Für sein beeindruckendes Dreistundenepos „Sterben“ wurde Matthias Glasner bei der Berlinale 2024 mit dem Silbernen Bären für das beste Drehbuch geehrt. Der Goldene Bär ging zum zweiten Mal in Folge an einen Dokumentarfilm. Die letzte Ausgabe von Carlo Chatrian wurde jedoch von einer Welle der Empörung durch aufbrausenden Israel-Hass überschattet.
Die letzte Berlinale von Carlo Chatrian ging mit einem Eklat zu Ende: Bei der Abschlussgala am 24. Februar im Berlinalepalast am Potsdamer Platz äußerten sich mehrere Künstler einseitig zum Krieg in Nahost und es gab Applaus für offenen Israel-Hass, was eine Welle der Empörung auslöste. Von den antiisraelischen Vorfällen hat sich das Festival schnell distanziert, denn einen Tag nach der Verleihung erschienen auch noch auf dem Instagram-Account Berlinale.Panorama Sprüche wie „Free Palestine – From the River to the Sea“ und „Beendet den deutsch-finanzierten Staatsterror“. Das Festival stellte klar, dass das Konto gehackt worden sei und dass man Strafanzeige gegen Unbekannt erstattet habe. Aussagen wie die von Filmemacher Ben Russell, der Israel Genozid vorwarf, seien Meinungen von Individuen, die „in keiner Form“ die Haltung des Festivals wiedergäben.
Auch wenn die Bärenvergabe dadurch überschattet wurde, gab es für die deutsche und österreichische Branche dennoch Erfreuliches bei der Preisverleihung: Matthias Glasner wurde für sein fantastisches Dreistundenepos „Sterben“ mit dem Silbernen Bär für das beste Drehbuch ausgezeichnet. Die Produktion von Port-au-Prince, Glasner Schwarzweiss Filmproduktion, Senator Film Produktion, ZDF und Arte ist ein ungezügeltes, schonungsloses aber auch urkomisches Stück Leben, das einem die Füße unter dem Boden wegzieht und mit Schauspielern wie Lars Eidinger, Corinna Harfouch, Lilith Stangenberg, Ronald Zehrfeld und Robert Gwisdek brilliert. „Sterben“ wurde zudem mit dem Gilde-Filmpreis auszeichnet. Einen Silbernen Bären erhielt auch der österreichische Kameramann Martin Gschlacht für die Bildgestaltung des österreichischen Wettbewerbsbeitrags „Des Teufels Bad“ der beiden Horror-Magier Veronika Franz und Severin Fiala. Ruth Beckermanns neuer Dokumentarfilm „Favoriten“, der in Encounters lief, wurde mit dem Friedensfilmpreis bedacht.
Der Goldene Bär ging hingegen zum zweiten Mal in Folge an einen Dokumentarfilm: Die Jury um Lupita Nyong’o sprach den Hauptpreis Mati Diops „Dahomey“ zu, nachdem 2023 „Sur l’adamant“ von Nicolas Philibert zum Zuge kam. „Dahomey“ ist eine Koproduktion zwischen Frankreich, Senegal und Benin und erzählt in dokumentarisch-essayistischer Form die die Rückgabe von 26 Raubkunst-Exponaten aus einem Pariser Museum nach Benin, ehemals Dahomey. Bei der Entgegennahme des Preises am 24.2. im Berlinale Palast am Potsdamer Platz sagte Diop: „Restitution ist Gerechtigkeit“ und dass man die afrikanische Kultur nicht in Vergessenheit geraten lassen dürfe. Der Silberne Bär für die beste Regie ging ebenfalls an eine stilistisch außergewöhnliche afrikanische Koproduktion, nämlich an Nelson Carlos De Los Santos Arias für „Pepe“. Darin erzählt der in Santo Domingo geborene, 39-jährige Regisseur aus der Sicht eines Nilpferds eine Geschichte über zwei Kontinente hinweg, von Südwestafrika bis Kolumbien.
Mit dem Silbernen Bär – Großer Preis der Jury wurde der koreanische Altmeister Hong Sangsoo geehrt. Als regelmäßiger Gast im Berlinale-Wettbewerb überzeugte er die Jury dieses Jahr mit „A Traveler’s Needs“ mit Isabelle Huppert. Mit dem Preis der Jury geehrt wurde Bruno Dumonts eigenwillige Science-Fiction-Komödie „L‘Empire“.
Die geschlechterneutral vergebenen Darstellerpreise gingen an Sebastian Stan für „A Different Man“ in der Hauptdarstellerkategorie und an Emily Watson für ihren Part im Eröffnungsfilm „Small Things Like These“ in der Nebendarstellerkategorie.
Den Goldenen Ehrenbären für sein Lebenswerk erhielt bereits am 20. Februar Regielegende Martin Scorsese. Der 91-jährige deutsche Filmemacher Edgar Reitz, bekannt vor allem durch die „Heimat“-Trilogie, wurde am 22. Februar mit der Berlinale Kamera für besondere Verdienste um das Filmschaffen ausgezeichnet.
Gewinnerliste Berlinale 2024:
Goldener Bär – Bester Film: „Dahomey“ von Mati Diop
Silberner Bär – Großer Preis der Jury: „A Traveler’s Needs“ von Hong Sang-soo
Silberner Bär – Preis der Jury: „L’Empire“ von Bruno Dumont
Silberner Bär – Beste Regie: Nelson Carlos De Los Santos Arias für „Pepe“
Silberner Bär – Herausragende künstlerische Leistung: Martin Gschlacht (Kamera) für „Des Teufels Bad“
Silberner Bär – Bestes Drehbuch: Matthias Glasner für „Sterben“
Silberner Bär – Bester Hauptdarsteller: Sebastian Stan in „A Different Man“
Silberner Bär – Beste Nebendarstellerin: Emily Watson in „Small Things Like These“
GWFF Preis Bester Erstlingsfilm: „Cu Li Never Cries“ von Phạm Ngọc Lân
Dokumentarfilmpreis:
„No Other Land“ von Basel Adra, Hamdan Ballal, Yuval Abraham, Rachel Szor
Lobende Erwähnung: „Direct Action“ von Guillaume Cailleau, Ben Russell
Goldener Ehrenbär: Martin Scorsese
Goldene Kamera: Edgar Reitz
Encounters:
Bester Film: “Direct Action” von Guillaume Cailleau, Ben Russell
Spezialpreis der Jury: ex aequo “The Great Yawn of History” von Aliyar Rasti und “Some Rain Must Fall” von Qui Yang
Beste Regie: Juliana Rojas für “Cidade; Campo”
Berlinale Shorts:
Goldener Bär: An “Odd Turn” von Francisco Lezama
Silberner Bär: “Remains of the Hot Day” von Wenqian Zhang
Lobende Erwähnung: „That’s All From Me“ von Eva Könnemann
Berlin Short Film Candidate for the European Film Awards: “That’s All From Me” von Eva Könnemann
Generation Kplus Kinderjury:
Großer Preis: „It’s Okay!“ von Kim Hye-young
Lobende Erwähnung: „Young Hearts“ von Anthony Schatteman
Bester Kurzfilm: „Papllon“ von Florence Miailhe
Lobende Erwähnung: „Amplified“ von Dina Naser
Generation 14plus Jugendjury:
Gläserner Bär für den besten Spielfilm: „Last Swim“ von Sasha Nathwani
Lobende Erwähnung: “She Sat There Like All Ordinary Ones” von Qu Youjia
Gläserner Bär für den besten Kurzfilm: „Cura Sana“ von Lucia G. Romero
Lobende Erwähnung: „Lapso“ von Caroline Cavalcanti
Generation Kplus Internationale Jury:
Großer Preis: „Reinas“ von Klaudia Reynicke
Lobende Erwähnung: “Through Rocks and Clouds” von Franco García Becerra
Spezialpreis Kurzfilm: „A Summer’s End Poem“ von Lam Can-zhao
Lobende Erwähnung: „Uli“ von Mariana Gil Ríos
Generation 14plus Internationale Jury:
Großer Preis: „Who By Fire“ von Philippe Lesage
Lobende Erwähnung: „Maydegol“ von Sarvnaz Alambeigi
Spezialpreis Kurzfilm: „A Bird Flew“ von Leinad Pájaro De la Hoz
Lobende Erwähnungen: „Songs of Love and Hate“ von Saurav Ghimire
Teddy Awards:
Bester Spielfilm: „All Shall Be Well“ von Ray Yeung
Bester Dokumentar-/Essayfilm: „Teaches of Peaches“ von Philipp Fussenegger & Judy Landkammer
Bester Kurzfilm: „Grandmamauntsistercat“ von Zuza Banasińska
Jury Award: “Crossing” von Levan Akin
Special Teddy Award: Lothar Lambert
CICAE Art Cinema Award:
Panorama: „Sex“ von Dag Johan Haugerud
Forum: „Shahid“ von Narges Kalhor
Preise der Fipresci Jury:
Wettbewerb: “My Favourite Cake” von Maryam Moghaddam & Behtash Sanaeeha
Encounters: “Sleep With Your Eyes Open” von Nele Wohlatz
Panorama: „Faruk“ von Aslı Özge
Forum: „The Human Hibernation“ von Anna Cornudella Castro
Heiner Carow Preis: „Ivo“ von Eva Trobisch
Preise der Ökumenischen Jury:
Wettbewerb: “My Favourite Cake” von Maryam Moghaddam & Behtash Sanaeeha
Panorama: „Sex“ von Dag Johan Haugerud
Forum: “Maria’s Silence” von Davis Simanis
ArteKino International Award: „Ich bin Marika“ von Hajni Kis
VFF Talent Highlight Award: “Silence Sometimes” von Álvaro Robles, produziert von Mireia Vilanova (Cartuna)
Label Europa Cinema: „Sex“ von Dag Johan Haugerud
Gilde Filmpreis: „Sterben“ von Matthias Glasner
Eurimage Co-Production Development Award: “Screaming Girl” von Antonio Lukich, prodzuziert von ForeFilms
Caligari-Filmpreis: „Shahid“ von Narges Kalhor
Friedensfilmpreis: „Favoriten“ von Ruth Beckermann
Amnesty International Filmpreis: „The Strangers‘ Case“ von Brandt Andersen
AG Kino Gilde – Cinema Vision 14Plus: „Last Swim“ von Sasha Nathwani
Panorama Publikumspreis:
Spielfilm: “Memories of a Burning Body” von Antonella Sudasassi Furniss
Dokumentarfilm: „No Other Land“ von Basel Adra, Hamdan Ballal, Yuval Abraham, Rachel Szor
Preis der Leser*innenjury des Tagesspiegel: „A Family“ von Christine Angot
Preis der Leser*innenjury der Berliner Morgenpost: „Sterben“ von Matthias Glasner