Zweite Fortsetzung des Komödienhits „Der Vorname“, in der sich die Familie Berger-Böttcher zu einer Hochzeit in den Tiroler Alpen trifft.
FAST FACTS:
• Dritter Teil von Sönke Wortmanns erfolgreicher Gesellschaftskomödienreihe
• „Der Vorname“ (2018): 1,2 Mio. Tickets, „Der Nachname“ (2022): 860.000 Tickets
• Drehbuch erneut von Comedy-Profi Claudius Pläging (zuletzt „Perfekt Verpasst“, „Spieleabend“)
• Wiedervereinigung des All-Star-Casts um Christoph Maria Herbst, Janina Uhse, Florian David Fitz, Caroline Peters, Iris Berben und Justus von Dohnányi
• Produktion von Constantin Film in Koproduktion mit der österreichischen epo-film
• Wie die Vorgängerfilme feiert auch dieser Teil der Reihe seine Weltpremiere beim Zürich Filmfestival
CREDITS:
Land/Jahr: Deutschland 2024; Laufzeit: 90 Minuten; Drehbuch: Claudius Pläging; Regie: Sönke Wortmann; Besetzung: Iris Berben, Christoph Maria Herbst, Florian David Fitz, Caroline Peters, Justus von Dohnányi, Janina Uhse, Kya-Celina Barucki, Jona Volkmann; Verleih: Constantin Film; Start: 19. Dezember 2024
REVIEW:
Paolo Contes Klassiker „Via Con Me“ ist so ein Song, auf den sich alle einigen können, melancholisch, heiter, jazzig, beschwingt, mit einem tiefgründigen Text, trotzdem gefällig, ein Stück, das immer geht. Eigentlich kann man es nicht mehr hören, es tut aber auch niemandem weh. So ähnlich verhält es sich mit den Streitereien der Familie Berger-Böttcher, die sich schon in den ersten beiden Teilen von Sönke Wortmanns Gesellschaftssatire an allen möglichen Themen des Zeitgeists aufgerieben und damit mitten ins Herz des belesenen Publikums getroffen haben. Alles dreht sich um die geschliffenen Wortgefechte und messerscharfen Pointen, die sich ein tolles, spielfreudiges All-Star-Ensemble in Endlosschleife liefert. Ein vergnügliches Spiel mit Klischees und menschlichen Schwächen, in dem Geschlechter und Konflikttypen aufeinanderprallen, um jede populäre und unpopuläre Meinung zu vertreten und all das auszusprechen, was sich der Zuschauer selbst nicht zu sagen traut, aus reiner Lust am Zanken und Rechthaben, Familienzwist als Spiegel der Gesellschaft und Politik. Am Ende jedes Films liegen nach vielen Wendungen und Quid Pro Quos alle Karten auf dem Tisch, sind die Gemüter wieder beruhigt, die Gemeinheiten unter den Teppich gekehrt, damit ein neues Kapitel der Familiengeschichte aufschlagen werden kann.
Das klappte bereits mit großem Erfolg in „Der Vorname“, dessen Drehbuch auf einem französischen Kinofilm beruhte, der wiederum die Adaption eines Bühnenstücks war, und in dem man sich beim Abendessen im Bonner Wohnzimmer darüber stritt, ob man sein Kind Adolf nennen darf. Fast ebenso funktionierte das Prinzip in „Der Nachname“ nach einem Originalskript von Claudius Pläging, der die Protagonisten in ein Ferienhaus auf Lanzarote versetzte und die Namensänderung nach einer Heirat zum Politikum machte. Auch „Der Spitzname“ folgt dem bewährten Muster, mit dem gleichen Cast, der gleichen Crew – und mit „Via Con Me“ im Hintergrund. Wieder gibt es ein Familientreffen, diesmal in den Tiroler Alpen, und die ein oder andere Location („die perfekte Kulisse für eine Traumhochzeit!“) mag der Tatsache geschuldet sein, dass der Film von der österreichischen epo-Film koproduziert wurde. Für alle, die die Geschichte nicht kennen oder sich nicht mehr erinnern können, gibt es wie üblich eine Zusammenfassung der Ereignisse der nunmehr letzten sechs Jahre. Das Vorwort spricht der in den Ruhestand zwangsversetzte Literaturprofessor Stephan Berger (Christoph Maria Herbst in seiner Paraderolle), der gleich darauf aus einem Sessellift fällt und fortan auf Krücken durch das Luxushotel hinkt, in dem die Hochzeit seines Schwagers Thomas (Florian David Fitz) und der Schauspielerin Anna (Janina Uhse) stattfinden soll.
Anna ist nach ihrer Rolle als Prostituierte in dem Film „Leander Haußmanns Partynight“ überraschend zum Star geworden, Thomas steht kurz vor der Beförderung in den Vorstand des Immobilienkonzerns, für den er weiterhin arbeitet, muss dafür aber erst ein Sensibility-Coaching absolvieren. Das hätte wohl auch Stephan gebraucht, bevor er als Dozent gecancelt wurde, es gab da einen Vorfall an der Universität. Nun arbeitet er an einem eigenen Roman, behauptet er zumindest, während seine Frau Elisabeth (Caroline Peters) neben ihrer Tätigkeit als Lehrerin die Haushaltskasse heimlich durch den Handel mit Bitcoins aufbessert. Elisabeths Mutter Dorothea König ehemals Böttcher (Iris Berben) und ihr neuer Mann/Adoptivsohn René (Justus von Dohnányi) sind dank der lesbischen Leihmutter/unehelichen Tochter von Dorotheas verstorbenem Ehemann Eltern von Zwillingen geworden, und René hat sich zu einem anstrengenden Helikopter-Vater entwickelt, es ist kompliziert, Shakespeare hätte seine wahre Freude.
Kaum hat sich die Familie auf der verschneiten Dachterrasse versammelt, wird die erste Streitlawine losgetreten: Thomas hat seiner Tochter Paula den Spitznamen „Paulchen“ verpasst, im Gender-Zeitalter Grund genug für ausufernden Proteste. Das Problem führt aber auch schnell zu der Frage, ob es nicht größere Probleme auf der Welt gibt, und zu einer Demonstration von Whataboutismus, die sich etwas dämpfend auf die Gemüter, das Gag-Tempo und das Timing auswirkt. Es ist immer noch höchst amüsant, dabei zuzusehen wie sich alle gegenseitig auf die Palme bringen. Letztlich scheint es bei den Querelen aber weniger um Paulas Pronomen zu gehen, als darum, dass man so langsam die Lust am Streiten verliert, daran, Stephan Steilvorlagen zu liefern, damit er mit seinen perfekt artikulierten Spitzfindigkeiten jeden sprachlichen oder inhaltlichen Fehler korrigieren kann. Nachdem er bereits von der Uni geflogen ist und an Krücken geht, wird er nun auch noch von seinen eigenen Kindern belehrt und in die Schranken verwiesen. Die waren in den ersten beiden Filmen nur Gesprächsthema, wegen ihrer literarischen Vornamen und der Ausbildung an einer Privatschule in England. Jetzt glänzen Cajus (Jona Volkmann) und Antigone (Kya-Celina Barucki) erstmals mit Anwesenheit, um als woke Gen-Z-Neuzugänge auch ein jüngeres Publikum anzusprechen.
Mehr Figuren, mehr Konflikte, mehr Ortswechsel: An die Prägnanz und Pointierung von „Der Vorname“ kam schon der zweite Teil nicht heran, auch in „Der Spitzname“ werden Inhalte eher ausgebreitet statt vertieft. Man ist fast ein wenig erleichtert, dass sich nicht auch noch Annas Eltern einmischen, nachdem sie auf dem Weg zur Hochzeit irgendwie aufgehalten wurden. Ach ja, die Hochzeit: Am Ende droht sogar die Eheschließung gecancelt zu werden, unter anderem, weil Thomas im Wellnessbereich des Hotels Penisfotos verschickt, aus Gründen, die ein wenig so klingen, als wollte man wirklich jedes Stichwort zur Genderdebatte unterbringen (oder als hätte die kostenlose Version der KI diesen Part der Geschichte geschrieben, wie es Stephan sagen würde). Immerhin folgt darauf und nach weiteren dramatischen Turbulenzen die Erkenntnis, dass die Familie nicht nur durch Streitereien, sondern vor allem durch gegenseitiges Vertrauen zusammengehalten wird, was ein wunderbar versöhnlicher Abschluss einer Trilogie sein könnte. Andererseits weiß man hier nie so genau, ob das letzte Wort schon gesprochen ist – das haben dann vielleicht die Kinobesucher:innen, die hier genau bekommen, was sie sich erwarten: geschliffene Unterhaltung mit Gediegensheitgrad A.
Corinna Götz