Der Daily-Evergreen „Unter uns“ feiert auf RTL am Donnerstag 30. Geburtstag und garniert den Weg dahin mit einer besonderen Highlight-Woche. Der verantwortliche UFA-Produzent Guido Reinhardt spricht darüber, was die Fans ab heute erwartet und welche Rolle dabei auch KI spielt.
Als Produzent, der von Anfang an bei der 30-jährigen Erfolgsgeschichte von „Unter uns“ dabei war: Was kommt Ihnen spontan in den Sinn, wenn Sie den Formattitel hören?
Guido Reinhardt: Mir fällt direkt unser emotionaler Marken-Claim ein, der für das Programm „Unter uns“ steht: Familie, Freundschaft, Nachbarschaft.
Das hat sich in den 30 Jahren auch gar nicht verändert, so dass es Ihre erste Assoziation geblieben ist?
Guido Reinhardt: Ja, genau. Wir haben zwar das Motto und den Inhalt regelmäßig nachschärfen müssen, das gehört allerdings zu unseren Routinen bei langlaufenden Serien. Die Arena bzw. die Spielfläche der Serie ist durch ein Haus, die Schillerallee 10, geprägt. Daher drehen sich die Geschichten rund um deren Bewohner:innen:, Familien, Freund:innen und eben die nachbarschaftlichen Verhältnisse. Das ist konzeptionell für alle, die an der Serie beteiligt sind, sehr klar zu fassen und entsprechend umzusetzen.
Sie schreiben nicht die Drehbücher der Serie. Aber Sie entscheiden mit darüber, welche Geschichten erzählt werden. Wie findet man nach so vielen Jahren immer noch neue und inspirierende Geschichten?
Guido Reinhardt: Das Gute an meinem persönlichen Werdegang ist, dass ich immer mal in unterschiedlichen Funktionen für diese Serie gearbeitet habe. Als Produzent bin ich seit 2005 verantwortlich. Meine Hauptaufgabe besteht seitdem darin, großartige und kreative Menschen zu finden, die mit Geschichten und Ideen das Format inspirieren und inhaltlich voranbringen. Die Teams können dabei durchaus wechseln. Es sind immer diese Teams, die für den Erfolg über die drei Jahrzehnte verantwortlich sind. Mit ihnen gemeinsamen legen wir die jeweilige Richtung fest. Das scheint uns, auch im Hinblick auf das 30-jährige Jubiläum, ganz gut gelungen zu sein.
Wenn man wie Sie so lange bei einem Format wie „Unter uns“ involviert ist, gab es da auch Phasen, in denen Sie genug davon hatten oder sich Abnutzungserscheinungen zeigten?
Guido Reinhardt: “Genug” gibt es nicht (lacht). Es ist immer ein Wechselspiel aus Abstand und Nähe. Bei „Unter uns“ habe ich meine ersten Schritte in der Branche gemacht und durfte dort auch meine erste Regiearbeit leisten. Ich bin dem Programm daher immer besonders verbunden geblieben. Aber das heißt nicht, dass ich jeden Tag dabei war. Ich habe währenddessen auch viele andere Projekte begleitet. Es hilft, andere eigene Programme umzusetzen und mit neuen Ideen wieder zurückzukommen. Das ist mein persönliches Rezept im Umgang mit Abstand und mit Nähe. Ich würde es eher als eine wunderbare On-Off-Beziehung bezeichnen. Man lernt bei anderen Projekten und in anderen Genres immer wieder etwas Neues und auch neue inspirierende Menschen kennen. Diese Erfahrungen helfen dann auch immer wieder den langlaufenden Serien wie zum Beispiel „Unter uns“.
Bei welchen anderen Projekten holten Sie sich Inspirationen?
Guido Reinhardt: Neue Programme zu erfinden und mit großartigen neuen und mir bekannten Menschen aufzusetzen ist hier eine maximale Inspirationsquelle, wie zum Beispiel bei der RTL-Daily „Alles was zählt“, die ich seit diesem Jahr auch wieder als Produzent verantworte. Ich habe aber ebenso über mehrere Jahre „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ und „Hinter Gittern“ produziert. Auch habe ich viele Jahre den ZDF-Nachmittag mit Telenovelas wie „Wege zum Glück“ begleitet. Ich habe unter anderem die Vox-Serie „Rampensau“ und diverse Spielfilme produziert, von Drama, Komödie über Krimi waren alle Genres dabei. Ich liebe fiktionale Unterhaltung. Ich schaue mir auch sehr gerne alles an, was in Deutschland und der Welt Aufregendes und Neues produziert wird, aber „Unter uns“ war dabei immer ein bisschen wie “nach Hause kommen”. Neugier und Leidenschaft für fiktionale Stoffe und Figuren gepaart mit der großen Lust und Freude an der Arbeit sind hier meine persönliche Motivation und Inspiration.
Vom heutigen 25. bis 29. November feiert das „Unter uns“-Team zum 30. Geburtstag eine Highlight-Woche auf RTL. Was bieten Sie den Fans Besonderes an?
Guido Reinhardt: Wir versuchen generell, bei den langlaufenden Serien verschiedene Geschichtsstränge zu solchen Anlässen zu einem Höhepunkt zu bringen. Das kann mal emotional, aber mal auch dramatisch sein. Solch ein Angebot machen wir auch in der Highlight-Woche bei „Unter uns“. Eine Geschichte ist sehr dramatisch und erfährt einen größeren Wendepunkt. Eine andere Geschichte läuft unter dem mehrdeutig zu verstehenden Titel „Das Vermächtnis“ und hat dann wiederum viel mit unserem 30. Geburtstag zu tun. Wir werden dadurch eine neue Familie einführen, die in unserer Schillerallee auftaucht und uns auch in Zukunft begleiten wird.
Künstliche Intelligenz soll auch bei den kommenden Episoden eingesetzt worden sein. Als Referenzpunkt wurde im Vorfeld die Neuauflage des „Pumuckls“ genannt, der mit der KI-Stimme von Hans Clarin so begeisterte. Wie setzen Sie die KI ein?
Guido Reinhardt: Schon im Sommer 2023 haben wir damit begonnen, uns sehr grundsätzlich mit KI-Anwendungen für die Produktionsabläufe auseinanderzusetzen. Das betrifft Bereiche wie die Postproduktion, aber auch die Story-und Figuren-Entwicklung als erweiterte Möglichkeit für unser Autor:innenteam. Wir schauen immer, wie wir uns weiterentwickeln können, nicht nur in unseren Dailys, sondern in der gesamten UFA. Im Winter 2023 haben wir bei „Unter uns“ einen Weihnachtsfilm mit der Hilfe von KI entwickelt. Es war eine abgeschlossene Geschichte, die aus dem inhaltlichen Rahmen fällt und trotzdem irgendwie etwas mit “Unter uns” zu tun hat. Wir haben zusammen mit der KI „Unter uns“-Figuren mit Charles Dickens‘ Weihnachtsgeschichte “A Christmas Carol” kombiniert. Damals ging es zunächst hauptsächlich um die Entwicklung der Geschichte und die Visualisierung der Traum-Welten. Aber wir machten auch erste grundsätzliche KI-Erfahrungen bei der Sound- und Bildgestaltung. Das haben wir in diesem Jahr weiterentwickelt, so dass KI in allen Bereichen inzwischen eine Rolle spielt. „Unter uns“ war in den 30 Jahren bei der UFA immer auch Innovationstreiber. Das bietet sich hier an, da wir täglich produzieren und somit Neuerungen schnell umsetzen und daraus lernen können. So sind wir auch eine Art Testlabor für andere Produktionen geworden. In diesem Jahr integrieren wir auf diese Weise mit Margot Weigel eine Figur, die bei „Unter uns“ von Anfang an dabei war. In unserer Jubiläumsgeschichte erscheint sie ihrer Urenkelin in mehreren Szenen im Traum und schickt sie damit auf eine persönliche Reise. Darauf spielt auch der Titel „Das Vermächtnis“ an.
Inwiefern wurde KI bei dieser Rückkehr eingesetzt?
Guido Reinhardt: Ein Teil der Figur ist am Rechner entstanden, im Kern ist es aber immer noch eine echte Schauspielerin. Die Stimme wird ähnlich wie beim „Pumuckl“ entsprechend bearbeitet. Um diese inhaltliche Rückkehr möglich zu machen, brauchte es KI.
Wie fiel denn bisher das Feedback der Fans auf Ihren Einsatz von KI bei „Unter uns“ etwa bei der „Weihnachtsgeschichte“ aus?
Guido Reinhardt: Es fiel so aus, wie wir es erwartet hatte: Gefällt, gefällt nicht bis egal. Es gibt Fans, die sich dafür gar nicht interessieren, für andere Fans ist es einfach der nächste technologische Schritt. Grundsätzlich ist es immer die Geschichte dahinter, die stimmen muss. Daher war der “Unter uns-Weihnachtsfilm” ein abgeschlossenes Einzel-Projekt. Der jetzige KI-Einsatz bei der Erstellung der Figur Margot Weigel war von Anfang so entwickelt, dass es nur über einen definierten Zeitraum und in wenigen Szenen stattfinden wird. Das werden wir selbstverständlich im Nachgang alles auswerten und daraus für uns die nächsten Schritte ableiten. “Mutig sein” ist hierbei der Antrieb, das Feedback der Fans, negativ wie positiv, ausdrücklich gewünscht und auch durch die Vorgehensweise ein bisschen provoziert. Nur so können wir uns weiterentwickeln.
Wie hat sich Ihr Verhältnis zum treuen Auftraggeber RTL über diese 30 Jahre „Unter uns“ entwickelt?
Guido Reinhardt: Mit der UFA Serial Drama und RTL ist es wie bei einer großen und emotionalen Familie, die einen engen Zusammenhalt hat. Man kann sich wunderbar auseinandersetzen und diskutieren, wohin die gemeinsame Reise gehen soll. Am Ende funktioniert es nur, wenn auch alle respektvoll miteinander umgehen, und als Ziel das Beste für das Programm im Blick haben. Im Moment ist es eine 10/10, weil über die Jahre ein großes Vertrauensverhältnis gewachsen ist. Wir ringen immer noch leidenschaftlich um die besten Geschichten, das zeichnet unsere Zusammenarbeit aus. Ich kann mich nur bei RTL für dieses Vertrauen bedanken.
Daily Soaps werden heutzutage vermehrt auf den Streaming-Plattformen geschaut. Wie verhält sich das bei „Unter uns“? Wie hat sich das Verhältnis von linear zu non-linear über die Jahre geändert?
Guido Reinhardt: „Unter uns“ ist über 30 Jahre gelerntes, und vor allem habitualisiertes, lineares TV-Programm. Mit den aufkommenden Streamingdiensten und dem Mediatheken-Bewusstsein hat sich das auch bei diesem Programm positiv bemerkbar gemacht. Von den drei Dailys, die die UFA Serial Drama für RTL produziert, hat „Unter uns” einen großen Nutzen, was sicher mit der frühen Uhrzeit um 17.30 Uhr und dem Tagesablauf der Menschen zu tun hat. Deswegen ist das non-lineare Angebot ein wichtiger Faktor geworden und bewegt sich bei einem großen Anteil der Gesamtnutzung über das Jahr betrachtet.
Die Branche hat mit steigenden Produktionskosten zu kämpfen. Gleichzeitig werden die Einnahmen durch die Werbung für die Sender nicht mehr, eher weniger. Wie geht „Unter uns“ mit dieser Herausforderung um?
Guido Reinhardt: Mein Lieblingswort in diesem Zusammenhang ist hier “Herausforderung”. Bei täglichen Serien ist dies ein ständiger Wegbegleiter, weil sie qua ihrer Struktur schon darauf angewiesen sind, das ganze Jahr durchproduziert zu werden. Es gehört einfach dazu, immer wieder zu hinterfragen, wie Prozesse optimiert werden können. Es gibt den demografischen Wandel und das veränderte Nutzungsverhalten durch das Streaming. Daher sind ökonomische Notwendigkeiten Teil unserer Arbeit. Ich sehe es als eine positive Herausforderung an, die uns ständig begleitet: Prozesse, die parallel ablaufen. In den vergangenen Jahrzehnten gab es immer mal wieder außergewöhnliche Situationen. Eine große Werbekrise gab es bereits 2007/08, eingeleitet durch die Lehman-Brothers-Pleite in den USA, die eine ökonomische Blase zum Platzen brachte. Später kamen mit der Corona-Krise weitere Herausforderungen, wir konnten trotzdem ohne Unterbrechung produzieren. Das sind Beispiele, die zeigen, dass wir mit diesen Herausforderungen gelernt haben umzugehen und dass wir trotzdem nicht in der Qualität nachlassen. “Geht nicht” gibt es nicht!
Das Interview führte Michael Müller