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REVIEW KINO: „Bad Director“

Oskar Roehlers unapologetische Verfilmung des eigenen Romans „Selbstverfickung“ über einen verhärmten Regisseur, der sich mit der Leere seiner Existenz konfrontiert sieht.

Credits:
Land/Jahr: Deutschland 2024, Laufzeit: 131 Minuten; Regie & Drehbuch: Oskar Roehler, Besetzung: Oliver Masucci, Bella Dayne, Anne Ratte-Polle, Elie Kämpfen, Götz Otto, Natalia Avelon; Verleih: Weltkino/Alpenrepublik, Start: 9. Mai 2024

Review:
Ein echter Roehler. Gut so. Ob man nun seine Weltsicht teilt oder nicht. Unapologetisch, kampfeslustig, derb, immer übers Ziel hinausschießend, auf aufreizende Weise uninteressiert daran, was andere über ihn denken mögen, den Bad Director im Film oder „Bad Director“, den Film selbst. Wie könnte es auch anders sein, wenn der Regisseur den eigenen Roman verfilmt, seinen dritten, der mit seinem Titel „Selbstverfickung“ schon einmal klarstellt, dass keine Gefangenen gemacht werden? Er will niemandem gefallen, niemand Rechnung schuldig sein, macht sich beim Wettern gegen den Kulturbetrieb in Deutschland und die Leere der Menschen, denen man in der Filmindustrie begegnet, ihre ewige Selbstbezogenheit und Raffgier, aber auch gezielt angreifbar: das Enfant terrible schon wieder, das den Schuss nicht gehört hat, an dem die Zeit vorbeigezogen ist. Und tschüss…

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Der „Bad Director“ bei einem bad Filmdreh (Credit: Nachtlicht Film)

All das konzediert Roehler in seiner ebenso augenzwinkernden wie bitteren filmischen Philippika, die unerhört und aberwitzig ist, manchmal auch unerhört und aberwitzig komisch, am Ende aber doch vor allem traurig, ein 130-minütiger Rant, von dem Roehler selbst weiß, dass er zum Verpuffen verdammt ist. Das Old man yelling at clouds-Syndrom, aber als selbstreflexiver Diskurs, in dem der Regisseur sich selbst in den Mittelpunkt stellt und damit zum Teil des Problems und nicht der Lösung macht, auch wenn diesem Gregor Samsa die Sympathien Roehlers gehören, diesem in seinen sexuellen Obsessionen und misanthropischen Ansichten gefangenen Wrack, der olle Käfer, der auf dem Rücken liegt und verzweifelt um sich strampelt. No one here gets out alive, um mit Jim Morrison zu reden: Raus kommt man aus dem Hamsterrad nur, wenn man tot ist. 

Mehr denn je ist Oliver Masucci in der dritten Zusammenarbeit mit Oskar Roehler nach „HERRliche Zeiten“ und „Enfant terrible“ das Alter ego des Filmemachers, durch den er ganz direkt mit dem Publikum spricht: Unverkennbar sind Aussehen und Habitus des „schlechten Regisseurs“ angelehnt an Roehler, wenngleich Masucci die Manierismen ins Extrem spielt, wie in einem Zerrspiegel, der alles grotesk überzogen aussehen lässt. Es gibt Sex (freudlos), Drogen (wirken auch nicht mehr), keinen Rock’n’Roll und auch keine Handlung im eigentlichen Sinne, sondern nur eine endlose Downward Spiral, die von den Vorbereitungen auf den nächsten Film Samsas zusammengehalten wird: Die verbalen und schließlich auch körperlichen Auseinandersetzungen mit Hauptdarstellerin Konstanze, großartig gespielt von Anne Ratte-Polle, sind der Höhepunkt des Films.

Eine Prostituierte aus Litauen, beherzt gespielt von Bella Dayne aus „Girl You Know It’s True“, könnte so etwas wie der Rettungsanker sein für Gregor Samsa, während seine Welt um ihn versinkt und er mit ihr, ein Artefakt einer vergangenen Zeit, dessen Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist. Dass das nicht gut ausgehen kann, weiß auch Oskar Roehler, der Spaß hat, seinen Kritikern ein paar Appetithappen zuzuwerfen: Das Klischee der Nutte als Madonna? Geht echt nicht mehr! Schmunzelnd, irritiert oder empört, je nach persönlicher Disposition, sieht man „Bad Director“ zu, während er Spitzen austeilt gegen die Granden des deutschen Films, Samuel Finzi sich in einem kurzen Cameo entspannt selbst auf den Arm nimmt und man sich über weitere Gastauftritte von Götz Otto oder Natalia Avelon freut. Und mehr und mehr realisiert, dass dieser so auffällig leer wirkende Fiebertraum Oskar Roehlers own private „Eyes Wide Shut“ ist, eine Höllenfahrt auf Raten, mindestens so kafkaesk wie der bei „Die Verwandlung“ entlehnte Name der Hauptfigur. Während aber bei Kubrick der Sex ein letzter Ausweg aus der Sinnlosigkeit ist, wirkt beim „Bad Director“ nicht einmal mehr Viagra, die ultimative Selbstverfickung.

Thomas Schultze