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Urs Spörri: „Wir sind das Festival des Qualitätsdiskurses“

Noch vor der Verkündung des Umzugs von Baden-Baden nach Weimar 2025 sprach SPOT mit dem Künstlerischen Leiter der TeleVisionale (27.-29.11.), Urs Spörri, über die Verkürzung des Film- und Serienfestivals in diesem Jahr und wie es als einer der Diskursorte der Branche aus der Not eine Tugend macht.

Urs Spörri und die TeleVisionale
Der Künstlerische Leiter Urs Spörri (l.) und die TeleVisionale (Credit: Lena Ruzicka, Sophie Schüler)

Die TeleVisionale verändert sich in diesem Jahr so stark wie noch nie. Werden die treuen Besucherinnen und Besucher das Festival vom 27. bis 29. November wiedererkennen?

Urs Spörri: Ich bin guter Dinge. Die diesjährige Verkürzung bringt eine große Veränderung mit sich, dass die Fernsehfilme nicht mehr in der vollständigen Länge gemeinsam geschaut werden können. Das ist terminlich in nur drei Tagen nicht unterzukriegen. Es ist uns aber ansonsten gelungen, alles, was den Kern dieses Festivals ausmacht, beizubehalten. Es gibt weiterhin die öffentlich geführten Jury-Diskussionen mit spektakulär zusammen gestellten Jurys, welche die Crème de la Crème darstellen, die dort aufeinandertreffen werden. Ein positiver Faktor an der Verkürzung von fünf auf drei Tage ist, dass die Menschen auch den gesamten Zeitraum vor Ort sind und das volle Programm mitnehmen können. Wir erweitern in diesem Jahr auch die parallellaufenden Branchentage auf den gesamten Zeitraum der TeleVisionale. Man erkennt sicher das Festival wieder. Die Filme kann man sich auf 3sat oder in der Mediathek anschauen, wo es sie wie immer vorab anzuschauen gibt.

Wie kompensiert die TeleVisionale die zwei wegfallenden Tage im Programm?

Urs Spörri: Es hatte etwas von einem Copperfield’schen Zaubertrick, dass wir möglichst wenig vom Programm gestrichen bekommen und in die drei Tage alles das reinkriegen, was uns am Herzen liegt. Tatsächlich ist es uns gelungen, jetzt ein pickepackevolles Programm zu stricken, was früh los und bis in den späten Abend hineingeht. Mir war wichtig, dass wir nicht die Anzahl der nominierten Filme und Serien reduzieren. Das widerstrebte mir, weil wir zeigen wollen, dass Fernsehen und Streaming aus Deutschland besser als ihr Ruf sind. Dafür treten wir jedes Jahr aufs Neue an, indem wir die Perlen des Jahresprogramms heraussuchen. Aber zehn Fernsehfilme mit je 90 Minuten Laufzeit schafft man in drei Tagen nicht, deswegen zeigen wir nur Ausschnitte. Das war der Apfel, in den wir beißen mussten und bei dem mir als Cineasten auch das Herz blutet. Das machen wir auch kommendes Jahr nicht noch einmal so. Denn es ist die Grundlage dieses Festivals, dass man gemeinsam schaut und anschließend diskutiert. Aber mit den deutlich gestiegenen Kosten und den gesunkenen Einnahmen in diesem Jahr war keine andere Lösung möglich.

Wie stellen Sie sicher, dass das Jahr 2024 dahingehend eine Ausnahme bleibt?

Urs Spörri: Wir sind jetzt darauf vorbereitet und hatten ausreichend Zeit, das kommende Jahr schon mitdenken zu können. Wir sind mit den Partnern im Gespräch. Es gibt Lösungsansätze, über die wir jetzt noch nicht reden wollen, weil wir uns auf die jetzige Ausgabe konzentrieren. Aber ich bin optimistisch, dass es eine Rückkehr zu den fünf Tagen geben kann.

Während das Festival insgesamt verkürzt ist, gibt es die von Ihnen schon angesprochene Verlängerung der Branchentage mit spannenden Panels und Talks. War das ein logisch-konsequenter Schritt?

Urs Spörri: Die Branchentage waren 2023 ein großer Erfolg. Wir hatten eine dezidierte Herangehensweise, die mir auch am Herzen lag: Wir gehen auf die wichtigsten Branchenverbände zu und fragen, welche Themen ihnen unter den Nägeln brennen. Gemeinsam erarbeiten wir Themen, die dann ausgestaltet werden: Das geht bei uns von der Produktionsallianz über Regie, Drehbuch, Casting und Ton bis zu den Schauspielverbänden. Das kam im vergangenen Jahr so gut an, dass noch mehr mitmachen wollten. Außerdem haben wir in diesem Jahr auch die Medienpolitik hinzugenommen, weil wir beide Welten zusammenbringen wollten. Unsere generelle Überlegung war: Wenn wir schon auf drei Tage verkürzen müssen, machen wir aus der Not eine Tugend und richten die Branchentage im Spiegelsaal des Kurhauses über die gesamte Festivaldauer aus.

Verena Altenberger
Verena Altenberger beim TeleVisionale-Publikumsgespräch 2023 (Credit: Sophie Schüler)

Was sind die drängendsten Fragen auf den Panels?

Urs Spörri: Unser Mitveranstalter ist bekanntlich 3sat. Das Panel zum Kulturauftrag der Öffentlich-Rechtlichen zum Beispiel wird gewiss ein spannendes. Wir haben ein Panel, das wir als Fördergipfel deklarieren, wo vier Geschäftsführer:innen von einigen der wichtigsten Fördereinrichtungen des Landes miteinander diskutieren, wie es weiter geht und wo die eigenen Perspektiven liegen. Uns vom Festival liegt in Zeiten des Rechtsrucks auch am Herzen zu fragen, wo die Verantwortung der Kreativen, Sender und Streamer in Deutschland liegt. Der Begriff Qualität schwebt immer über der TeleVisionale. Wir sind das Festival des Qualitätsdiskurses, den es in dieser Form auch wahrscheinlich nirgendwo so öffentlich ausgelebt gibt. Jetzt gibt es sowohl bei der ARD als auch beim ZDF die neuen Qualitätsrichtlinien, für die zukünftig die Rundfunkräte zuständig sind. Auf einem Panel werden die dazugehörigen Konzepte vorgestellt. Wir verbinden das Ganze aber auch mit einer internen Fortbildung für die Gremienmitglieder, die daran Interesse haben.

Wie nehmen Sie die Diskussionen um das neue Filmförderungsgesetz und die weiteren geplanten Reformen sowie den Reformstaatsvertrag für die Öffentlich-Rechtlichen wahr?

Urs Spörri: Es war ein Prozess, der sich für viele Seiten schon aufgrund der jahrelangen Dauer als unbefriedigend herausstellte. Jetzt muss man schauen, was daraus in Zeiten dieses unsicheren Umbruchs wird. Gerade vor dem Hintergrund des Endes der Ampel-Regierung weiß man nicht genau, wie es dort jetzt weitergeht. Die Produzent:innen brauchen aber Sicherheit. Zwischenzeitlich hieß das Motto: Survive until ’25. Ich befürchte, dass es jetzt bald „Survive until after ‘25“ werden kann. Wir wollen vor allem die Plattform sein und Menschen zusammenbringen, die das Ganze aus allen Richtungen beurteilen. Wir haben beispielsweise Bettina Reitz aus dem Zukunftsrat auf einem Panel, die eine Sendervergangenheit hat und zugleich Präsidentin der HFF München ist. Wir wollen darüber reden, wie wir diesen Dauer-Krisenmodus wieder wegbekommen. Wir müssen viel verändern. Und es muss auch viel von der Politik kommen. Wir müssen schauen, wie wir das Bestmögliche in der aktuellen Situation hinbekommen.

TeleVisionale Nominierungen 2024
Eine Auswahl: TeleVisionale-Nominierungen 2024 (ARD, RTL, Joyn)

Wie emotional haben Sie auch die Diskussionen um Ihren Veranstalter 3sat verfolgt, der zwischenzeitlich beim Reformstaatsvertrag stark angezählt war, für den es im endgültigen Entwurf jetzt aber gar nicht mehr so schlecht aussieht?

Urs Spörri: Es wurde vieles mit dem Impetus zusammengeworfen, der ausdrücken sollte: Wir wollen etwas machen! Man spürte den Reformwillen von Seiten der Politik. Das ist prinzipiell ein guter Ansatz, weil es auch Reformen bedarf. Dass man aber ausgerechnet im Bereich Kultur, die nun wirklich nicht den vordersten Stellenwert im aktuellen Programm der Öffentlich-Rechtlichen hat, ansetzte und bei Sendern wie 3sat und Arte, die länderverbindend arbeiten und mit der „3sat Kulturzeit“ als wahrscheinlich wichtigster Kultur-Info-Plattform in Deutschland eine Fusion anstrebt, halten wir für falsch. Nicht nur die TeleVisionale wird als Festival von 3sat unterstützt. Der Dokumentarfilm würde in Deutschland ebenso massiv leiden, wenn 3sat plötzlich nicht mehr wäre. Ich glaube, aktuell ist noch Vieles nicht spruchreif und es wird sich noch einiges tun. Bei der Petition für einen Erhalt von 3sat stimmten mittlerweile mehr als eine halbe Million Menschen dafür. Ich glaube, dass man verstanden hat, wie wichtig dieser Sender für viele Menschen ist. Auch darüber wird bei uns auf einem Panel diskutiert werden.

Die Öffentlich-Rechtlichen sind traditionell stark bei Ihnen unter den nominierten Formaten vertreten. Was sagt es aber aus, dass in diesem Jahr mit „Der Upir“ auch eine Serie von Joyn, technisch gesehen zwei RTL+-Serien und auch Prime Video nominiert sind?

Urs Spörri: Das Festival kommt aus dem öffentlich-rechtlichen Kontext. Aber als ich und Daniela Ginten es in der Doppelspitze übernahmen, sagte wir klar, dass wir offen für alle sind. Wir haben auch offensiv um die Privaten, das Pay-TV und die Streamer geworben. Wir sind glücklich darüber, dass fast alle auch immer einreichen. Der Auswahlmodus ist ein fairer: Es gibt ein ausführliches und langes Verfahren. Beim Fernsehfilm wird das Angebot zuerst aus allen eingereichten Formaten auf eine 35er-Liste heruntergedampft. Dann entscheiden die Mitglieder der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste, die auch Veranstalter des Festivals sind, per demokratischer Abstimmung über fünf Nominierte. Die anderen fünf Nominierten beim Fernsehfilm werden dann von einer unabhängigen Auswahlkommission bestimmt. Wir suchen nicht den kleinsten gemeinsamen Nenner oder verlassen uns nur auf ein kleines Expertenteam, sondern haben diese Mischform. Jeder hat die gleiche Chance. Und ja, es ist auffällig, dass bei den Serien die Privatsender ein bisschen Oberwasser in diesem Jahr hatten. Es waren einige Formate dabei, die uns sehr beeindruckt haben. Es sind sicher auch noch die Ausläufer des großen Serienbooms, die uns mutige und innovative Stoffe brachten. Wir hätten auch sicher weit mehr als fünf Plätze vergeben können. Dass die Öffentlich-Rechtlichen mit neun von zehn Nominierungen beim Einzelstück dominieren, ist auch ein Zeichen dafür, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen in diesem Bereich einfach stark ist und sich die Nominierungen verdient hat. Ich freue mich zum Beispiel, dass die Schweiz nach einigen Jahren wieder mit dem einzigen nominierten „Tatort“ dabei ist.

Beim Blick über die hochwertige Nominierten-Liste vermisst man trotzdem zum Beispiel ein überragendes Format wie „Schwarze Früchte“. Wäre diese ARD-Serie schon 2024 zu nominieren gewesen?

Urs Spörri: Die Serie wird hoffentlich für das kommende Jahr eingereicht. Bei den Serien gilt: Die komplette Staffel muss bis Ende September veröffentlicht worden sein. Bei „Schwarze Früchte“ geschah das erst im Oktober. Die nominierte Serie „Zeit Verbrechen“ startet zwar auch erst jetzt auf RTL+. Aber die lief komplett auf der Berlinale im Februar und qualifizierte sich so korrekt für die TeleVisionale, weil das für uns als Erstveröffentlichung zählt.

Debüt im Ersten und Das kleine Fernsehspiel
Diesjährige Preisträger: Debüt im Ersten (l.) und Das kleine Fernsehspiel (Credit: ARD/ZDF/Brand New Media)

Welche Aspekte des Festivals liegen Ihnen in diesem Jahr noch besonders am Herzen?

Urs Spörri: Wir sind immer noch ein Geheimtipp, weil es bei uns so leicht wie vielleicht sonst nie ist, mit den Entscheiderinnen und Entscheidern aus der Branche ins Gespräch zu kommen. Ich empfehle allen Kreativen einen Besuch. Ich will auch den Ehrenpreis in diesem Jahr besonders hervorheben. Es ist ein starkes Zeichen der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste, gerade die beiden führenden Nachwuchsredaktionen unseres Landes mit dem Kleinen Fernsehspiel und dem Debüt im Dritten auszuzeichnen. Ich finde beide Institutionen unfassbar wichtig. Der Nachwuchs ist auch bei der TeleVisionale immer ein bedeutsames Thema, nicht nur weil der MFG-Star in diesem Jahr mit Doris Dörrie als Jurorin vergeben wird. Es wird auch zu diskutieren sein, wo die Reise für den Nachwuchs im Fernsehen hingeht. In Zeiten von Sparzwängen wird immer wieder vieles in Frage gestellt. Aber das ist etwas, was auf keinen Fall in Frage gestellt werden darf. Es braucht die Menschen, die hinter diesen Redaktionen stehen.

Das Interview führte Michael Müller