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REVIEW TV / STREAMING: „Eigentlich sollten wir“


Locker leichte Klimaschutzkomödie von Harald Sicheritz, in der ein Familienvater seinen verlorenen Idealismus wieder erweckt und unter Terrorverdacht gerät.

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„Eigentlich sollten wir“ von Harald Sicheritz (Credit: BR/E&A Film/ORF/Petro Domenigg)

CREDITS: 
Land/Jahr: Österreich 2024; Laufzeit: 88 Minuten; Drehbuch: Thomas Mraz, Klaus Eckel; Regie: Harald Sicheritz; Besetzung: Thomas Mraz, Marleen Lohse, Aglaia Szyszkowitz, Roland Düringer, Elfriede Schüsseleder, Gerhard Kasal, Maria Fliri, Navid Navid, Adele Wolf, Atreju Hollweg, Friedrich Wolf, Sonja Chan, Nikolai Baar-Baarenfels, Wolfgang Pissecker, Armin Wolf; Sender/Plattform: ARD; Sendetermin: 26.3.2025, ab 16.4.2025 in der ARD Mediathek

REVIEW:
Eigentlich ist Stefan „Steffi“ Steindl (Thomas Mraz) ein vorbildlicher Idealist, der in den 2010er-Jahren regelmäßig auf die Barrikaden ging, um jede Sturm-und-Drang-Bewegung mit der Kamera festzuhalten. Mit Mitte 40 ist der Vorkämpfer nur noch ein mittelmäßiger Pressefotograf, der gemeinsam mit seiner Frau Marion (Marleen Lohse) drei aufgeweckte, vorlaute Kinder – eigentlich „drei asoziale Narzissten“ – erzieht, die meinen, man könne gar nicht genug Plastikspielzeug besitzen. Was gewissermaßen der Grund dafür ist, dass in der Anfangssequenz ein schwer bewaffnetes Einsatzkommando das Haus der Steindls umstellt und Stefan vor den Augen der Nachbarschaft in Handschellen abführt: Ausgerechnet der gemütliche, dauererschöpfte Familienvater soll als Kopf einer radikalen, konsumkritischen Untergrundvereinigung für eine Reihe von „Terroranschlägen“ verantwortlich sein.

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„Eigentlich sollten wir“ von Harald Sicheritz (Credit: BR/E&A Film/ORF/Petro Domenigg)

Wie es zu diesem absurden Verdacht kommen konnte, erklärt ein Wechsel von Rückblenden und Verhörsituationen, in denen der „karrieregeile“ Ermittler Wolfgang Horak (Gerhard Kasal) Stefan auf den Zahn fühlt, während die zynische, gelangweilte Oberinspektorin Karin Schober (Maria Fliri) die Hintergrundgeschichte beleuchtet, sprich: die Ehefrau befragt, die von den guten alten Zeiten schwärmt, als ihr Mann im Kampf gegen die Prügelpolizei vorne mit dabei war. Man erfährt auch, dass die ganze Geschichte eigentlich in dem vor Krempel überquellenden Kinderzimmer angefangen hat, mit einem Miniatur-Campingbus, über den Stefan in Slapstick-Manier stolperte, daraufhin in der Notaufnahme landete, wo er auf den Verschwörungstheoretiker Ferry (Roland Düringer) traf. Der ist eigentlich Ingenieur und außerdem Betreiber eines Reparaturcafés, in dem sein Neffe Alex (Nikolai Baar-Baarenfels), die Hackerin Luna (Sonja Chan) und die 68erin Gerda (Elfriede Schüsseleder) Weltverbesserungsmaßnahmen planen – eine unorganisierte Gruppe mit starker Message, die leider nichts zu sagen hat.

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„Eigentlich sollten wir“ von Harald Sicheritz (Credit: BR/E&A Film/ORF/Petro Domenigg)

Der Tatverdächtige hingegen ist froh, dass ihm endlich jemand zuhört, als er im Verhör über soziale Ungerechtigkeit und den Einkaufswahn seiner Familie klagt, was uns wieder zu Ferry und seiner Aktivistentruppe bringt: Angespornt von deren Erfolglosigkeit und den eigenen, sentimentalen Erinnerungen klebt Stefan in einem Shoppingcenter Warnhinweise („Ich bin aus Plastik wie deine Fischstäbchen“) auf Kartons des Herstellers Kids & Toys. Dummerweise hat Marion bei eben diesem börsendotierten Spielwarenkonzern und dessen skrupelloser Chefin Betty Krüger (Aglaia Szyszkowitz) als Grafikerin angeheuert, um aus plumpen Werbezetteln Gratis-Kinderzeitungen mit Frühfördereffekt zu machen, und ihren Mann als Fotograf mit ins Boot geholt. Davon nichts ahnend wählen seine neuen Freunde Stefan nach der geglückten Sticker-Aktion spontan zum Anführer von Parents Against Krempel, kurz PAK, deren nächster Coup darin besteht, sprechende Spielzeugroboter mit lustigen Umweltparolen umzurüsten und im Handel zu platzieren, was im Internet für rasant steigende Follower-Zahlen sorgt. Da Betty Krüger versucht, die virale Aufmerksamkeit als Marketingaktion für Awareness zu verkaufen und ihm kein wirkliches Verbrechen nachgewiesen werden kann (abgesehen vom sträflichen Verzehr von Rotbarschfilet bei einem Diner mit Marions Chefin – „wir essen hier sozusagen einen schwimmenden Pandabären“), wird der Protagonist vorübergehend aus dem Polizeigewahrsam entlassen. Doch die Welle, die er losgetreten hat, ist nicht mehr aufzuhalten, jüngere PAK-Mitglieder schießen im turbulenten letzten Akt (natürlich) über das Ziel hinaus – und der vermeintliche Underground Leader steht plötzlich sowohl vor seinen Mitstreitern als auch vor seiner Familie als Verräter da. 

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„Eigentlich sollten wir“ von Harald Sicheritz (Credit: BR/E&A Film/ORF/Petro Domenigg)

Die hochkomischen, geschliffenen Dialoge und das engagierte, spielfreudige Ensemble jonglieren unbekümmert, gut gelaunt und mit österreichischem Schmäh mit leeren Floskeln und Überzeugungen, decken ironisch die gesellschaftliche Doppelmoral auf – ohne erhobenen Zeigefinger, aber mit der nachhaltigen Botschaft, dass das Umdenken im Kinderzimmer beginnen muss. Der Film ist eine Art familienfreundliche, jugendfreie Umweltschutz-Satire, in der am Ende jeder ein bisschen dazulernt und sich ein bisschen bewegt, in der die Dinge durch die ständige Verwendung des Konjunktivs auf subversive Weise verharmlost werden, um den Zuschauer auf die Plastikpalme zu bringen – wofür auch die Tatsache sorgen sollte, dass Hauptdarsteller Thomas Mraz und Kabarettist Klaus Eckel ihr wahrhaftiges, raffiniert verschachteltes Drehbuch schon 2017, noch vor der Klimastreikbewegung entwickelt haben, dieses aber bis heute nichts an Brisanz verloren hat. Erst recht nicht die darin angeprangerte moralische Flexibilität: „Es ist immer wieder erstaunlich, wie schnell die Leute die Seiten wechseln“, wundert sich das Ehepaar Steindl kurz vor Schluss, bevor die ganze Bilderbuchfamilie im restaurierten Campingbus mit Verbrennungsmotor in den Urlaub fährt. Ein harmloses kleines Abenteuer, heißt es an einer Stelle – aber eigentlich bitterer Ernst.

Corinna Götz