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REVIEW TV: „Player of Ibiza”

Eine der Entdeckungen beim Serienfestival Series Mania in Lille war die Comedy-Serie „Player of Ibiza“. Eine Satire auf deutsches Trash-TV von den Kleinen Brüdern.

NDR-Serie der Kleinen Brüder
V.l.: Bruno Alexander, Charles Booz Jakob, Emil Belton, Arman Kashani und Sammy Scheuritzel (Credit: NDR/Hannah Aders)

CREDITS:

Deutschland 2024; Regie: Bruno Alexander, Oskar Belton, Emil Belton; Buch: Ellen Holthaus, Miriam Suad Bühler, Bruno Alexander, Emil Belton, Oskar Belton; Idee: Ina-Christina Kersten; Produktion: Pyjama Pictures, Kleine Brüder; Produzenten: Carsten Kelber, Ina-Christina Kersten; Producer: Max Mattis; Redaktion: Sabine Holtgreve (NDR); Plattform: ARD-Mediathek; Start: 10. Mai 2024

REVIEW:

Das prestigeträchtige Serienfestival Series Mania in Lille lud im März nicht nur die Formate „Herrhausen“, „30 Tage Lust“ oder „Disko 76“ ins offizielle Programm ein, sondern auch die neue Serie der „Discounter“- und „Intimate“-Macher von den Kleinen Brüdern. Emil und Oskar Belton, Bruno Alexander und Co. legen mit „Player of Ibiza“ in Zusammenarbeit mit der Pyjama Pictures eine ziemlich witzige Satire auf das deutsche Reality-Fernsehen vor. Im Mockumentary-Stil folgt das fünfteilige Format einer Gruppe von männlichen Schwachmaten – einem reichen Schnösel (Emil Belton), einem Pumper (Bruno Alexander), einem Hip Hopper (Charles Booz Jakob), einem Incel (Sammy Scheuritzel) und einem Möchtegern-Pascha (Arman Kashani) – bei der Teilnahme an einer Dating-Show.

Die fünf paarungswilligen jungen Männer wissen aber nicht, dass die TV-Redaktion Anderes mit ihnen vorhat. Anstatt auf die titelgebende Urlaubsinsel zwecks Kopulation ausgeflogen zu werden, landen sie wegen massiver Sparmaßnahmen der Produktion im niedersächsischen Buchholz, wo sie zu Feministen umgepolt werden sollen. Die Idee stammt vom abgehalfterten Chefredakteur Arne (Martin Brambach), der dem aktuellen Quotentrend nachjagen will. Praktisch vor Ort umsetzen müssen das Projekt aber die junge Regisseurin Amelie (Larissa Sirah Herden), der im Erfolgsfall eine Beförderung winkt, die desinteressierte Kamerafrau Toni (Paula Goos) und die übermotivierte Moderatorin Shirin (Altine Emini).

Zuerst denkt man, das Konzept der Kleinen Brüder in ihren Improvisationen bei authentischer Wackelkamera längst durchschaut zu haben und nicht noch solch ein Format zu brauchen. Aber es funktioniert hier aufs Neue, weil die Charaktere einerseits herrlich überzogen und comichaft sind, andererseits näher an der Realität des täglichen Trash-TV dran sind, als sie es eigentlich sein dürften. Die Figuren wie der von Bruno Alexander gespielte Pumper Tim funktionieren nicht wegen des Musketiere-Barts oder den Muskelpolstern unter dem Shirt, sondern weil sie einen wahren Kern besitzen und vor allem sehr witzig gespielt sind.

Paula Goos und Larissa Sirah Herden in "Player of Ibiza"
Maximal interessiert: Paula Goos (l.) und Larissa Sirah Herden (Credit: NDR/Hannah Aders)

Auch glaubt man zuerst, dass Reality-Formate heute in ihrer Ich-Bezogenheit und den durchkalkulierten Karriereplanungen von Influencern und Social-Media-Sternchen gar nicht mehr parodierbar sind. Dann sagt aber die Kamerafrau Toni zum Beispiel diesen Satz, dass sie vor dem neuen Showkonzept jahrelang mit Sexismus ihr Geld verdient habe. Jetzt sei es eben der Feminismus. Es pappt halt ein neuer Aufkleber drauf, der gerade im Trend liegt und sich scheinbar gut verkauft. Das ist vom Drehbuchteam, zu dem auch Ellen Holthaus und Miriam Suad Bühler neben Alexander und den Beltons gehören, gut beobachtet und pointiert umgesetzt. Es ist ein kluges Gegengewicht zum intellektuellen Abgekulte dieser Form des Fernsehens durch Podcasts oder das Feuilleton.  

Series Mania zeigte in Lille die ersten beiden kurzweiligen Episoden des fünfteiligen Formats im Kino, die je knapp eine halbe Stunde gehen. „Player of Ibiza“ lässt sich gut wegschauen, was als Kompliment gemeint ist. Die Kleinen Brüder schufen bereits mit „Die Discounter“ eine Feelgood-Serie auf Prime Video, die von den Nutzern immer wieder geschaut wird. „Player of Ibiza“ hat auch dieses Wiedersehenspotenzial, weil eigentlich schreckliche Menschen genommen werden, die auf karrieregeile Menschen treffen und daraus aus Zauberhand das Interesse erwächst, ob diese Gruppe von jungen Individuen vielleicht doch auf eine Weise zusammenfindet. In den ersten beiden Episoden liegen die Lacher vor allem bei den idiotischen Männerfiguren, ganz besonders bei Arman Kashani als Donut-Ketten-Geschäftsführer Abdel.

Die ARD hat mit dem Drehbuch-Preis-Gewinner „Herrhausen“ im Internationalen Wettbewerb, der auch sehr sehenswerten Serie „30 Tage Lust“ und dem NDR-Format „Player of Ibiza“ eine bärenstarke Series Mania hingelegt.

Michael Müller