SmHJHX

Am Freitag, den 25.10. werden wir ab 15.00 Uhr bis ca. 18 Uhr umfangreiche technische Wartungsarbeiten durchführen. Vielen Dank für Ihr Verständnis.

REVIEW STREAMING: „The White Lotus, Staffel 3”


Dritte Staffel der transgressiven HBO-Erfolgsserie von Mike White, in der Touristen in einem Edelhotel auf Koh Samui existenzielle Krisen meistern müssen. 

CREDITS:
Land / Jahr: USA 2025; Laufzeit: 8 x 60 Minuten; Showrunner & Regie: Mike White; Besetzung: Walton Goggins, Michelle Monaghan, Carrie Coon, Jason Isaacs, Parker Posey, Patrick Schwarzenegger, Charlotte Le Bon, Christian Friedel; Plattform: Sky & Wow; Start: 17. Februar 2025

REVIEW:
Zu Beginn der ersten Staffel von „The White Lotus“ sah man eine amerikanische Familie in der Wartehalle des Flughafens von Kahului, während im Hintergrund ein Sarg in ein Passagierflugzeug verladen wurde. Am Anfang der zweiten Staffel baden Menschen im Meer an einem Strand von Sizilien, während im Vordergrund eine Wasserleiche an der Kamera vorbeidriftet. Die dritte Staffel, die nunmehr auf der thailändischen Insel Koh Samui spielt, eröffnet mit einem jungen Schwarzen Mann bei einer Meditationsstunde mitten im Dschungel, beobachtet von einigen der zahllosen Affen in den Bäumen, als man Schüsse hört und panische Menschen vorbeirennen sieht. Was genau passiert, kann man bestenfalls ahnen: ein Amoklauf, ein Terroranschlag, ein Streit unter Gästen, eine Polizeirazzia, eine Schießerei. Gewiss ist nur, dass auch hier wieder eine Leiche vorbeischwimmt und die Handlung dann eine Woche zurückspringt, zur Ankunft einer neuen Runde von Gästen, die von dem Team des White Lotus in Empfang genommen werden, zum Beginn einer Urlaubswoche, die Entspannung und Kurzweil bringen soll, aber doch alle Beteiligten an ihre Grenzen führen wird und schließlich an den Punkt, an dem die Staffel begann. 

jason isaacs parker posey patrick schwarzenegger sarah catherine hook sam nivola x
Jason Isaacs, Parker Posey, Patrick Schwarzenegger, Sarah Catherine Hook und Sam Nivola in „The White Lotus, Staffel 3“ von Mike White (Credit: HBO)

Wie das nun einmal so ist bei der Serie von Mike White, Autor, Showrunner und Regisseur, die sich in jeder Staffel eine neue malerische Location sucht und wieder auf Null springt, neue Figuren vorstellt, aber sich doch immer in den vertrauten Parametern bewegt und im Verlauf von acht Episoden alles aus dem Ruder laufen lässt, Kakophonie in die Stille bringt, Dissonanzen in die Harmonie, Ungleichgewicht in die Balance. Als würde das Narrativ selbst ins Wanken geraten gemeinsam mit den Menschen, die das fiktive Edelressort besuchen, eine Hotelkette für die besonders Reichen und Schönen und Dekadenten und Hedonistischen, der selbst das Abgründige innezuwohnen scheint, ein bisschen wie das Overlook Hotel von Stephen King oder das Hotel California der Eagles: You can check out but you can never leave. So gibt es auch diesmal wieder die amerikanische Familie, die Freundesgruppe, das schräge Pärchen auf der einen Seite, das Personal unter Führung eines eigenwilligen Hotelmanagers, hier gespielt von Christian Friedel, auf der anderen – und obendrein das Wiedersehen mit zwei weiteren alten Bekannten aus Staffel eins, die nicht weiter benannt werden sollen, nachdem Breakout-Star Jennifer Coolidge in der zweiten Staffel das Zeitliche gesegnet hatte, und in Folge 5 dann auch noch ein Überraschungsauftritt eines Oscargewinners, dem Mike White auch gleich einen der unglaublichsten Monologe der Serie schenkt.

leslie bibb michelle monaghan carrie coon e x
Leslie Bibb, Michelle Monaghan und Carrie Coon in „The White Lotus, Staffel 3“ von Mike White (Credit: HBO)

How about you being not weird – wie wäre es, wenn du einfach nicht merkwürdig wärst, sagt eine der Figuren in besagter Folge 5 zu einem weiteren Charakter. Dabei spielt es keine Rolle, wer genau wen damit meint, weil sich in dieser einen kleinen Aufforderung die Essenz von „The White Lotus“ wiederfindet, eine Serie, die mittlerweile über drei qualitativ jeweils gleich herausragende Staffeln das Schräge, Komische, Weirde in den Bedürfnissen und Sehnsüchten vermeintlich ganz normaler Touristen in einem Hotel der Luxuskette White Lotus herauskitzelt in einer transgressiven Leistungsschau, der nichts Menschliche fremd ist und mit treffsicherem Gespür die Schwächen, die wunden Punkte, die unerfüllten Sehnsüchte und unausgesprochenen Begierden aufspürt und freilegt, Operationen am offenen Herzen des Menschseins selbst, abgründig und niederträchtig bisweilen, erhellend und entlarvend manchmal, tragisch und komisch immer. Dafür stehen die Stars mittlerweile Schlange, weil sie wissen, dass Mike White sie fordern und das Beste aus ihnen herausholen wird, wenn sie nur bereit sind, sich diesem Magier des Makabren auszuliefern. 

walton goggins aimee lou wood e x
Walton Goggins und Aimee Lou Wood in „The White Lotus, Staffel 3“ von Mike White (Credit: HBO)

Jason Isaacs und Parker Posey sind die steinreichen Amis, die mit ihren drei fast erwachsenen Kids, gespielt von den Schauspielersöhnen Patrick Schwarzenegger und Sam Nivola sowie Sarah Catherine Hook, eher widerwillig ins vermeintliche Paradies gereist sind, weil die Tochter im benachbarten Dorf für ihre Abschlussarbeit einen buddhistischen Mönch interviewen will. Dass sie ihre Handys abgeben sollen, sehen sie ebenso wenig ein, wie überhaupt nach irgendwelchen Regeln zu spielen. Dem Quintett wird auf besonders perfide Weise der Zahn gezogen, bis nichts mehr übrig ist von seiner Hybris, den superdicken Eiern und der Überzeugung, Gottes Geschenk an die Menschheit zu sein. Ähnlich verhält es sich mit drei BFFs, die seit der Schulzeit beste Girlfriends sind, auch wenn sich die Dynamik in der Gruppe verändert hat, seitdem eine von ihnen, gespielt von Michelle Monaghan, ein Star im Fernsehen geworden ist und die beiden anderen, gespielt von Carrie Coon und Leslie Bibb, die zweite Geige spielen, sich aber zum Thailand-Urlaub in der Edelvilla des White Lotus gerne einladen werden. Es wird eine giftige Angelegenheit. Dazu kommen ein mürrischer, wortkarger Amerikaner mittleren Alters mit seiner immer quasselnden, drolligen bitischen Freundin, die so überhaupt nicht zusammenpassen, gespielt von Walton Goggins (in den besten Hawaiihemden diesseits von Ryan Reynolds in „Deadpool & Wolverine) und der hinreißenden Aimee Lou Wood aus „Sex Education“ und „Living“ mit den wunderbar großen Vorderzähhnen, und schließlich noch ein französisches Model, gespielt von Charlotte Le Bon, das vielleicht, aber nur vielleicht eine Prostituierte ist. 

christian friedel e x
Christian Friedel in „The White Lotus, Staffel 3“ von Mike White (Credit: HBO)

Alle haben, das kennt man aus „The White Lotus“, ihr Päckchen zu tragen, alle werden einer harten Prüfung unterzogen. Drogen prallen auf Buddhismus, Giftschlangen auf Selbstmordgedanken, irgendwann zieht Jason Isaacs blank und zeigt ein ziemlich mächtige Gemächt, damit die prüderen unter den Zuschauer:innen rot im Gesicht werden können, und dann folgt in Folge 5 eines dieser ausufernden Bacchanale, die Mike White so großartig inszeniert, ausschweifend und tabulos, Sex und Drogen und Rock’n’Roll, nach denen dann alles anders ist, die Katerstimmung nach dem High, Identitäten und Lebensentwürfe in Frage gestellt werden. Begleitet von sorgfältig ausgewählten Poppretiosen aus dem primär asiatischen Dunstkreis, die gerne leicht neben der Spur liegen, um dem gesamten Erzählfluss zu entsprechen, stochert die Serie im Bewusstsein und Selbstverständnis der Figuren, erforscht sie mit der Neugier des Mad Scientist und einem Sinn für hintergründigen schwarzen Humor, der diesmal auch vor Donald Trump und MAGA-World nicht haltmacht und dabei immer so entlarvend ist, dass man durchaus sich selbst in diesem Zerrspiegel der Eitelkeiten entdecken kann. Wie das Ganze ausgeht? Selbst wenn wir wollten, könnten wir es nicht beantworten: Zur Rezension lagen nur die ersten sechs Folgen vor. Sicher ist indes, dass mit diesem Showdown das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht sein wird: Erst vor zwei Wochen hat HBO grünes Licht für eine vierte Staffel gegeben. How about being weird again!

Thomas Schultze