Gemeinsam mit Europa Cinemas haben der internationale Arthouse-Verband CICAE und der europäische Dachverband UNIC eine Studie vorgelegt, die ein Schlaglicht auf die wesentliche Rolle des Kinos bei der Sichtbarmachung diverser Filme und Perspektiven sowie jene für lokale Gemeinschaften wirft. Und die nicht ganz nebenbei auch eine optimistische Prognose abgibt.
Mit der Studie „Box Office and Beyond: the Cultural, Social and Economic Impact of Cinema“ haben der internationale Arthouse-Verband CICAE, der europäische Dachverband UNIC und Europa Cinemas eine neue Studie vorgelegt, die vor allem als Handreichung für die Politik (insbesondere auch jene auf europäischer Ebene) gedacht ist. Eine Studie, die die Rolle der Kinos bei der Sichtbarmachung diverser Filme und Perspektiven, der Unterstützung lokaler Communities und der Stärkung sozialer Verbundenheit untersucht – und die zu einem klaren Ergebnis kommt.
Nach Angaben der Verbände zeigt der Report auf, „wie Kinos europaweit eine zentrale kulturelle und soziale Rolle einnehmen, Nachbarschaften bereichern und insgesamt das Ökosystem ‘Film‘ vorantreiben“. Darüber hinaus wirft er ein Schlaglicht auf das Kino als zentralem wirtschaftlichen Faktor innerhalb der europäischen Medienwirtschaft mit rund 40.000 Leinwänden in 12.300 Kinos. Alleine in den großen europäischen Ländern Frankreich, Deutschland, Spanien, Italien und dem Vereinigten Königreich seien 2023 insgesamt fast 100.000 Menschen in Kinos beschäftigt gewesen. In Deutschland waren es demnach rund 25.000 (wobei etwa 15.000 zu den geringfügig Beschäftigten zählten).
Zur kompletten Studie von Omdia
Dass die Studie auch mit sehr guten Zahlen zur Erholung der Pandemie glänzen kann, ist allerdings auch dem untersuchten Zeitraum geschuldet – denn Basis der Untersuchung waren die Kinobilanzen aus dem Vorjahr. Zu den hervorgehobenen Highlights zählen unter anderem die 87 Prozent der irischen Kinogänger, die schon 2023 den Weg zurück in die Kinos gefunden hatten. Oder vor allem das Jahres(umsatz)ergebnis aus den Niederlanden, das im vergangenen Jahr bei 104,6 Prozent des vorpandemischen Schnitts der Jahre 2017 bis 2019 lag. Tatsächlich kann der Report für 2023 – ein Jahr, in dem über den gesamten Kontinent hinweg wieder rund 80 Prozent des Boxoffice-Niveaus aus dem Rekordjahr 2019 erreicht waren – eine ganze Reihe an Ländern nennen, die sich den Durchschnittsergebnissen aus dem Drei-Jahres-Zeitraum vor der Pandemie zumindest bis auf Schlagdistanz (weniger als fünf Prozent Minus) angenähert hätten; darunter Österreich, Belgien, Finnland oder Frankreich.
Unterdessen blendet die Studie Herausforderungen der jüngeren Vergangenheit keineswegs aus – so werden unter anderem jene durch gestiegene Energiepreise (und ganz allgemein Lebenshaltungskosten) und lückenhafte Versorgung (vor allem aufgrund der letztjährigen Streiks) klar benannt. Dennoch stellt Studienautor David Hancock fest, dass sämtliche Märkte laut Omdia-Prognose bis 2025/2026 wieder an vorpandemische Ergebnisse angeknüpft haben werden.
In seiner Analyse geht Hancock nicht zuletzt auf eine Studie des BFI aus dem November 2023 ein, die den Kinos nicht nur große wirtschaftlich Strahlkraft auf die direkte Umgebung zuschreibt, sondern auch den Versuch unternimmt, den gesellschaftlichen Wert in eine Zahl zu fassen. Festgemacht an der Frage, wie viel Menschen bereit wären, abseits einer eigentlichen Kinonutzung zu bezahlen, nur damit ein Standort tatsächlich ein Kino bleibt und keine Nutzungsänderung erfährt, kam man auf einen Mittelwert von gut 19 Pfund – woraus in der BFI-Studie ein jährlicher Durchschnittswert von 600.000 Pfund pro Jahr errechnet wurde. Schon zuvor gab es Studien, die sich mit wirtschaftlichen Effekten auf die Nachbarschaft beschäftigen. Hancock zieht als Beispiel eine Vertigo-Studie heran, die 2018/2019 für Cinedata in Belgien erstellt wurde – und der zufolge 33,5 Prozent der Kinogäste den Filmbesuch mit einer anderen Freizeitaktivität (angeführt von Bars und Restaurants) kombinieren würden.
Laut Hancock hätten die Studios nach einer „nie dagewesenen“ Disruption der Medienchronologie während der Pandemie den Wert des Kinos wieder erkannt. Während das Marktumfeld bei den nachgelagerten Verwertungsstufen so komplex wie nie zuvor sei, nehme das Kino auch in der Medienwirtschaft der Zukunft einen zentralen Platz ein – aufgrund von Einfachheit, Transparenz und Wirkung. Die Art der Inhalte und die Sehgewohnheiten könnten sich aufgrund äußerer Einflüsse ändern und anpassen, aber das Herzstück des Kinosektors bleibe der soziale Charakter des Seherlebnisses und die Vielfalt der kuratierten Auswahl auf der Leinwand. „Das Herzstück des Erfolgs der Kinos ist das Erlebnis und der kulturelle, soziale und wirtschaftliche Wert, den sie bieten. Diese Grundprinzipien haben die letzten hundert Jahre des Kinos bestimmt und werden auch die nächsten hundert Jahre bestimmen“, so der Omdia-Chefanalyst.
„Diese gemeinsame Studie verdeutlicht einmal mehr die Vielfalt der Kinolandschaft und ihre zentrale Rolle für die kulturelle Vielfalt und die Gesundheit des audiovisuellen Ökosystems. In ihren lokalen Gemeinschaften und für den globalen audiovisuellen Sektor insgesamt bleiben Kinos mit Haltung und inhaltlicher Mission zentrale wirtschaftliche, kulturelle und soziale Knotenpunkte, die für die Bewahrung unseres reichen kulturellen Erbes, die Förderung von Talenten und die Unterstützung der Kreativwirtschaft von wesentlicher Bedeutung sind. Sie sind die letzte Meile für jeden Film, und erreichen nicht nur ihr vielschichtiges Publikum, sondern bauen eine nachhaltige Verbindung zu ihm auf“, erläutert CICAE-Präsident Christian Bräuer.
UNIC-CEO Laura Houlgatte stellt fest: „Dieser gemeinsame Bericht zeigt auf, was die europäischen Kinos so besonders und einzigartig macht. In einer unglaublich vielfältigen Kinolandschaft, die von Multiplexkinos bis hin zu Einzelkinos, von kommunalen Kinos bis hin zu unabhängigen Kinos reicht, bemühen sich alle ständig um Innovation und bieten dem Publikum das Beste. Als geschätzte Zentren der Gemeinschaft und der Kultur treiben die europäischen Kinos auch die lokale Wirtschaft an und bieten Arbeitsplätze vor Ort. Wir möchten die neuen Mitglieder des Europäischen Parlaments willkommen heißen und hoffen, dass sie die Kinos dabei unterstützen werden, weiterhin das zu tun, was sie am besten können – großartige Geschichten auf die große Leinwand zu bringen und magische Erinnerungen zu schaffen.“
Und Europa-Cinemas-CEO Fatima Djoumer ergänzt: „Europa Cinemas freut sich sehr, diese Studie in enger Zusammenarbeit mit UNIC und CICAE erstellt zu haben, um eine Bestandsaufnahme des Kinosektors nach dem Ausbruch von COVID vorzunehmen. Es zeigt sich, dass die Kinos lebendiger sind als je zuvor! Die Filmtheater spielen eine Schlüsselrolle bei der Verbreitung europäischer Filme und der Entdeckung neuer Regisseure und Talente. Sie sind ein wesentliches Glied in der Wertschöpfungskette des Films, und in einer mehr denn je von Wettbewerb geprägten Welt der Angebote und Märkte gibt es in ganz Europa, in großen und kleinen Städten, eine wachsende Filmkultur. Innovation ist das Herzstück der Arbeit der Kinobetreiber. Sie haben die veränderten Sehgewohnheiten erkannt und sich darauf eingestellt, um ein neues und vielfältiges Publikum und neue Gemeinschaften anzusprechen. Junge Leute wollen Filme im Kino sehen!“