Am 28. September ist auf dem „Tatort“-Sendeplatz der ARD wieder Einsatzzeit für Team Zürich. Anna Pieri Zuercher und Carol Schuler haben sich als Grandjean und Ott unter ihren prominenten Kolleg:innen aus Deutschland und Österreich bestens etabliert, auch der zehnte Fall hat Klasse.

FAST FACTS
• Anna Pieri Zuercher und Carol Schuler feiern mit „Kammerflimmern“, ihrem 10. gemeinsamen Fall, ein erstes kleines „Tatort“-Jubiläum
• Regisseurin Barbara Kulcsar ist selbst in Zürich geboren
• Sie sammelte bereits im Schwarzwald und in Bremen mit den Folgen „Rebland“ und „Neugeboren“ „Tatort“-Erfahrung
• Mit 56 Toten bricht „Kammerflimmern“ den Rekord von „Im Schmerz geboren“ (2014)
• Anders als beim „Jahrhundert-Tatort“ vom HR sind jedoch die wenigsten der 56 Toten im Bild
CREDITS:
Regie: Barbara Kulcsar; Drehbuch: Petra Ivanov, André Küttel; Cast: Carol Schuler, Anna Pieri Zuercher, Aaron Arens, Annina Walt, Sven Schelker, Rachel Braunschweig, Beren Tuna, Martin Vischer, Elias Arens, Babett Arens, Oscar Bingisser, Anne Haug, Sofia Borsani; Kamera: Pascal Reinmann; Szenenbild: Peter Scherz; Kostüm: Ursina Schmid; Schnitt: Florian Geisseler; Musik: Bálint Dobozi; Casting: Nora Leibundgut; Produktion: Turnus Film – Anita Wasser, Michael Steiger; Redaktion: Fabienne Andreoli, Gabriella De Gara, Birgit Titze; Termin: ARD, 28.9., 20:15 Uhr
REVIEW:
Eine irre Geschichte. Mal wieder aus der Schweiz vom Zürich-„Tatort“, der nicht geizt mit außergewöhnlichen Geschichten und der nun bereits über zehn Filme hinweg mit den von Anna Pieri Zuercher und Carol Schuler gespielten Isabelle Grandjean und Tessa Ott ein Ermittlerinnenduo hervorgebracht hat, das einem schnell ans Herz gewachsen ist. Der Jubiläums-„Tatort“ reicht nicht ganz an den Schweizer „Jahrhundert-Tatort: Von Affen und Menschen“ heran (welcher „Tatort schafft das schon?), aber beim Bodycount kann er mit dem deutschen „Jahrhundert-Tatort“, der unvergleichlichen Murot/Shakespeare-Folge „Im Schmerz geboren“ (2014) mithalten. 56 Tote fordert „Kammerflimmern“.
Das Herz! Der Titel deutet es an. Wie die Fliegen fallen sie: der Jogger, der Senior, der seinen Hund ausführt oder die Best-Agerin beim Workout im Kreise ihrer Freundinnen. Die Ermittlungen von Grandjean & Ott ergeben schnell: alle Opfer hatten implantierte Defibrillatoren (ICDs) einer bestimmten Firma, die gehackt wurden. Aber wer steckt aus welchen Beweggründen dahinter? Für die beiden Ermittlerinnen und ihre Kolleg:innen, aber auch für das medizinische Personal in den Kliniken beginnt ein Wettlauf mit der Zeit, denn wie sich bald herausstellt werden die tödlichen Stromschläge des ICDs nach einer bestimmten Anzahl von Herzschlägen ausgelöst. Die Behandlung mit Beta-Blockern kann das Auslösen verzögern.

Die Idee des Drehbuchgespanns André Küttel und Petra Ivanov ist so raffiniert wie beängstigend. Auch wenn der Film das Rätsel um den Täter nicht allzu lange aufrecht erhält, bleibt die Spannung hoch, weil die Motivation unklar bleibt. Zudem nutzen Regie und Buch das im Krimi- und Thriller-Genre gern angewandte Versatzstück eines „sole survivors“ für eine unerwartete finale Volte.
Als kluger Schachzug erweist sich auch die persönliche Verwicklung Tessa Otts. Ihre Mutter, die sich zu Beginn zur Erholung an einen unbekannten Ort in die Schweizer Berge zurückzieht, ist selbst Trägerin eines ICDs. Das Drehbuch nutzt diese Verknüpfung weniger als zusätzliches Spannungselement, vielmehr wird das Verhältnis Tessas zu ihren Eltern, das lange Zeit auf Konfrontation und der Zugehörigkeit zu unterschiedlichsten Welten aufgebaut war, neu geordnet. Das gelingt auf angenehme, nicht zu dick aufgetragene Weise.

Vor allem wird in diesem zehnten Film auch das Verhältnis zwischen Grandjean & Ott weiter gefestigt. Es wird immer ersichtlicher (nicht nur für das Publikum, auch für die beiden selbst), wie gut sie sich ergänzen. Vom Status „Dremteam“ sind sie nicht mehr weit entfernt, zumal auch Aaron Arens in der Rolle Noah Löwenherz im Hintergrund als IT-Experte glänzen kann.
Wenn es jetzt die ARD noch hinbekäme, den Schweizer „Tatort“ in der Mediathek auch in der Original-Sprachfassung anzubieten, wäre das Swiss-Feeling geradezu perfekt.
Frank Heine