SmHJHX

Am Freitag, den 25.10. werden wir ab 15.00 Uhr bis ca. 18 Uhr umfangreiche technische Wartungsarbeiten durchführen. Vielen Dank für Ihr Verständnis.

Tom Spiess und Friederich Oetker zum Erfolg von „Liebes Kind“: „Ein surreales Gefühl“

Am Montag werden in New York die International Emmys vergeben. Dort werden auch die Constantin-Produzenten Tom Spiess und Friederich Oetker vertreten sein, deren „Liebes Kind“ als beste Serie nominiert wurde. Vor der Abreise unterhielten Sie sich mit uns über den sagenhaften Erfolg und die Reise in den Big Apple. 

Instagram Querformat Landscape  x
Die Constantin-Produzenten von „Liebes Kind“: Tom Spiess und Friederich Oetker (Credit: privat; Marc Reimann /Constantin Film)

Als Produzent hat man generell ein gutes Gespür, wenn einem ein guter Film, eine gute Serie gelungen ist – auch wenn sich nicht genau vorhersehen lässt, wie gut sich das Produkt dann im Markt schlagen wird. Wann war Ihnen bewusst, dass „Liebes Kind“ gelungen ist – und wann war Ihnen bewusst, dass die Serie mehr als nur ein Erfolg sein würde?

Tom Spiess: Friederich und ich hatten im kreativen Prozess – bei der Drehbucharbeit, bei der Besetzung, im Schneideraum ganz besonders mit dem tollen Schnitt von Renata Salazar-Ivancan und Christoph Cepok sowie der wunderbaren Musik von Gustavo Santaolalla – bereits den Eindruck, dass „Liebes Kind“ im deutschsprachigen Raum gut funktionieren würde. Natürlich haben wir auch mitbekommen, wie außerordentlich gut die Arbeit der Regisseur:innen und Autor:innen Isabel Kleefeld und Julian Pörksen war . Die Serie stellt fortwährend Fragen, gibt späte Antworten, es ist ein nicht abreißender Bogen an Spannung. Nach dem Launch der Serie sind wir ziemlich schnell in die Netflix-Top Ten hochgeschossen. Es war kein Sleeper-Erfolg, der sich erst entwickelte, das hat sich schnell in den weltweiten Zahlen gezeigt. Wir waren in mehr als 90 Ländern in der Top Ten, und in vielen davon auch auf Platz 1. Das für mich verrückteste Erlebnis war eine Zugfahrt: Ich hatte mir etwas zu Essen geholt und ging durch den Waggon, und alle saßen um 20 Uhr abends vor ihren iPads und Handys und guckten „Liebes Kind“. Das war eine übernatürliche Erfahrung: Wow, dachte ich. Das haben wir doch gemacht, das kann doch gar nicht sein, dass sich das jetzt alle ansehen. In dem Moment habe ich den Erfolg von „Liebes Kind“ verstanden.

Friederich Oetker: Ich bin dankbar dafür, mit welch großem Marketingaufwand und mit wie viel Verständnis für die Materie „Liebes Kind“ von Netflix international platziert wurde. Da spürte man schon: Die stehen hinter der Serie, sie haben Vertrauen. Toms Zugerlebnis war bei mir, dass ich am Starttag, dem 7. September vergangenen Jahres, ausnahmsweise schon einmal früh schlafen gegangen bin. Als ich am Morgen aufgewacht bin, quoll mein Whatsapp über vor Meldungen und Nachrichten. Ich habe eineinhalb Stunden gebraucht, um überhaupt nur einen Überblick zu bekommen, wer sich da alles gemeldet hatte, viele fremde Nummern ohne Namen. Das war ein surreales Gefühl.

Hinterher sind alle Experten und haben immer schon gewusst, warum ein Titel funktioniert hat. Aber lässt sich denn mit einem Jahr Abstand sagen, was die Gründe für diesen Welterfolg waren – der ja einfach nicht abreißt?

Friederich Oetker: Es waren einfach einige sehr begabte Menschen involviert. Das ist zunächst Romy Hausmann, die Autorin des Romans und Urheberin der Geschichte. Sie hat einen mitreißenden Thriller geschrieben. Die von Tom bereits erwähnten Isabel Kleefeld und Julian Pörksen sind sensationelle Autor:innen und Regisseur:innen. Tom ist ein fabelhafter Produzent und ein exzellenter dramaturgischer Sparringspartner. Da gab es viele Zutaten, die in der Summe noch einmal mehr ergaben, als es die Einzelteile bereits erhoffen ließen. Dazu muss man sagen, dass das Thema universell ist und die Menschen über alle Grenzen und Kulturkreise hinweg anspricht: Bedrohung der Familie – das trifft einen Nerv. Und es ist ein brillantes Whodunnit: Jeder rät und rätselt gern. Es gab einfach ein paar gute Zutaten, die vor allem in der Abstimmung hervorragend gewirkt haben.

„Wir konnten aus dem Vollen schöpfen, auch gegenüber Netflix. Wir mussten keine Abstriche machen, keine Konzessionen. Die beste Idee hat sich durchgesetzt.“

Tom Spiess: Ich glaube auch, dass das Kleeblatt Kleefeld, Pörksen, Oetker und Spieß außerordentlich gut funktioniert hat. Es kommt dazu, dass Isabel und wir mit den Head of Departments bereits zusammengearbeitet und gedreht haben, mit denen Isabel zum Teil schon mehrfach gearbeitet hatte: Martin Langer und Alexander Fischerkoesen als Bildgestalter sowie Cordula Jedamski als Szenenbildnerin, um diese beiden einmal herauszustellen – aber genauso die Editoren, sowie die Maskenbildnerinnen und wie bereits erwähnt Schnitt und Musik. Wir hatten eine gute Vorbereitungszeit, um alles ideal abzustimmen. Uns war immer klar, was wir wann wie erzählen wollten, als es an den Dreh ging. Und das eben auch in der Zusammenarbeit mit Netflix, mit Lisa Kreimeyer. Die Kommunikation untereinander war sehr wertvoll und fokussiert. Was wollen wir erzählen? Wie wollen wir es erzählen? Wie finden wir den Look & Feel? Wie gehen wir die Besetzung an? Sabine Schwedhelm hat als Casterin einen tollen Job gemacht. Unsere Spieler:innen sind international nicht wirklich bekannt. Aber sie waren genau die Richtigen. Es hat vieles gepasst.

Friederich Oetker: Wir konnten aus dem Vollen schöpfen, auch gegenüber Netflix. Wir mussten keine Abstriche machen, keine Konzessionen. Die beste Idee hat sich durchgesetzt. Gerade beim Casting war das so. Es wurde nicht nach großen Namen geschielt, sondern nach der bestmöglichen Besetzung der jeweiligen Rolle. Das Schöne war, dass wir die Zeit hatten, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Nichts wurde übers Knie gebrochen. Kim Riedle, Haley Louise Jones, Hans Löw und natürlich unsere wunderbare Kinderdarstellerin Naila Schubert – alle von ihnen waren ein Geschenk. Und was ich unbedingt noch hervorheben will, was die Zusammenarbeit so besonders gemacht hat: die schiere Reaktionszeit des Partners Netflix. Die redaktionellen Anmerkungen hatten Hand und Fuß, brachten uns eigentlich immer weiter. Und es wurden einfach immer nur Entscheidungen FÜR das Projekt getroffen. Das war eine wunderbare Erfahrung.

Tom Spiess: Gleichwohl wird professionell verhandelt über Budgets, über Drehzeiten, über die Rahmenbedingungen. Es gibt dabei immer das Verständnis für die Bedürfnisse einer Produktion, was es braucht, ökonomisch das abzubilden, was kreativ entschieden ist und im Buch steht. Es herrscht ein klares Bekenntnis, so gut wie möglich zu erzählen. Wenn wir uns für einen Stoff entschieden haben, dann werden wir auch alles tun, ihn bestmöglich umzusetzen.

Friederich Oetker: Man hatte immer auch im Blick, dass wir 55 Drehtage mit Kindern hatten, was die Anforderungen an einen Dreh noch einmal komplett verändern. Kinder lassen sich nicht hetzen. Deshalb braucht man eine entsprechende Zeit und damit auch ein ausreichendes Budget, um den Kindern am Set die nötige Sicherheit und Freiheit zu geben. Isabel, Julian und Tom waren immer darauf bedacht, unsere Kinderdarsteller:innen zu schützen. Das Kindeswohl stand über allem. Beim Dreh natürlich, aber auch, was die Drehbücher betraf, die für die Kinder entsprechend abgeändert wurden. Wenn man einen Jungen mit einer Leiche in einem Zimmer sieht, dann hat man erst das eine und dann das andere gedreht. Das war uns wichtig.

Kann man jetzt schon abschätzen, was dieser Erfolg verändert hat?

Tom Spiess: Zunächst hat mich dieser Erfolg enorm gefreut und mit großer Zufriedenheit erfüllt. Ich habe mich mit und für alle anderen gefreut, mit und für das angesprochene Kleeblatt, mit und für alle Beteiligten aus dem Team und dem Cast. Wir hatten eine Whatsapp-Gruppe mit allen, die förmlich überquoll – eine ehrliche, herzliche Freude darüber, was uns da allen passiert ist. Es hat mir noch einmal vor Augen geführt, was für einen guten Dreh wir hatten. Wie Friederich gerade schon gesagt hat, stand das ganze Projekt in allen Phasen unter einem enorm guten Stern. Das Karma war gut. Vielleicht kommt das dann auch zurück.

„Man hat jetzt eine internationale Referenz, auch in den USA. Wenn man jetzt anruft, wird nicht gleich wieder aufgelegt.“

Friederich Oetker: Man hat jetzt eine internationale Referenz, auch in den USA, an einem Projekt gearbeitet zu haben, das dort bei Netflix auf Nummer eins ging. Wenn man jetzt anruft, wird nicht gleich wieder aufgelegt.

Wann geht die Reise los nach New York? Was steht neben dem großen Gala-Event auf dem Programm?

Tom Spiess: Es ist ein großes Prozedere! Ich bin zum ersten Mal zu dieser Veranstaltung eingeladen und gebe mich dem Ganzen jetzt einfach einmal hin. Ich mache alles mit! Von den Opening-Cocktails über die Zeremonie, bei der die Medaillen für die Nominierten überreicht werden, und ein Panel, das Friederich bestreiten wird, hin zur eigentlichen Preisverleihung am Abend des 25. November.

Friederich Oetker: Ich freue mich darauf, die anderen Nominierten kennenzulernen – ein Klassentreffen mit Menschen aus der ganzen Welt, die man im Zweifelsfall noch nicht kennt, aus Südafrika, UK und Frankreich. Für uns alle ist das wahnsinnig aufregend – und die Einladung allein schon ein Gewinn, den wir uns nie hätten träumen lassen.

Das Gespräch führte Thomas Schultze.