Exzellenter ZDF-90-Minüter mit einem hervorragenden Florian Lukas in der Titelrolle als Hans Rosenthal, der vor dem 75. Jubiläum von „Dalli Dalli“ in einen moralischen Zwiespalt gerät.

FAST FACTS:
• Biopic über den wohl beliebtesten ZDF-Showmaster der Siebzigerjahre
• Brillante Darstellerleistung von Florian Lukas als Hans Rosenthal
• Umsichtige und akribische Erzählleistung von Regisseur Oliver Haffner und Autor Gernot Krää
• Liebevolle Nachstellung der Siebzigerjahre – tolle Designs des „Dalli Dalli“-Studios
• Produziert von Ingo Fliess mit seiner if… Productions
CREDITS:
Land / Jahr: Deutschland 2025; Laufzeit: 92 Minuten; Regie, Idee: Oliver Haffner, Drehbuch: Gernot Krää; Produktion: Ingo Fliess; Besetzung: Florian Lukas, Claude Albert Heinrich, Silke Bodenbender, Teresa Rizos, Hans-Jochen Wagner, Niklas Hummel, Maya Sara Unger, Anatole Taubman; Sender / Plattform: ZDF / ZDF Mediathek; Termin: 22. März 2025 in der ZDF Mediathek; Ausstrahlung am 7. April 2025, 20:15 Uhr
REVIEW:
Als wäre es nicht schon Unding genug, vor die Kamera zu treten und Hans Rosenthal spielen zu müssen, eines der bekanntesten Gesichter des deutschen Fernsehens in den Siebziger- und Achtzigerjahren, unsterblich geworden mit „Dalli Dalli“ („Sie sind der Meinung… das war Spitze!“), hat der Neunzigminüter von Oliver Haffner („Wackersdorf“), geschrieben nach einer Idee Haffners von dessen „Wackersdorf“-Mitstreiter Gernot Krää, produziert von Ingo Fliess und seiner if… Productions für das ZDF, auch noch die Traute, mit echten Ausschnitten Rosenthals und „Dalli Dalli“ zu beginnen: Wie soll man danach vor die Kamera treten… und überzeugen? Indem man Florian Lukas ist und in dem Moment zu der Figur wird, in dem der Film vom Archivmaterial in die Kulissen von Hans Rosenthals Show schneidet, ans Ende einer wieder einmal erfolgreichen Sendung. Mit einem Makel: Man ist 25 Sekunden zu früh fertig. Das stößt dem Showmaster auf, der hinter seiner immer freundlichen, allzu menschlichen Fassade kurz Unzufriedenheit aufblitzen lässt.
In der Folge wird man Zeuge einer verblüffenden Darstellerleistung, die Mimikry ist und dann noch viel mehr. Die Stimme, der Habitus, die Gestik: Florian Lukas wird zu Hans Rosenthal, ein sympathischer, korrekter, verbindlicher Mann und Familienmensch, hinter dessen biederer Fassade ausgerechnet er Abgründe verbirgt, die ihn mit sich und seiner Persona in der Öffentlichkeit hadern lässt. Den Rahmen der Handlung bildet das 75. Jubiläum von „Dalli Dalli“, das am 9. November 1978 auf Sendung gehen soll, am 40. Jahrestag der Reichskristallnacht, trotz Protests des Showmasters, der im Dritten Reich den Zwangsnamen „Hans Israel Rosenthal“ annehmen und Deportation und Ermordung seines jüngeren Bruders verkraften musste, selber zwei Jahre lang bis zur Befreiung Berlins in einem Versteck in einem Kleingartenverein ausharrte. Nach dem Prinzip der tickenden Uhr folgt „Rosenthal“ nun den Ereignissen bis zur Aufzeichnung der Sendung, schneidet in die Vergangenheit, als der junge Hans Rosenthal – gespielt von Claude Albert Heinrich – den Terror der NS-Regimes am eigenen Leib miterlebt, streift wichtige biographische Eckdaten und schafft en passant noch ein eindringliches Stimmungsbild dieser späten Nachkriegszeit Ende der Siebzigerjahre, in der das sprichwörtliche bisschen Haushalt auch für Ehefrau Traudl (Silke Bodenbender) kein Problem ist und der Antisemitismus den Deutschen einfach nicht auszutreiben ist („Er ist ein guter Jud!“).
Nach beschwingtem Anfang mit obligatorisch augenzwinkerndem Feixen über die Modeverbrechen der Zeit wendet sich diese Filmbiographie schnell den ernsten Dingen zu, ist Panoptikum wie auch Porträt – und als beides gleich stark, gleich effektiv. Aus vielen Facetten setzen Regisseur Haffner und Autor Krää das Bild eines Mannes zusammen, der aus seinem Herzen eine Mördergrube macht, mit Nachdruck daran arbeitet, dass die Persona der öffentlichen Person abfärbt auf den Menschen Hans Rosenthal, der abschließen will mit dem Horror seiner Vergangenheit als jüdischer Mitbürger, der in Angst und Schrecken leben musste und dem es nach Ende des Krieges gelungen war, nachhaltig an einem neuen Bild Deutschlands zu feilen. Mehr noch als Wim Thoelke und sein „3 x 9“, später „Der große Preise“ oder Rainer Holbe und seine „Starparade“ war Rosenthal mit „Dalli Dalli“ der Inbegriff des Show-Donnerstag des ZDF, eine Instanz des westdeutschen Lebens von 1971 bis 1986, 153 Folgen lang, alle vier Wochen, von 19 Uhr 30 bis 21 Uhr. Aber so sehr er es sich auch wünschte, war er keine Insel: Wie der Druck dieser einen besonderen Sendung an ihm und seinem Selbstverständnis nagt und dann das Tragen eines schwarzen Anzugs zum Politikum und Akt des Widerstands wird, ohne dass es die Öffentlichkeit mitbekommt, zeichnet der Film immer fein und mit der nötigen Distanz.
Wer genau hinsieht und ein bisschen Hintergrundwissen mitbringt, wird die vielen leisen Anspielungen in den unterschiedlichsten Szenen verstehen. Wenn Rosenthal mit unerklärlichen Bauchschmerzen beim Arzt vorstellig wird, greifen die Filmemacher seiner schweren Magenkrebserkrankung voraus, der er 1987 im Alter von nur 61 Jahren erlag. Wenn die Erkenntnis, dass er trotz seines Erfolgs nur ein Spielball der Senderveranwortlichen ist (Ekelpaket im schlecht sitzenden Anzug: Hans-Jochen Wagner), ihn dazu führt, seine innersten Gedanken zu Papier zu bringen, ist das ein Verweis auf Rosenthals Autobiographie „Zwei Leben in Deutschland“, die 1980 veröffentlicht wurde und einen ganz anderen Hans Rosenthal zeigte, als den man ihn aus dem Fernsehen kannte. Es ist nicht alles ernst: Klug setzt die ZDF-Produktion – dem Sender ist es durchaus anzurechnen, dass er sich selbst nicht in einem allzu positiven Licht zeigen lässt – den schweren Themen den Spaß von „Dalli Dalli“ entgegen. Es macht Freude, wenn man Vollprofis wie Teresa Rizos als Monika Sundermann sieht, rechte Hand des Showmasters und gute Seele – auch hinter der Kamera, wie sich herausstellt. Der Rest ist Florian Lukas. Sein Auftritt – Welten entfernt von „Die Wespe“ oder den „Die drei ???“-Filmen – ist kolossal. Und wenn Sie jetzt glauben, der Rezensent würde das Naheliegende machen, und die Besprechung mit dem Satz „Wir sind der Meinung: Das ist spitze!“ beenden, liegen Sie falsch. Obwohl… Warum eigentlich nicht? Stimmt doch!
Thomas Schultze
PS: Und wessen Interesse geweckt ist, auf YouTube findet sich tatsächlich ein Mitschnitt der Sendung von „Dalli Dalli“ am 9. November 1978, um die es in „Rosenthal“ geht…