Zehnteilige Satireserie von Seth Rogen und Evan Goldberg über einen jungen Executive, der als neuer Studiochef erkennt, dass er bei weitem nicht die Filme machen kann, die er gerne machen würde.
FAST FACTS:
• Neue Serie des Kreativteams Seth Rogen & Evan Goldberg
• Liebeserklärung an Hollywood und Satire auf das Filmgeschäft
• Tiefe Verneigung vor Robert Altmans „The Player“
• Zahllose Cameo-Auftritte von echten Hollywoodgrößen wie Martin Scorsese, Ron Howard oder Charlize Theron
• Weltpremiere am Eröffnungsabend des SXSW Festival in Austin vor begeistertem Publikum
CREDITS:
Land / Jahr: USA 2025; Laufzeit: 10 x 30 Minuten; Creators & Drehbücher: Seth Rogen, Evan Goldberg, Peter Huyck, Alex Gregory, Frida Perez; Regie: Seth Rogen & Evan Goldberg; Besetzung: Seth Rogen, Ike Barinholtz, Chase Sui Wonders, Catherine O’Hara, Kathryn Hahn, Bryan Cranston; Plattform: Apple TV+; Start: 26. März 2025
REVIEW:
„The Studio“ beginnt wie der beste Film über Hollywood seit Robert Altmans „The Player“. Aber erstens ist „The Studio“ kein Film, sondern eine Serie. Zweitens ist „The Studio“ tatsächlich so etwas wie eine Fortsetzung von „The Player“ – oder zumindest ein Update, das viele Elemente der Satire von 1992 aufgreift und für sich adaptiert. Und drittens ist „Beginn“ hier das entscheidende Wort: Die 45-minütige Pilotfolge setzt einen so hohen Standard mit ihren blitzschnellen Anspielungen, hinreißend niederträchtigen Seitenhieben, verblüffenden Gastauftritten der Größten im Filmgeschäft (MARTY!!!) und Truismen über das Hollywood des Hier und Jetzt, dass die weiteren Folgen zwar immer wieder brillant sind, aber doch nicht mithalten können mit dem furiosen Einstieg, der einen mit seinem fiebrigen Jazzrhythmus und inszenatorischen Kabinettstücken regelrecht überrollt. Danach folgen in sich abgeschlossene, kürzere Episoden, die von variierender Qualität sind, Hit & Miss, oftmals abhängig davon, wen man diesmal gewinnen konnte, Hollywood und sich selbst auf den Arm zu nehmen.
Aber erst einmal zurück zum Kronjuwel der neuen Serie des seit dem gemeinsamen Drehbuch von „Superbad“ vor bald 20 Jahren perfekt aufeinander eingespielten Kreativpaar Seth Rogen & Even Goldberg, auf dessen Konto respektlose Filmhits wie „Ananas Express“, „Das ist das Ende“, „Das Interview“, „Sausage Party“ und der Animationsreboot von „Teenage Mutant Ninja Turtles“ (was für eine Liste) ebenso wie die Serienadaption des Comics „Preacher“ oder der „The Boys“-Spinoff „Generation V“, beide für Prime. Am Set eines neuen Actionfilms von Peter Berg (Cameo!) mit Paul Dano (Cameo!) in der Hauptrolle lernen wir Matt Remick kennen, seit 22 Jahren ein Executive bei Continental Studios, ein eingefleischter Cineast und Filmfan, dem sich die einmalige Chance bietet, die Leitung des Studios zu übernehmen (und damit seinen besten Freund auszubooten, Mit-Executive Sal Saperstein, gespielt von Ike Barinholtz mit augenzwinkerndem Verweis auf Tim Robbins‘ Griffin Mill in eingangs erwähntem „The Player“: Die Frisur! Die Anzüge! Die Überheblichkeit! Das süffisante Grinsen!).
Die langjährige Studiochefin Patty Leigh, punktgenau (wie sonst?) gespielt von Catherine O’Hara, ist raus, Matt ist drin. Seinem Chef, der nicht von ungefähr den Namen von Tim Robbins‘ Figur in „The Player“ trägt (feix, feix), von Bryan Cranston gespielt mit weltmännischer Grandezza und haifischartiger Ignoranz („We don’t make films. We make movies. Movies for an audience!“), verspricht er Milliardenumsätze mit dämlichen IP-Filmen, er selbst träumt von den Oscars und einer neuen goldenen Ära Hollywoods. Nicht von ungefähr laufen über den Credits cooler Jazz von Tommy Dorsey oder Dave Brubeck und später Standards von Aretha Franklin und Dean Martin. Nur das Beste! Und doch unerreichbar weit entfernt in einer Zeit, in dem man Filme über den Softdrink Kool-Aid machen soll und mit Nicholas Stoller (Cameo!) zwar einen Topregisseur anlocken kann, aber doch meilenweit entfernt ist davon, ein Werk von bleibendem Wert zu schaffen. Bis besagter Martin Scorsese (Cameo!) dem jungen Studiochef einen Film über den Massenselbstmord in Jonestown mit Steve Buscemi (Cameo!) vorschlägt, der für Matt mit ein bisschen Fantasie genau das Projekt sein könnte, von dem er geträumt hat: Hat Jim Jones seinen Jüngern das Gift damals nicht vermischt mit Kool-Aid verabreicht?
Was folgt, ist ein irrwitziger Spießrutenlauf, in dem jeder jeden hintergeht oder ins Abseits laufen lässt, minutenlang über die richtige Aussprache des Namens „Buscemi“ debattiert wird (ist es „BuSCHemi“, „BuSKemi“ oder „BuSSemi“?), bis der Schauspieler selbst schließlich das Rätsel löst, eine deprimierende Party bei Charlize Theron (Cameo!) und schließlich eine wunderbar emotionale Aussprache mit der ganzen Stadt im Hintergrund, die so eloquent und wahr ist, als würde man eine klassische Szene aus einem Film von Woody Allen sehen: „I love movies, but now I have the fear that my job is to ruin them”. Am Schluss sehen sich Matt und Sal zuhause eine Blu-ray von „GoodFellas“ an und wissen, dass sie Martin Scorsese nach diesem Abend nie wieder näherkommen werden als auf diese Weise. Das ist bittersüß und wunderschön. So bittersüß und wundschön, dass sich die Serie davon nicht mehr erholt.
Es folgen Episoden, wie Sarah Polley versucht, die wichtigste Szene ihrer neuen Arbeit in einem One-Shot während der magic hour zu drehen, wie man Ron Howard beibringt, dass sein ambitionierter neuer Film absolut schrecklich ist, wer dahinter stecken könnte, dass eine Rolle von Olivia Wildes neuer auf Film gedrehter Arbeit verschwunden ist, oder wie zwei der Executives einen Kleinkrieg um das nächste Projekt von Parker Finn beginnen. Das ist immer erfüllt mit einer großen Leidenschaft für Filme und die langsam verschwindende Studiowelt, in der sie entstehen, aber auch von unterschiedlicher Qualität. Und dann hängt so eine Episode schon auch einmal durch. Das Gute ist: Man kann sich gleich danach wieder den Pilotfilm anschauen und sehen, wozu „The Studio“ in der Lage ist, wenn sich die Serie nach Größe und Bedeutung reckt, nach „The Player“, nach „Stadt der Illusionen“, nach „Barton Fink“, wenn sie witzig und wahrhaftig und bittersüß ist und das Positive ak-zen-tu-iert – eine Liebeserklärung an Hollywood als umfassende Lebensphilosophie, oder was noch davon übrig ist: besoffen mit Kino, berauscht von Film.
Thomas Schultze