Zweite Staffel der neuen HBO-Vorzeigeserie, in der die beiden Helden Ellie und Joel nunmehr in einer entlegenen Menschenansiedlung neue Abenteuer in der postapokalyptischen Welt erleben müssen.
FAST FACTS:
• Neue Vorzeigeserie von HBO weiter überragend
• Tagesgespräch während der letzten sieben Wochen
• Erhitzte Debatten über Hauptdarstellerin Bella Ramsey
• Premiere von Staffel 2 hatte bei HBO und Max 5,3 Mio. Zuschauer, ein Plus von 13 % gegenüber Staffel 1
• RT-Score: 92 % Kritiker; 81 % Publikum
CREDITS:
Land / Jahr: USA 2025; Laufzeit: 7 x 60 Minuten; Showrunner: Craig Mazin, Neil Druckman; Regie: Craig Mazin, Mark Mylod, Kate Herron u.a.; Besetzung: Bella Ramsey, Pedro Pascal, Isabella Merced, Young Mazino, Gabriel Luna, Kaitlyn Dever, Jeffrey Wright, Catherine O’Hara; Plattform: Sky
REVIEW:
Keine Frage, an das Gesicht von Bella Ramsey muss man sich gewöhnen. Das war bei Staffel 1 so, das ist bei Staffel 2 nicht anders. Es IST ungewöhnlich, unkonventionell, sicher keine klassische Schönheit. Aber es hat Charakter, Ausdruck, Entschlossenheit, Verletzlichkeit. Sie ist goldrichtig als Ellie, die Heldin von Craig Mazins („Chernobyl“) Serienadaption basierend auf dem PlayStation-Game, das seit 2013 eine stetig wachsende Fangemeinde begeistert – auch wenn die Fangemeinde sich aktuell nicht nur positiv äußert über die fortgesetzten Abenteuer von Ellie und ihrem väterlichen Beschützer aus Teil 1, Joel, eine Art postapokalyptischer „Shane“, gespielt von Pedro Pascal aus „The Mandalorian“ in seiner Signature-Rolle, der das zu diesem Zeitpunkt 14-jährige Mädchen in diesem Zombie-Szenario, das kein Zombie-Szenario ist, weil die mordhungrigen Untoten in diesem Fall streng genommen keine Zombies sind, sondern von einem aggressiven, sich raumgreifend ausbreitenden Pilz befallen wurden, einmal quer durchs Land in eine angebliche Ansiedlung der Widerstandstruppe Fireflies bringen soll. Man denkt sofort „The Walking Dead“, wobei die sinnfälligere Referenz eher „Children of Men“ mit seinem Heilsbringermotiv sein müsste, nur dass es dort um die erste junge Frau geht, die wieder Kinder bekommen kann, und Ellie in „The Last of Us“ ein Hoffnungsschimmer ist, weil sie immun ist gegen die Bisse der pilzbefallenen Menschen, die ansonsten hundertprozentig ansteckend sind.
Dass wir die Besprechung nicht zum Auftakt der zweiten Staffel bringen, sondern erst am Vorabend der Ausstrahlung der siebten und letzten Folge bei Sky, ist dem einfachen Umstand geschuldet, dass die Presse die neuen Episoden immer nur einzeln jeweils kurz vor Ausstrahlung erhalten hatten – gerade nach dem Ritt durch diese fulminante Staffel, bei der HBO wenig Kosten und Mühen gescheut hat, um das Format weiter zu einer der neuen Vorzeigeserien des einstmaligen Kabelsenders aufzubauen, eine rückblickend gute Entscheidung: Die erste Folge gibt wenig Aufschluss auf das, was einen erwartet, eine Review zu diesem Zeitpunkt wäre also nur bedingt hilfreich gewesen. Auch jetzt versprechen wir, auf Spoiler weitgehend zu verzichten, auch wenn gewisse dramatische Ereignisse gerade in den Folgen 2 und 4 bereits umfassend im Netz debattiert wurden (und auch mühelos auf Wikipedia einsehbar sind).
Wenn Staffel 2 beginnt, hat die Handlung einen Sprung um fünf Jahre nach vorn gemacht. Ellie ist keine Jugendliche mehr, sondern eine junge Erwachsene. Ihre Beziehung zu Joel ist angeschlagen, distanziert, ohne dass erklärt werden würde, was einen Keil zwischen die beiden getrieben haben könnte. Ellie gehört zu den Aktivposten der befestigten Fireflies-Ansiedlung in Wyoming, geht mit ihrer Freundin Dina, gespielt von Isabella Merced, auf Patrouille und entwickelt Gefühle für das Mädchen, das auch ein Techtelmechtel mit ihrem gemeinsamen Freund Jesse, gespielt von Young Mazino, hat. In Folge 2, die die Showrunner von „Succession“-Starregisseur Mark Mylod inszenieren ließen, bricht die Hölle schließlich los, attackieren nicht nur die Untoten, sondern geschieht auch etwas unaussprechlich Tragisches, das Ellie dazu bringt, gemeinsam mit Dina gegen den Widerstand der Gemeinschaft nach Seattle aufbrechen zu lassen, wo sich die Handlung schließlich verdichtet, sich neben den bisherigen Gefahren auch die sich in erbitterten Krieg miteinander befindlichen Milizen der Washington Liberation Front und Kämpfer der religiösen Splittergruppe der Seraphiten, erkennbar an der Schnittnarbe im Gesicht, als Bedrohung erweisen.
Im Stil der genialen dritten Folge der ersten Staffel, in der die eigentliche Handlung regelrecht pausierte, um in einer Stunde die Lebensgeschichte eines von Nick Offerman und Murray Bartlett gespielten schwulen Paares zu erzählen, zelebriert auch Staffel 2 in Episode 6 die Ruhe vor dem Sturm, blendet von der angespannten Situation in Seattle weg und erzählt nunmehr die Lebensgeschichte von Joel und wie es zur Entzweiung von Ellie und ihm kommen konnte, um am Ende da anzukommen, wo der gewohnt kompromisslose Showdown in Folge 7 beginnt. Gerade diese genialen Erzählkniffe sind es, die „The Last of Us“ zu mehr machen als nur eine spannende und kompetent erzählte Actionserie. Dass dann auch noch richtige Stars wie die allgegenwärtige Catherine O’Hara, Jeffrey Wright und Kaitlyn Dever vorbeischauen, um Nebenfiguren – oder was zumindest zunächst wie Nebenfiguren wirkt -, Profil und Gewicht zu geben, ist das Tüpfelchen auf dem I dieses prächtigem Beispiel dafür, dass auch anno 2025 unverändert Ausnahmefernsehen produziert wird, das auch in der goldenen Serienära zu den Highlights gehört hätte.
Thomas Schultze