Aus Deutschland kommt mit der ZDFneo-Serie „Club der Dinosaurier“ ein Format, das mit großer Leichtigkeit das Coming-of-Age-Genre mit der Phantastik und dem Horror verknüpft und dabei gekonnt das Thema toxische Maskulinität reflektiert.

FAST FACTS:
• Zwischen Highschool-Komödie, Coming-of-Age-Drama und Fantasy-Horrorfilm
• Von Syrreal Entertainment und Eitelsonnenschein koproduziert für ZDFneo
• Echsenverwandlung bei Jungen als Metapher für toxische Maskulinität
• Großartige Maskenarbeit, fantastische Jungdarsteller, viel 80’s Spirit
CAST:
Deutschland/Belgien 2025, Auftraggeber: ZDFneo; Produktion: Syrreal Entertainment, Eitelsonnenschein, Frakas Productions, CBS-Studios; Produzenten: Siegfried Kamml, Christian Alvart, Timm Oberwelland (Syrreal Entertainment), Danny Fischer, Lutz Heineking jr., Marco Gilles (Eitelsonnenschein) Drehbuch: Nils Gustenhofen (Headautor), Mascha Schlubach, Oliver Rieche, Regine Bielefeldt, Christoph Mathieu; Regie: Lutz Heineking jr.; Redaktion: Andreas Jakobs-Woltering; Cast: Shadi Eck, Diyar Ilhan, Tomomi Themann, Hannah Schiller, Alessandro Schuster, Carl Josef, Lilly Krug, Sonja Gerhardt, Max Mauff; Start: 6.6.25 in ZDF-Mediathek; 15.6.25 ab 20.15 Uhr bei ZDFneo
REVIEW:
In diesem Jahr wird das junge deutsche TV-Publikum wohl keine Serie jenseits vom „Club der Dinosaurier“ finden können, die noch mehr von 1980er-Jahre-Kultfilmen wie „Eis am Stiel“ oder „Teen Wolf“ inspiriert ist. Gleichzeitig wird es auch ziemlich sicher keinen viel unterhaltsameren Genre-Mix aus Coming-of-Age, Fantasy, Horror und 1980er-Jahre-Kondensat geben, der aber mit fortschrittlichen Ideen und zeitgemäßeren Gesellschaftsbildern umgesetzt ist.
„Club der Dinosaurier“ von Syrreal Entertainment, Eitelsonnenschein, Frakas Productions und CBS Studios mit dem jungen Headautoren Nils Gustenhofen und Regisseur Lutz Heineking jr. macht gar keinen Hehl daraus, wo die Wurzeln dieser Highschool-Dramedy in Deutschland liegen. Ben (Shadi Eck) und Janni (Diyar Ilhan) sind die klassischen Schul-Außenseiter, die beide in die neue Mitschülerin Suki (Tomomi Themann) verschossen sind.
Neben den Nerds gibt es aber auch die mobbenden Sportler wie Rick (Alessandro Schuster), der mit der blonden Schulschönheit Fiona (Lilly Krug) zusammen ist. Die Schönlinge tragen amerikanische Football-Jacken. Und auch der Schulsprecher-Wahlkampf erinnert eher an US-Komödien denn an das biedere deutsche Schulsystem.
Ben und Janni pubertieren ähnlich fröhlich vor sich hin wie die Jungs in der berüchtigten israelischen Coming-of-Age-Filmreihe „Eis am Stiel“. Um aber Pickel, das Stottern und die Muscle-Phase in den Griff zu bekommen, bestellen sie über den Business-technisch sehr gut aufgestellten Klassenkameraden Corny (Carl Josef) Testosteron-Pillen mit unbekannten Nebenwirkungen. Die Folge ist, dass die beiden Freunde an Selbstbewusstsein und Fähigkeiten zulegen, ihnen aber mit der Zeit auch Hörner und Echsenschwänze wachsen.
Die Metapher ist hier klar gezogen: Umso mehr die beiden Jungs an Testosteron-Spiegel zulegen, umso unsympathischer, unberechenbarer und gefährlicher werden sie vor allem für die Mitschülerinnen. Die toxische Männlichkeit ist hier gleichgesetzt mit der in die Steinzeit zurückdeutenden Entwicklung zu Echsenmenschen. Durch dieses fantastische Element, das sich erst in Episoden fünf und der abschließenden Episode sechs maskentechnisch beeindruckend entfaltet (Prosthetic Make-up-Designer: Jörn Seifert), wächst aber „Club der Dinosaurier“ aus den Schuhen der 1980er-Jahre-Vorbilder wie „Teen Wolf“ heraus und wird sein ganz eigenes Biest von Serie.
Bewusst sind auch den weiblichen Charakteren mehr Platz und Facetten eingeräumt, als man es aus den klassischen Hollywood-Teenagerfilm der 1980er-Jahre gewohnt ist, obwohl „Club der Dinosaurier“ schon mit einem männlichen Fokus erzählt ist. Aber die von allen in der Schule so angehimmelte neue Mitschülerin Suki ist eben nicht nur das Love Interest, sondern hat einen eigenen Kopf voller Traumata, Familiengeschichte und Manga-Liebe. Die „Jerks“ gestählte Schauspielerin Hannah Schiller wird als benachbarte Sandkasten-Freundin Trine von Ben eingeführt, die dann aber wiederum so ganz nebenbei einen eigenen Freund aus dem Hut zaubert und bei der drohenden Dino-Apokalypse als einzige einen kühlen Kopf bewahrt.
„Club der Dinosaurier“ lebt vor allem auch von den sehr witzig gezeichneten Nebencharakteren. Der Pillen-Dealer der beiden Protagonisten ist zum Beispiel der im Rollstuhl sitzende Corny, der nicht politisch überkorrekt der freundlichste Charakter der Schul-Clique ist, sondern teils richtig böse sein darf und mit die besten Oneliner der Serie aufbietet, die der Comedian Carl Josef knockentrocken rausfeuert. Max Mauff und Sonja Gerhardt, die dereinst selbst das Coming-of-Age-Genre aufmischten, spielen ganz hervorragend das spießige Lehrer-Personal der Schule, die mit jeder Episode aber auch an Facetten gewinnen und die man gerne in noch mehr Szenen gesehen hätte.
Gerade auch in der dritten Episode nimmt die Serie richtig Fahrt auf, weil dann auch die erzählerische Struktur immer weiter aufgebrochen wird und vermehrt sehr gut improvisierte Szenen der Jungschauspieler vor allem bei dem großen Ausflug vorkommen. Einer der wenigen Kritikpunkte ist nur, dass das Publikum auf die schon in der ersten Episode angedeutete Verwandlung der Protagonisten zu den Steinzeitechsen bis zum Ende der fünften Episode warten muss. Vielleicht wäre die Serie noch etwas stärker und stringenter geworden, wenn sie auf fünf anstatt sechs Episoden heruntergedampft worden wäre und so weniger repetitive Momente der ausgeprägten toxischen Maskulinität vor der Verwandlung nötig gewesen wären.
Aber ansonsten ist das Ganze ein Füllhorn an guten Einfällen des Teams um Headautor Nils Gustenhofen: Wie Coming-of-Age mit der Phantastik verbunden wird, wie die 1980er-Klischeefiguren mit neuem Leben und smarten Gedanken gefüllt werden, wie die toxische Männlichkeit motivisch eigewoben ist, wie fast alle Figuren, ob männlich oder weiblich, ihren schauspielerischen Moment zum Scheinen bekommen und selbst die anfangs nur eindimensional wirkenden Charaktere letztlich doch einen guten emotionalen Kern besitzen.
Schwierig bis unfair ist es dabei, in diesem guten Ensemble einzelne Schauspielende hervorzuheben: Aber Shadi Eck als einer der beiden Hauptdarsteller sei zumindest kurz herausgegriffen, nicht nur, weil er hier teils wie der junge Bob Dylan aussieht, sondern weil er beide Seiten glänzend spielt: den verschüchterten Teenager und das Monster. Gleichzeitig hat er starke erinnerungswürdige Momente auf dem Weg dorthin.
„Club der Dinosaurier“ ist im Coming-of-Age- oder Young-Adult-Genre ein ziemlich großer Wurf, weil er mit Leichtigkeit und zahlreichen starken Newcomern von einem gesellschaftlich relevanten Thema in einem gekonnt umgesetzten Genrekorsett erzählt.
Michael Müller