Neu in den deutschen Kinos läuft das sublime Road Movie „Arthur & Diana“, bei dem die Berliner Filmemacherin Sara Summa nicht nur Regie führte, sondern auch selbst vor der Kamera steht. Summa ist für den heutigen First Steps Award nominiert. Im Interview klingen die Dreharbeiten an sich schon wie ein wunderschönes Abenteuer.
Neu in den deutschen Kinos läuft das sublime Road Movie „Arthur & Diana“, bei dem die Berliner Filmemacherin Sara Summa nicht nur Regie führte, sondern auch selbst vor der Kamera steht. Im Interview klingen die Dreharbeiten an sich schon wie ein wunderschönes Abenteuer. Der Film, der schon einige Festivalpreise gewann, ist bei der heutigen Preisverleihung des First Steps Award als Bester abendfüllender Spielfilm nominiert.
In ihrem neuen Film „Arthur & Diana“ spielen Sie selbst die Hauptrolle. Die weiteren tragenden Rollen sind Ihr Bruder und Ihr Kind, die sich allesamt gemeinsam auf einen Roadtrip durch Europa begeben und sich dabei selbst spielen. Wie kam es zu dieser Konstellation?
Sara Summa: Bei mir beginnen Filmprojekte häufig mit Bildern. Mir schießt ein Bild in den Kopf, das ich anfangs gar nicht so ernst nehme. Aber wenn es länger bleibt und zu sagen scheint: Ja, ich will ein Film werden. Dann muss ich mir das genauer anschauen. Hier gab es das Bild von mir und meinem Bruder, das schon sehr dynamisch war und ich fast in Bewegung sah. Da steckt Leben drin, dachte ich. Gleichzeitig wusste ich, dass das Ganze eine Fiktion ist und dass das auf dem Bild nicht wirklich wir, sondern Figuren sind. Wie wäre es, wenn man daraus ein Performative Art Experiment macht und sich selbst inszeniert, überlegte ich mir. Normalerweise spiele ich nicht so gerne bei meinen eigenen Filmprojekten mit. Zu diesem Zeitpunkt war aber mein Sohn Lupo schon ein riesiger Teil meines Lebens. Er ist mein Ein und Alles. Und auch als Filmemacherin weiß ich: Der nächste Film ist ebenso dein Ein und Alles. Diese beiden Aspekte musste ich bei „Arthur & Diana“ zusammenbringen. Das ergab dann auch viel Sinn, weil es in dem Film viel um Kindheit, Familie und die Vermischung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft geht. Auch wenn der Film eine Fiktion und keine Autobiografie ist, arbeitet man trotzdem mit dem eigenen Material. Und mein Material war zu diesem Zeitpunkt einfach, dass ich vor Kurzem Mutter geworden war und so viele Themen als Frau in der Welt miterzählen konnte. Die Idee, Lupo in den Film zu integrieren, floss natürlich in das ursprüngliche Bild mit meinem Bruder. Die Dynamiken und Spannungen innerhalb der Familie in einer Fiktion zu untersuchen, wurde das Konzept. Es sind nicht unsere realen Familienkonflikte. Alle anderen Figuren wurden auch von Schauspielern dargestellt. Aber auf dieses Experiment hatte ich Lust.
„Man muss sich dabei auch ein bisschen schwach machen, um von sich auch etwas Besonderes in der Rolle geben zu können, damit es nicht nur eine Fassade bleibt.“
Sara Summa
Eigentlich hilft es in der Kunst doch, wenn man zu seinem Thema eine gewisse Distanz besitzt, um auch aus verschiedenen Blickwinkeln darauf zu blicken. Das war in Ihrem filmischen Experiment nicht mehr gegeben. Zumal Sie selbst auch noch vor der Kamera agierten.
Sara Summa: Das war ehrlich gesagt auch die Idee, sich damit selbst herauszufordern: Gleichzeitig Regie zu führen, vor der Kamera zu stehen, Mutter und Schwester zu sein. Ich und mein Bruder haben früher schon professionelle Schauspielerfahrungen gesammelt. Unser Vater war Theaterregisseur. So hatten wir schon seit der Kindheit viel mit Theater und Film zu tun. Aber weder mein Bruder noch ich beabsichtigen damit eine Karriere, machen es aber gelegentlich sehr gerne. Man muss sich dabei auch ein bisschen schwach machen, um von sich auch etwas Besonderes in der Rolle geben zu können, damit es nicht nur eine Fassade bleibt. Das war eine große Herausforderung. Gleichzeitig kommt man auf diese Weise auch zu einer Universalität, wenn man intime Dinge und Details erzählt und dabei untersucht. Ich habe den Film dieses Mal größtenteils allein geschnitten. Das war eine interessante Erfahrung, weil ich mit den Bildern von mir selbst, aber auch der Familie konfrontiert war und sie in eine Struktur bringen musste. Aber ich habe alle Prozesse mit großer Freude gemacht, obwohl es nicht immer einfach war.
Wegen der so lebendigen und warmen Bilder von „Arthur & Diana“ entsteht für das Publikum der Eindruck, dass man beim Schauen quasi selbst mit der eigenen Familie nochmal in den Sommerurlaub fährt. Wie entstand diese Ästhetik?
Sara Summa: Das war eine spannende Mischung an Formaten und Kameras. Da muss ich mich bei meinem Kameramann Faraz Fesharaki bedanken, weil er so experimentierfreudig ist. Wir haben lange darüber nachgedacht, wie man diesen Film mit der Kamera einfangen soll, weil wir einen bestimmten Look haben wollten. Das Bild sollte unser filmisches Experiment vor der Kamera in der Ästhetik miterzählen. Faraz Fesharaki schlug vor, mit alten Videokameras aus den 1990er-Jahren Tests zu machen. Gleichzeitig sind wir beide aber auch verliebt in analoges Filmmaterial und wollten auf 16mm drehen. Aus mehreren Gründen war das nicht für den gesamten Film möglich, weil wir auch nur mit einem kleinen Budget drehten und beim Dreh viele Freiheiten haben wollten. Mit 16mm ist man dahingehend begrenzter. Die Idee war dann, alles mit Camcordern zu filmen, deren Bilder wir dann aber auf 16mm kopiert haben. Der gesamte Film ist auf 16mm belichtet worden. Aber die Ausgangsbilder entstanden mit alten Videokameras von Anfang der 1990er-Jahre, die damals viel für das Fernsehen benutzt wurden. Wir hatten aber auch eine Mini-DV, die fast HD-Bild hatte. Und wir drehten auch auf 16mm. Alles wurde am Ende ausbelichtet und mehrmals mit Farbkorrekturen und in verschiedensten Arten der Postproduktion bearbeitet. Die Idee an sich war gefährlich, weil die Kameras so alt sind und teils Eigenschaften haben, die sich nicht für diesen Dreh eigneten. Ein paar Kameras gingen beim Dreh auch kaputt. Am Anfang waren die Kameramodelle auch gar nicht so leicht zu finden, weil sie nicht einfach so zu mieten oder zu kaufen waren. Insgesamt drehten wir etwa sechs Wochen bei 26 bis 27 richtigen Drehtagen. Wir bewegten uns über drei Länder mit der ganzen Crew hinweg. Das war an sich schon eine abenteuerliche Reise.
„Das Leben ist auf eine Weise ebenso eine Fiktion.“
Sara Summa
Sie bewegen sich gerne an der Schnittstelle zwischen Dokumentation und Fiction. Das war schon bei Ihrem Debütfilm „The Last to See Them“ so, als man einer Familie beim Alltag zuschaute, bis am Ende des Films das Auto der Killer vor der Tür hielt. Ist das ein Raum, in dem Sie besser wahrhaftigere Momente über die Welt finden können?
Sara Summa: Tatsächlich interessiert mich das sehr. Ich werde damit auch in den kommenden Projekten weitermachen. Diese feine Linie zwischen Realität und Fiktion finde ich spannend. Für mich hat das Kino alles mit dem Leben zu tun. Trotzdem bin ich keine dokumentarische Filmemacherin. Meine Instinkte sehnen sich nach Fiktion, aber eigentlich will ich das Leben so nah wie möglich erzählen. Das interessiert mich generell im Kino – auch bei anderen Filmemachern. Wenn ich merke: Da ist eine ästhetische Spannung, die wirklich etwas trifft. Das Leben ist auf eine Weise ebenso eine Fiktion. Mein Debütfilm und der jetzige Film sind schon sehr unterschiedlich. Aber gleichzeitig haben sie Ähnlichkeiten in der Herangehensweise. Bei „The Last to See Them“ arbeitete ich mit Laiendarstellern. Es gab die wahre Begebenheit, die ich dann aber komplett fiktionalisierte. Etwas, was wirklich passierte, neu zu schreiben. Das sind die Dinge, die mich bewegen, Filme zu machen – nicht ein Thema oder eine Geschichte.
In welcher Tradition sehen Sie sich selbst? Von zeitgenössischen Filmemachern würden einem sofort Guillaume Brac einfallen, weil der auch an dieser Schnittstelle zwischen Dokumentar- und Spielfilm arbeitet. Alice Rohrwacher und Mikhaël Hers kommen einem in den Sinn. Da könnte man eigentlich aus Ihnen eine eigene kleine Welle machen.
Sara Summa: Alle die genannten Filmemacher liebe ich und bin begeistert von ihrer Arbeit. Ich habe nie darüber nachgedacht, ob ich Teil von solch einer Bewegung bin. Aber wenn ich arbeite, muss ich öfter auch an ältere Filmemacherinnen und Filmemacher denken. Meine Referenzen liegen häufig in der Vergangenheit. Dann denke ich: Ich bin eine so alte Seele! Mir fallen immer John Cassavetes, Michelangelo Antonioni oder Eric Rohmer ein. Aber da gibt es viele, die man weiter nennen könnte.
Könnte es Sie auch mal reizen, mehr im Mainstream oder bei einer Studioproduktion zu arbeiten, wenn Ihnen zum Beispiel die ARD oder das ZDF Carte blanche geben würden? Matthias Glasner bringt zum Beispiel demnächst seine neue Crime-Serie „Informant“ mit Jürgen Vogel heraus.
Sara Summa: Das ist eine spannende Frage. Aber noch gab es solche Angebote nicht. Aber ich glaube, zumindest um es ausprobiert zu haben, könnte ich mir das unter bestimmten Bedingungen vorstellen. Ich habe generell extrem viel Spaß, am Set zu sein, zu drehen und dabei mit Menschen zu arbeiten. Das kann man auch gut in anderen Rahmenbedingungen machen und dort Dinge untersuchen, die man selbst spannend findet.
Wissen Sie schon, was Ihr nächstes Projekt wird?
Sara Summa: Ich entwickele gerade zwei neue, recht unterschiedliche Projekte. Das eine etwas weiterentwickelte Projekt hat bereits ein Drehbuch. Das ist eine Art Musical, in dem aber nur mit direkten Tonaufnahmen gearbeitet werden soll: eine tragische Liebesgeschichte vor dem Hintergrund einer sozialen Krise. Die Geschichte spielt in einer kleinen Ortschaft in einer verschneiten Landschaft mit einem gefrorenen See. Die musikalischen Szenen entstehen aus den Dialogen. Es ist kein klassisches Musical. Letztlich geht es um Arbeitslosigkeit.
Das Interview führte Michael Müller