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REVIEW TV: „The Next Level“


Sechsteilige Miniserie mit Lisa Vicari als ehrgeizige Reporterin auf der Spur eines mysteriösen Todesfalls in einem berühmt-berüchtigten Berliner Techno-Club.

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„The Next Level“ (Credit: ARD Degeto / HR / rbb / NDR / LETTERBOX FILMPRODUKTION / REAL FILM Berlin)

CREDITS: 
Land/Jahr: Deutschland 2024; Laufzeit: 6×45 Minuten; Produzenten: Lisa Blumenberg, Benedict Brandt, Marco Mehlitz; Redaktion ARD Degeto: Carolin Haasis, Christoph Pellander, Trevor Vorjohann; Redaktion: Jörg Himstedt (hr), Kerstin Freels (rbb), Karsten Willutzki (NDR); Regie: Pia Strietmann, Julia Langhof; Drehbuch: Alexander Osang; Besetzung: Lisa Vicari, Ben Lloyd-Hughes, Jens Harzer, Jenny Walser, Paula Kober, Jerry Hoffmann, Kailas Mahadevan, Krzysztof Pieczyńsi, Michael Winterstein, Thorsten Merten u.a; ab 24. Januar 2025 in der ARD Mediathek; 31. Januar im Ersten

REVIEW:
„Die Geschichte ist so gut, dass es keine Geschichte ist. Manche Stoffe sind so irre, dass man sie nicht aufschreiben kann.“ Das sagt die ehrgeizige Reporterin Rosa Bernhard in „The Next Level“, der neuen sechsteiligen Miniserie der ARD, als sie durch Zufall von dem Tod einer jungen Amerikanerin im berühmt-berüchtigten Berliner Techno-Club Reaktor erfährt. Alexander Osang hat es dennoch getan, das Aufschreiben. Zum Glück. Und diese Geschichte sechs Jahre nach seiner langen Reportage im Spiegel, für den der renommierte Journalist regelmäßig schreibt, sogar als Creator in Drehbuchform gebracht – mit dramaturgischer Überarbeitung von Ipek Zübert und Thomas Gerhold. Osang begann seine Karriere bei der Berliner Zeitung und ging dann als Reporter für den Spiegel nach New York. Im Jahr 2000 erschien sein erster Roman, „Die Nachrichten“, der später unter der Regie von Matti Geschonneck verfilmt wurde. 

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„The Next Level“ mit Paula Kober und Jens Harzer (Credit: ARD Degeto Film / Letterbox Filmproduktion GmbH / Simon Dat Vu)

„The Next Level“ basiert teilweise auf wahren Ereignissen, auf dem Drogentod einer jungen Amerikanerin im weltbekannten Techno-Tempel Berghain. Über diesen Vorfall schrieb Osang damals, 2018, seinen Beitrag. Wie Rosa Bernhard in der Serie, gespielt von Lisa Vicari als vielschichtige junge Frau, erfuhr Osang auch durch Zufall davon: Er saß in Berlin-Tegel wartend auf seinen Flug neben dem jungen Mann aus Amerika, der mit seiner Frau auf Berlinbesuch war und eine Partynacht im Berghain erleben wollte. Mit der Einwilligung der Familie schrieb Osang die Geschichte aus den Erinnerungen des Mannes und aus eigenen Recherchen mit Aussagen der Anwältin des Ehemanns, der Staatsanwaltschaft, einem ehemaligen Türsteher des Berghains und dem Obduktions-Bericht auf. Die Frage, die sich stellte, war: Hätte die junge Frau gerettet werden können, wenn das Berghain-Personal früher den Rettungswagen gerufen hätte?

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„The Next Level“ (Credit: ARD Degeto Film / HR / rbb / NDR / Letterbox Filmproduktion / Real Film Berlin / Jakub Bejnarowicz)

In der Miniserie, die die Studio-Hamburg-Production-Group-Töchter Letterbox Filmproduktion und REAL Film Berlin mit der ARD Degeto produzierten, beißt sich die ehrgeizige Reporterin, sozusagen das Alter Ego Osangs, in dieser Geschichte fest. Doch sie ist nicht leicht zu knacken. Erst hilft sie Josh (Ben Lloyd-Hughes), nachdem sie ihn im Krankenhaus kennengelernt hatte, wo sie sich wegen eines erneuten Selbstmordversuchs ihrer Mutter aufhielt und wo Josh – am Boden zerstört – vom Tod seiner Frau erfahren musste, beim Erledigen von Beamtengängen, dem Besuch beim Bestattungsunternehmen… Joshs kurzes Eheglück wird dabei immer wieder in Rückblenden eingestreut. Als sie erfährt, wo das Unglück geschehen ist, im berüchtigten Techno-Club Reaktor, größter Drogenumschlagplatz der Stadt, bei dem die Polizei gerne wegschaut, wird sie hellhörig. Sie fühlt, dass darin eine Geschichte liegen könnte. Verbindungsglied könnte ein mysteriöser, mächtiger Berliner Immobilienmogul sein, Bodo Brenner mit Name (aalglatt gut gespielt von Jens Harzer), einst treuer Volksgenosse, der nach der Wiedervereinigung so schnell vor dem Kapitalismus wegrannte, bis er ihn überholte und nach 30 Jahren in seine Heimatstadt Berlin zurückkehrte, wo er einen Häuserblock und ein Areal nach dem anderen kauft – unter anderem auch das Areal, auf dem der Reaktor steht – seine hehren Ideale von einst aber längst gegen aufgesetztes Kunstgroßmäzenatentum und von Zynismus durchtränkte Kaltherzigkeit eingetauscht hat und selbst den Berliner Senat düpiert, als er ein eigentlich bereits abgemachtes Bauprojekt auf einem seiner Grundstücke abschießt und den Sprecher der Wirtschaftskammer Mark Lingen (Jerry Hoffmann), Rosas Lebensgefährte, vor den angereisten Investoren blöd dastehen lässt. An eben diesen Brenner will Rosa herankommen, was leichter gesagt ist als getan, um etwas über die Nacht herauszufinden, in der Zofia starb. Doch was im Reaktor passiert, bleibt im Reaktor. Über Brenners Tochter Paula, die Nightmanagerin im Reaktor ist, hofft Rosa weiterzukommen. Doch damit dreht sich die Spirale der Recherche nur auf das next level

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„The Next Level“ mit Jerry Hoffmann und Lisa Vicari (Credit: ARD Degeto Film /HR / rbb / NDR / Letterbox Filmproduktion / Real Film Berlin / Jakub Bejnarowicz)

Mit „The Next Level“ lässt die ARD sich nicht lumpen und legt nach einem starken Fiction-Jahr 2024 („Schwarze Früchte“, „Oderbruch“, „Festmachen“, „Payer of Ibiza“, „Herrhausen“, „Die Zweiflers“, „30 Tage Lust“) gleich Anfang des neuen Jahres mit einem starken Serienformat nach. Es überzeugt in allen Gewerken. Nicht nur machte Alexander Osang aus seiner spannenden Spiegel-Reportage ein ebenso spannendes Drehbuch. „The Next Level“ lebt von kreativem Teamspirit, bei dem alle Gewerke Bestleistung ablegten. Als erstes sticht die hervorragende Bildgestaltung von Kameramann Jakub Bejnarowicz hervor, der das visuelle Konzept als Bildgestalter der ersten Folgen vorgibt, um es später in die Hände von Simon Dat Vu zu legen. Bejnarowicz, der oft für Matthias Glasner, Philipp Kadelbach oder Christian Alvart arbeitet, wechselt von atmosphärisch-dichten, schillernd-dunklen Bildern im Techno-Club hin zu einem wenig freundlichen, oft verregneten Berlin, das aber immer mit seiner Architektur ins Auge sticht (u.a. diente das architektonisch beeindruckende Kino International als Schauplatz). Die Musik von Martina Eisenreich und Michael Kadelbach (Bruder von Philipp Kadelbach) kommentiert das Geschehen mal mit wabernd-dumpfen Beats, mal mit sphärisch-großen oder auch beklemmend-machenden Klängen. Die Besetzung wurde von Liza Stutzky, die seit längerem viele der edgy Formate castet (u.a. „Angemessen Angry“, „Deadlines“) und Berti Caminneci stimmig zusammengesetzt, allen voran mit Lisa Vicari in der Rolle der Reporterin Rosa, die mit inneren Dämonen zu kämpfen und mit ihrer suizidgefährdeten Mutter, in deren Vergangenheit Bodo Brenner möglicherweise eine größere Rolle spielte, als sie ihrer Tochter jemals verraten würde, ein Päckchen zu tragen hat, Thorsten Merten als kauziger Chef Rosas, der seinen Schützling aber über alles liebt, und Paula Kober aus „Schwarze Früchte“ als Brenners Tochter.

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„The Next Level“ mit Lisa Vicari (Credit: ARD Degeto Film / HR / rbb / NDR / Letterbox Filmproduktion / Real Film Berlin / Mathias Bothor)

Dass die Fäden so ausgezeichnet zusammenlaufen, liegt an der Regie von Pia Strietmann und Julia Langhof, letztere ist auch Creative Producer der kompletten Serie. Strietmann machte zuletzt mit „Herrhausen – Der Herr des Geldes“ von sich Reden (in dem bereits mit Lisa Vicari zum Cast zählte), Julia Langhof überzeugte vor allem mit ihrem Kinodebüt „LOMO – The Language of Many Others“, das zahlreiche Preise abräumte. Aufwändig produziert mit Drehorten in Berlin, Hamburg/Schleswig-Holstein, auf Gran Canaria und in New York, ist „The Next Level“ eine Vorzeigeserie geworden, immer fest verankert im Hier und Jetzt, einem wahrhaftigen und nachvollziehbaren Berlin, einer Stadt im konstanten Umbruch, die nicht mehr nur Schmelztiegel ist, gelebte Diversität, die sich auch hier spiegelt, sondern längst auch ein Moloch, in dem Aufbruchsstimmung und anarchische Lebenslust auf Turbokapitalismus und die Rücksichtslosigkeit von Big Money prallt – hier auf den „next level“ getrieben.

Barbara Schuster