Die kenianische Oscareinreichung „Nawi – Dear Future Me“ wurde bei den Hofer Filmtagen mit großem Applaus gefeiert. Der bewegende Film entstand über die NGO von Ludwig von Bayern. Katja Eichinger ist als Executive Producer an Bord. Wie es dazu kam, erzählt sie uns im Interview.
„Nawi – Dear Future Me“ feierte gerade bei den Hofer Filmtagen Europapremiere. Wie haben Sie das erlebt?
Katja Eichinger: Es war sehr emotional. Die Menschen sind so mitgegangen, haben auch geweint. Das war wirklich bewegend.
Sie sind Executive Producer. Wie fand das Projekt zu Ihnen?
Katja Eichinger: Ich war bei Digital-Life-Design. Da saß ich neben Ludwig von Bayern. Wir kamen ins Gespräch und er erzählte mir von seiner Charity Learning Lions in Turkana in Kenia und seiner Ambition, einen Film machen zu wollen. Mir fielen natürlich als erstes meine Freunde Marie Steinmann und Tom Tykwer ein, die sich auch seit Jahren in Nairobi engagieren und dort filmisch aktiv sind bzw. afrikanische junge Filmschaffende unterstützen. Ich wollte Ludwig eigentlich nur mit den beiden vernetzen. Aber Ludwig hatte eigene Pläne, mit seiner Charity vor Ort in Turkana einen Film zu machen, mit den Leuten, die dort zur Schule gehen, eine Ausbildung durchlaufen. Den Wunsch, einen abendfüllenden Spielfilm zu machen, trug er schon lange in sich. Also habe ich ihm meine Unterstützung zugesichert. Als erstes setzten wir seine Idee eines nationalen Geschichtenwettbewerbs in Kenia um.
War der an ein bestimmtes Thema gebunden?
Katja Eichinger: Es sollte um die Zukunft von Afrika gehen. Ich habe die eingereichten Stoffe gelesen und bei der Auswahl geholfen. Das war bewegend! Es waren alles Geschichten, die sich mit ganz konkreten Problemen beschäftigt haben. Und wie man ganz konkret das Leben in Kenia verbessern kann. Unsere Wahl fiel auf Milcah Cherotichs Kurzgeschichte, die teilweise auf wahren Begebenheiten beruhte. Einem Mitglied von Milcahs Familie ist ähnliches passiert wir unserer Nawi im Film. Die Geschichte war so überzeugend, filmisch geschrieben. Anhand dieser Geschichte haben wir dann mit Milcah ein Drehbuch entwickelt. Milcah, die hauptberuflich Fremdenführerin in Kenia ist, kam nach Deutschland und wir haben das Projekt bei einem Fundraising-Event, das Ludwig an seinem 40. Geburtstag organisiert hatte, vorgestellt. Leider wurden wir nicht gefördert. Ludwig hat die Gelder dann durch Investoren aufgetrieben. Ich ziehe den Hut.
„Uns war wichtig, immer auf die Diskussion über Post-Kolonialismus zu achten.“
Inwiefern haben Sie das Projekt dann begleitet?
Katja Eichinger: Ich habe bei der Drehbuchentwicklung geholfen. Uns, also die in das Projekt involvierten Westeuropäer, war es sehr wichtig, immer auf die Diskussion über Post-Kolonialismus zu achten und niemanden unseren europäischen Blick aufzudrängen. Unser Anliegen war, eine lokale Geschichten zu erzählen und zu überlegen, wie wir mit unserem Knowhow Menschen vor Ort helfen können, ihre Geschichte zu erzählen. Später habe ich auch im Schnitt geholfen. Das war ein langer Prozess. Und bei der Musik. Drehbuch, Schnitt und Musik – das sind auch die drei Bereiche, die ich sehr liebe.
Beim Drehbuch und schließlich bei der Inszenierung halfen die Brüder Kevin und Tobias Schmutzler, die bekannt sind für Social-Impact-Filme und ihre enge Verbindung zu Afrika. Sie unterstützten in der Regie die beiden kenianischen Debüt-Regisseurinnen Apuu Mourine und Vallentine Chelluget. Wie hat dieses Konstrukt funktioniert?
Katja Eichinger: Die Schmutzler-Brüder waren von Anfang an dabei, kannten Ludwig von Bayern auch schon länger. Das mit der Regie hat auch deswegen so gut funktioniert, weil die beiden sehr gut kommunizieren können und wirklich sehr angenehme Menschen sind. Sie sind es gewöhnt, Co-Regie zu führen, weil sie oft zusammenarbeiten und wissen, wie wichtig es ist, sich abzusprechen und Aufgaben zu verteilen. Da es ein Ausbildungsprojekt war, war bei uns jedes Department mit kenianischen Crewmitgliedern gespiegelt. Es ging darum, ein Fundament zu schaffen, damit der Filmbereich da auch Fuß fassen und sich eigenständig entwickeln kann. Um nachhaltiges Filmemachen.
Der Film feierte im Sommer in Nairobi Weltpremiere. Wie kommt er in seinem Ursprungsland an? Er ist ja durchaus sehr kritisch in Bezug auf die patriarchalische Gesellschaftsstruktur…
Katja Eichinger: Er wird dort sehr gut angenommen. Vor allem junge Leute finden es super, dass das Thema Zwangsehe, das ja eher im Verborgenen stattfindet, endlich öffentlich angesprochen und durch den Film diskutiert wird. Wir waren sieben Wochen lang in kenianischen Kinos. Das ist der zweitlängste Kinostart für einen kenianischen Film. Unsere 14-jährige Hauptdarstellerin Michelle Lemuya Ikeny hat jüngst bei den African Film Awards als bestes Nachwuchstalent gewonnen.
Wie geht es mit der Auswertung weiter?
Katja Eichinger: Es gibt verschiedene Angebote, die von Ludwig sondiert werden. Ich bin gespannt, wo der Film in Deutschland landen wird, ob im Kino oder TV… Für mich persönlich ist es am allerwichtigsten, dass er in Afrika gesehen wird. Außerdem hoffe ich, dass ihn viele Schulklassen sehen, auch bei uns, weil Jugendlichen durch den Film klar werden kann, wie wichtig Bildung ist.
„Nawi – Dear Future Me“ wurde von Kenia als Oscareinreichung entsendet. Was bedeutet Ihnen das?
Katja Eichinger: Das ist sehr aufregend! Und sehr schön, dass Kenia „Nawi“ tatsächlich als kenianischen Film betrachtet und anerkennt – was er ja auch ist. Das macht mich sehr froh. Es ist genau das, was wir uns gewünscht haben. Toll ist, dass die wichtige Thematik der Zwangsehe und Kindsheirat dadurch noch mehr Aufmerksamkeit erhält.
Sie sind vor allem als Journalistin und Buchautorin aktiv, feierten mit „Asbest“ einen Riesenhit in der ARD Mediathek. An was arbeiten Sie aktuell?
Katja Eichinger: Ich entwickle einen Stoff mit SevenPictures. Er ist das Gegenteil von diesem sehr maskulinen „Asbest“ – Östrogen statt Testosteron, ist aber für ein ähnliches Publikum gedacht. Mich interessiert ein junges Publikum. Vielleicht, weil ich so lange in Großbritannien gelebt habe. Ich mag einfach Popkultur, mich interessiert, was Teenager spannend finden. Ich fand es z.B. toll, was teilweise bei „Rheingold“ in den Kinos los war. Ich liebe es, wenn ein Film ein Event ist und wenn richtig Stimmung im Saal ist. Außerdem schreibe ich noch einen Kriminalroman.
Das Interview führte Barbara Schuster