Die Joyn-Serie „Messiah Superstar“ mit Florian Lukas in der Hauptrolle als abgehalfterter 1990er-Jahre-Musikstar, der es mit einem Comeback nochmal wissen will, wird als eines der sehenswerten Fiction-Formate in die Geschichte der Streaming-Plattform eingehen. Start ist am heutigen Freitag.

FAST FACTS:
• Comedy im Mockumentary-Stil über einen abgehalfterten 1990er-Jahre-Musikstar
• Keshet Fiction Germany adaptierte für Joyn das israelische Original „Masiach“
• Hauptdarsteller Florian Lukas und der gute Ensemble-Cast kriegen viel prominenten Cameo-Besuch
CREDITS:
Auftraggeber: Joyn/Sat.1; Produktion Keshet Fiction Germany – Tina Hechinger, Christina Christ, Axel Kühn; Headautor: Sebastian Colley; Regie: Felix Stienz; Adaption des israelischen Originals „Masiach“ von Keshet International, L. Benasuly Productions, Udi Kagan und Dana Polligs; Cast: Florian Lukas, Johanna Gastor, Jonas Nay, Banafshe Hourmazdi, Lukas von Horbatschewsky, Oli P., Sabrina Setlur, Vanessa Mai; Episoden: 8: Start: 16.5.25 auf Joyn & 30.5.25 um 22.15 Uhr auf Sat.1
REVIEW:
Als ProSiebenSat.1 nach einigen Jahren Pause und einem starken Daniel-Rosemann-Fokus auf Shows und Reality-Formate wieder in die Fiction einstieg, konnten Joyn-Content-Chef Thomas Münzner und sein Team qualitativ gleich einige Volltreffer landen: Die Vampir-Comedy „Der Upir“ mir Fahri Yardim, die Meta-Comedy „Intimate“ von den Kleinen Brüdern oder das eher unscheinbare, aber gut geratene Format „Die Stinos – Ganz besonders stinknormal“.
Die Reihe der sehenswerten Joyn-Formate wird jetzt um die Comedy-Mockumentary „Messiah Superstar“ mit Florian Lukas in der Hauptrolle erweitert, der den einstigen One-Hit-Wonder-Star Thomas Janowski alias Messiah spielt, dessen Eurodance-Song „XTC“ die Charts stürmte. 30 Jahre später arbeitet er immer noch am Comeback.
Eigentlich wirtschaftet Thomas Janowski aber das Restaurant „Esstasy“ seiner Mutter (Johanna Gastorf) im Berliner Wedding zugrunde. Seine Comeback-Bestrebungen werden nochmals angeheizt, seitdem ihm ein Dokumentar-Team auf Schritt und Tritt folgt. Geblieben sind ihm nach den Jahren des Misserfolgs sein größter Fan Leon (Jonas Nay), der mit Thomas befreundet ist, seine größte Stalkerin und das weitere Restaurant-Personal. Von denen hat insgeheim die aufstrebende Nadine (Banafshe Hourmazdi) die Chefmütze auf. Auch in Mitarbeiter Arif (Lukas von Horbatschewsky) schlummern verborgene Talente.
Grundform bekannt, aber liebevoll neu befüllt
Das Genre der Comedy-Mockumentary ist in den vergangenen Jahren in Deutschland erzählerisch vollständig abgegrast worden. Ein wenig hat man inzwischen den Look und das Pseudo-Kommentieren der Protagonisten in die Kamera sogar satt. Auch klingt die Prämisse des abgehalfterten Musikstars, der es nochmal wissen will, verblüffend ähnlich wie die Prime-Video-Comedy „Gerry Star“, die am Anfang des Jahres herauskam. Tatsächlich basiert aber „Messiah Superstar“ von Keshet Fiction Germany auf dem gleichnamigen israelischen Vorbild der internationalen Mutterfirma Keshet International.
Mag die Grundform von „Messiah Superstar“ also bekannt vorkommen, ist es doch wesentlich, mit was sie gefüllt ist. Und da punktet die Joyn-Comedy allein dadurch schon einmal mehr, dass Florian Lukas Protagonist zwar als immer noch größenwahnsinnig, im Herzen aber doch liebenswert angelegt ist.
Lukas, der seine Wurzeln in der Tragikkomödie mit „Absolute Giganten“ und „Goodbye Lenin“ hat und schon für die Sky-Comedy „Die Wespe“ einen der großen Schauspielpreise verdient gehabt hätte, gibt seinem Eurodance-Jünger in „Messiah Superstar“ trotz seiner auch nervigen Attribute eine gewisse Würde.
Jonas Nay und Banafshe Hourmazdi scheinen hell
Tatsächlich scheinen aber noch mehr die Nebenfiguren der Serie. Allen voran Jonas Nay, den man in seiner gebückten Art und mit Pferdeschwanz erst gar nicht richtig erkennt. Er spielt als Leon den besten Freund von dem einstigen Musikstar Thomas, der das aber nach so vielen Jahren noch gar nicht zur Kenntnis genommen hat. Er sieht Leon eher in seinen Funktionen als nützlich an.
Wie Jonas Nay diese doch graue Figur mit Charakter und Leben füllt und dann auch die zart erzählte Romanze der Serie mit der auch toll spielenden Banafshe Hourmazdi als Nadine hat, die im Laufe des Formats das Restaurant auf Vordermann bringt, nimmt für „Messiah Superstar“ sehr ein.
Es sind dann auch atomsphärisch die besten Momente zwischen Nay und Hourmazdi auf dem trist-schönen Restaurantdach, an den Mülltonnen oder im Auto erst einzeln, dann gemeinsam den Oli P. Cover-Song „Flugzeuge im Bauch“ singend. Immer dann, wenn sich die Serie kurze Zeit vom Mockumentary-Stil des verfolgenden Kamerateams löst und zum Beispiel einfach mal die Kamera auf die Rückbank eines fahrenden Autos packt.
90’s-Flair ein Gewinn für Soundtrack und Dialoge
Ein weiteres großes Plus der von Comedy-Experten Felix Stienz hauptsächlich in Prag inszenierten und Drehbuch-Tausendsassa Sebastian Colley als Headautor geschriebenen Serie ist das 90’s-Flair. Es ist gar nicht so klar, ob „Messiah Superstar“ den absoluten Höhepunkt des 1990er-Jahre-Craze verpasst oder gerade so noch auf der Welle mitschwimmt. Aber es ist einfach für Kinder dieses Jahrzehnts ein Weltklasse-Soundtrack mit einigen der schönsten Evergreens.
Bei den Cameos wurde mit Sabrian Setlur, Oli P. oder Nana zwar darauf geachtet, dass die 90’s auch personell reichlich prominent vertreten sind. Wobei die Serienproduktion klugerweise auch neure Stars wie Popsängerin Vanessa Mai im Cast hat, die ihre Sache schauspielerisch gar nicht schlecht macht. Es sind aber vor allem auch Sebastian Colleys 90er-Jahre-Referenzen in den vergnüglichen Dialogen, wenn Protagonist Thomas von wilden Partys und Affären in seiner Kurzzeit-Karriere erzählt, die „Messiah“ mit tragen.
„Messiah Superstar“ ist keine Serie voller Wegschmeißer- oder Abräumer-Gags geworden. Bei dem Feelgood-Format schmunzelt man eher und freut sich mit den liebevoll gezeichneten Figuren, wenn es zum Beispiel bei dem Restaurant-Projekt wieder einen Schritt vorangeht. Die 90er-Jahre-Nostalgie ist dabei häufig gekonnt eingewebt und nicht einfach nur alles verklebend draufgeklatscht.
Michael Müller