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Hans Block & Moritz Riesewieck über „Eternal You“: „Großes Risiko mit dem Ungewissen“

In ihrem hochspannenden neuen Dokumentarfilm, nach „The Cleaners“ wieder von den Beetz Brothers produziert, beschäftigen sich Hans Block und Moritz Riesewieck mit der Frage, was passiert, wenn KI den Tod obsolet macht. Im Interview erzählen sie über ihre lange Recherche und warum es wichtig ist, Menschen mit (Dokumentar)Filmen aus ihren Echokammern zu locken.

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Moritz Riesewieck & Hans Block (Credit: Konrad Waldmann)

„Eternal You – Vom Ende der Endlichkeit“ umfasst ein ausufernd – unendlich – großes Thema. Wie beginnt man da?

Moritz Riesewieck: Begonnen hat alles 2018. Unser Debütfilm „The Cleaners“ hatte gerade Premiere gefeiert. Damals sind wir über eine Website gestolpert, auf der Sprüche standen wie „Wer will unsterblich werden?“, „Werde virtuell unsterblich!“. Wir waren irritiert und haben recherchiert, wer hinter diesem Start-up steckt. Es war tatsächlich ein MIT Fellow des Massachusetts Institute of Technology, einem sehr renommierten Institut in Boston. Das hat uns überrascht, wir konnten das nicht zusammenbringen. Ein renommiertes Institut auf der einen, solche Verlautbarungen auf der anderen Seite. Wir trafen den Macher von eterni.me in Rumänien und waren verblüfft, dass er noch gar keine technischen Lösungen für seine Versprechen gefunden hatte, gleichwohl er uns sagte, dass über 30.000 Menschen auf einer Warteliste warten würden. Eterni.memarkierte den Anfang einer Reihe von ähnlichen Start-ups, die mit dieser transzendentalen Obdachlosigkeit spielen, wie wir das nach Lukács in Westeuropa bezeichnen würden: Immer mehr Menschen wenden sich einerseits reihenweise von Religionen ab, können andererseits aber nicht damit leben, dass die Verstorbenen plötzlich weg sind. Das erzeugt eine Kluft. Und diese Kluft wird von immer mehr Tech-Unternehmen ausgenutzt. Aus einem leeren Versprechen wie damals noch bei eterni.me wurde immer mehr Realität, weil KI auf einmal tatsächlich in der Lage war, riesige Datenmengen auszuwerten und vermeintlich selbständig Texte zu generieren und zu chatten in einer Weise, wie es bisher nie möglich gewesen war und auf menschenähnliche und vermeintlich empathische Art und Weise mit Menschen in Kontakt treten kann.

War Ihnen sofort klar, dass darin ein ganzer Film drinsteckt?

Hans Block: Einen Dokumentarfilm zu machen, ist immer ein großes Risiko mit dem Ungewissen, eine Reise zu einem Ort, der nicht klar ist, weil die Realität den Weg bestimmt. Wir wussten aber, dass relativ viele Zutaten vorhanden waren, die für einen komplexen Film taugen: eine spannende Entwicklung durch KI, im Speziellen das Affective Computing, die Imitation von etwas Menschlichem, von Gefühlen und Sprache, gepaart mit einem riesengroßen kulturellen und zivilisatorischen Thema, der Unsterblichkeit, aber auch die Themen Trauer und Tod. Wir mussten im Grunde nur warten, die richtigen Protagonist:innen zu finden, die richtigen Unternehmer… 

(Credit: Farbfilm Verleih)

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So etwas dauert sicherlich…

Hans Block: Absolut. Wir hatten Glück, dass die Beetz Brothers, unsere Produktionsfirma, Vertrauen in uns hatten. Anfangs durften wir uns von Leuten oft Sprüche anhören wie: „Das, was ihr erzählt, klingt nach SciFi“ oder „Das hört sich nach einer interessanten ‚Black Mirror‘-Folge, nicht nach einem Dokumentarfilm an. Wacht mal auf.“ Wir glaubten daran, dass da was kommen wird. Das hat sich auch eingestellt. Man muss nur dranbleiben. Die Öffnung von ChatGPT für alle im Jahr 2023 hat einen Boom verursacht, aus dem für uns ganz neue Geschichten entstanden sind. Bis zuletzt haben wir viel gedreht, bis wir da waren, wo wir hinwollten. Wir hoffen natürlich trotzdem, unabhängig von der technologischen Entwicklung, die sich in den nächsten fünf Jahren rasant auch wieder ändern wird, dass der Film Fragen auf den Tisch bringt, die über sich hinauswachsen und die mehr sind als das Beobachten eines Technologiestandes, sondern die einen Epochenwandel beschreiben

Wie sehr spielt der Film bereits in der „Vergangenheit“?

Moritz Riesewieck: Affective Computing ist einer der am schnellsten wachsenden Märkte im Tech-Sektor mit enormen Investitionen. Was wir zeigen, ist erst der Anfang. Der Bereich und diese Technologie sind deshalb so exponentiell wachsend, weil so breit gestreut wird und viele Menschen an vielen Orten Experimente damit anstellen, was gleichzeitig zu einer Verbesserung führt. Uns war wichtig, von Stunde Null an dabei zu sein, wenn die ersten Pionier:innen dieser neuen Technologie ihre Start-ups auf den Markt bringen, dabei zu sein, wenn die ersten Menschen ihren digitalen Wiedergänger:innen bzw. ihren verstorbenen Liebsten begegnen. Bemerkenswert ist, dass obwohl die Technologie noch nicht ausgereift oder an ihrem Schlusspunkt angelangt ist, trotzdem schon so viele Menschen in Geiselhaft genommen werden von diesen digitalen Wiedergänger:innen und überzeugt sind, viel von den Verstorbenen wiedererkennen zu können. Wenn das in diesem rudimentären Zustand schon so eine Wirkung auf Trauernde hat, kann man sich ausmalen, wie das in ein paar Jahren aussieht, wenn die Technologie uns noch mehr zu Leibe gerückt sein wird.

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Hans Block (Credit: Moritz Riesewieck)

Beetz Brothers wurden bereits erwähnt als Produktionsfirma. Nach „The Cleaners“ arbeiten Sie zum zweiten Mal mit Christian und Reinhardt Beetz sowie Georg Tschurtschenthaler zusammen. Was zeichnet sie als Produktionspartner aus? Wie ist ihr Input?

Hans Block: Die Arbeit an einem Dokumentarfilm ist unglaublich intim. Man streitet miteinander, geht durch Höhen, durch Tiefen, es ist manchmal belastend, oft müssen kurzfristig Drehs und Gelder organisiert werden… das hat uns bei „The Cleaners“ zusammengeschweißt. Es war von Anfang an klar, dass es eine zweite Zusammenarbeit geben kann, alle waren bereit dafür. Hinzu kommt, dass die Beetz-Brüder in Deutschland einfach auch die am besten international vernetzten Produzenten sind. Was sie stark von anderen Produktionsfirmen unterscheidet: Sie sind bereit, ins Risiko zu gehen, finanzieren Recherchedrehs, bei denen noch gar nicht klar ist, was am Ende dabei rauskommt. So muss man heutzutage Filme machen, gerade solche Filme wie „Eternal You“, die unberechenbar sind. Wir können nicht zwei Jahre warten, bis Fördergelder da sind. Das schaffen die Beetz Brothers in einem immer schwieriger werdenden Dokumentarfilmmarkt. Es gab nach Corona viele Insolvenzen, viele Kolleg:innen haben es nicht so leicht.

Aber gibt es nicht einen gewissen Hype um den Dokumentarfilm, vor allem, seit die Streamer auf dem Markt sind?

Moritz Riesewieck: Es gibt international ein großes Interesse am und ein großes Publikum für Dokumentarfilm. Aber dieser Anfangshype der Streamingdienste ist vorüber, hier sprechen jetzt nur noch die Zahlen. Die Streamer können einsehen, dass sich die meisten Menschen in Richtung True-Crime, Sport und Promi-Porträts und vielleicht noch Tierdokus orientieren. Der Markt für nischigere Themen ist nicht mehr da – zumindest bei den Streamern. Es fehlt der Mut, auch mal andere Filmen zu kaufen oder sie sogar als Originals zu produzieren. Das ist schade. Jetzt sollten sich die Öffentlich-Rechtlichen deutlich davon abgrenzen und nicht nur auf die Quoten und Mediatheken-Klickzahlen schielen. Sie haben gesellschaftlich eine ganz andere Verantwortung. Sie sollen prägen und Themen unserer Zeit zeigen, Themen, mit denen wir uns gesellschaftlich auseinandersetzen sollten, die als wichtig erachtet werden. Die Menschen müssen mit Filmen auch aus ihren Komfortzonen und Echokammern herausgelockt werden. Dass sich öffentlich-rechtliche Sender an Filmen wie „Eternal You“ beteiligen, ist nicht mehr selbstverständlich. 

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Moritz Riesewieck (Credit: Hans Block)

Sie sind Teil der Gruppe Laokoon, über die crossmediale Arbeiten entstehen, in deren Zentrum stets die Frage steht, wie sich unsere Vorstellung von Mensch und Gesellschaft im digitalen Zeitalter verändert. An was arbeiten Sie aktuell und wer gehört noch zu der Gruppe?

Hans Block: Zur Gruppe gehört noch die französische Künstlerin Cosima Terrasse. Mit ihr zusammen haben wir zum Beispiel das künstlerische Datenexperiment „Made to Measure“ gemacht. Es ging darum, eine Doppelgängerin zu erschaffen in der Person einer Schauspielerin, die wir gecastet haben, allein basierend auf den Google-Datenspuren einer uns unbekannten Person. Wir hatten Menschen aus ganz Europa aufgefordert, uns ihre Google-Daten, auf die man ja inzwischen ein Anrecht hat, anonymisiert zu schicken. Die Daten einer Person haben wir dann mit einer Datenanalystin zusammen ausgewertet, 100.000 Datenpunkte, fünf Jahre Leben, und konnten bis ins Detail Krisenmomente, bestimmte Vorlieben, Persönlichkeitsmerkmale etc. auslesen. Anschließend haben wir wieder allein basierend auf dieser Auswertung auf einer Theaterbühne eine Kulisse ihres Lebens gebaut, auf der dann die von uns gecastete Schauspielerin dieses Lebens nachgespielt hat. Den gefilmten Mitschnitt dieses Lebens haben wir der Teilnehmerin über eine Instagram-Werbung zugespielt, die wir fine-targeten konnten, wiederum basierend auf ihren Daten. Eigentlich wollten wir die Teilnehmerin bitten, das von uns rekonstruierte Leben zu korrigieren. Aber es ist etwas Krasses passiert. Denn während der Filmarbeiten hat sie sich irgendwie verlaufen und angefangen, Dinge, die die Doppelgängerin über sie erzählt hat, in ihre eigenen Erinnerungen einzubauen. Das war ein verblüffendes Ergebnis, mit dem wir nicht gerechnet hätten. 

Das Gespräch führte Barbara Schuster

Hier geht’s zu unserer Besprechung von „Eternal You”.

Hans Block & Moritz Riesewieck