“ (2013), zuletzt glänzte er als Rinderbaron John Dutton in der Paramount-Hitserie „Yellowstone“ (2018 – 2022), bei der er zudem als ausführender Produzent fungierte.

Alles nur Vorspiel für sein Opus magnum „Horizon“, das standesgemäß seine Premiere im Filmmekka Cannes feiert und in Deutschland von Tobis in die Lichtspielhäuser (Start: 22. August) gebracht wird. 1988 beschäftigte er sich erstmals mit dem Stoff, vier Teile à rund drei Stunden umfasst das explizit für die große Leinwand geplante Werk. Rund 170 Sprechrollen galt es zu besetzen, das Budget der ersten beiden Folgen lag bei kolportierten 100 Millionen Dollar. Vergleichsweise preiswert bei Produktionen dieser Größenordnung – wobei in jeder Einstellung jeder ausgegebene Greenback zu sehen ist. 

Eine Chronik mehrerer Familien und Personen – nach dem stimmigen Drehbuch von Costner und Jon Baird –, deren Schicksal sie untrennbar eint, deren Wege sich beständig kreuzen. Im Guten wie im Bösen. Hart, blutig und gnadenlos, selten friedlich. Siedler und Rancher, Marshals und Outlaws, Glücksritter, Prostituierte und Kavalleristen. Eine Mär voller Blut, Schweiß und Tränen, von Freunden und Feinden, mit stolzen Apachen, die ihres Landes und Lebens beraubt werden. Mit dem Civil War, dem Sezessionskrieg (1861 – 1865), als Auftakt. Über einen Zeitraum von 15 Jahren spannt sich die Handlung. Um nicht weniger als ums Werden und Wesen der USA geht es. 

Mit einem furios inszenierten Indianerüberfall auf ein kleines Lager weißer Siedler als Auftakt. Ein gnadenloses Massaker, das nur wenige der Pioniere, darunter Frances Kittredge (Sienna Miller) – ein zentraler Charakter – und ihre Teenager-Tochter Elizabeth (Georgia MacPhail) überleben. Die Hilfe von Lieutenant Trent Gephart (Sam Worthington), Sergeant Major Thomas Riordan (Michael Rooker) und deren Soldaten kommt zu spät. Es bleibt die Toten zu beerdigen, die verbliebenen Neuankömmlinge in die Sicherheit des Militärstützpunktes Camp Gallant zu geleiten. 

Nur einer der zig Handlungsstränge und -orte, die in der Folge geschickt miteinander verknüpft werden. Costner selbst, als Cowboy Hayes Ellison, galoppiert erst nach rund einer Stunde ins Bild. Rettet Ellen Harvey (Jena Malone) vor den gefürchteten Sykes-Brüdern, Junior (Jon Beavers), Caleb (Jamie Campbell Bower) und Gratton (Austin R. Grant). Sie sind von Dakota aufgebrochen, um ihrem gewalttätigen Vaters James (Charles Halford) dessen halsstarrige Geliebte zurückzubringen, die ihn niedergeschossen und mit dem gemeinsamen Baby geflohen ist. 

Unterschiedliche Spielarten des Western dekliniert der Filmemacher versiert durch. Indianer-Western, Pionier-Western, Kavallerie-Western… Unterfüttert die Handlung mit einer Liebesgeschichte, vergisst keine der prototypischen Figuren, die fest zur Gattung gehören. Die Kamera bleibt weitgehend auf Augenhöhe, klassische Panoramen fängt Kameramann J. Michael Muro („Open Range“) im 1,85:1-Breitwandformat ein. Weit ist der Himmel, der die Prärie überspannt, passend dramatisch der Score von John Debney („Hatfields & McCoys“). 

Exzellent zusammengestellt ist die an einschlägigen Namen reiche Besetzung. Die indigenen Schauspieler Tatanka Means („Flowers of the Killer Moon“), Sohn des berühmten Aktivisten und Schauspiers Russell Means („Der letzte Mohikaner“) vom Stamm der Oglala Lakota, und der Stuntman Owen Crow Shoe („The Revenant“) glänzen als besonnener Häuptling Tuayeseh bzw. dessen blutdurstiger Sohn Pionsenay. Luke Wilson („Rushmore“) führt als Matthew van Weyden einen Planwagen-Treck an. Ihm gehören Ella Hunt („Anna und die Apokalypse“), eine feinsinnige Lehrerin, und Tom Payne („Der Medicus“) als ihr Mann, seines Zeichens verträumter Maler, an. Mit von der Partie sind noch Danny Huston („Yellowstone“), Giovanni Ribisi („Sneaky Pete“), Scott Haze („Old Henry“) als Fährtensucher und Skalpjäger oder Abbey Lee („Mad Max: Fury Road“).

Der Western ist der amerikanische Film par excellence“, hat der renommierte französische Filmkritiker André Bazin einmal notiert. Was diese Monsterprojekt nachhaltig beweist – in allen handwerklichen und darstellerischen Belangen perfekt umgesetzt. 

Gebhard Hölzl