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REVIEW STREAMING: „Jagd auf die Mafia“


Dreiteilige Highend-Doku über die Ermittler, die 2023 der ’Ndrangheta mit der „Operation Eureka“ einen vernichtenden Schlag versetzten.

CREDITS:
Land / Jahr: Deutschland 2025; Laufzeit: 3 x 30 Minuten; Produktion: Christian Beetz, Georg Tschurtschenthaler; Regie: Veronika Kaserer, Stefano Strocchi; Schnittregie: Johan von Mirbach, Florian Schneide; Drehbuch: Veronika Kaserer, Ina Kessebohm, Stefano Strocchi, Georg Tschurtschenthaler; Redaktion: Christiane Hinz, Jutta Krug (WDR), Marc Brasse (NDR), Katharina Ringsgwandl (SWR), Ina-Katrin Hüttig (MDR), Matthias Leybrand (BR), Rolf Bergmann (rbb); Plattformen/Sender: ARD-Mediathek, ARTE, Das Erste

REVIEW:
So sieht Reportage aus, wenn die beetz brothers film production filmisch damit befassen. Deren Handschrift lässt sich jederzeit erkennen in diesem ungewöhnlichen Format über die „größte Anti-Mafia-Aktion der Geschichte“, das in unterschiedlichen Fassungen als Dreiteiler für die ARD-Mediathek (die der Review zugrunde liegt), Fünfteiler für Arte (unter dem Titel „Mafiajäger“) sowie als Sechzigminüter für das Ersterealisiert wurde und dabei jeweils auf identische Material zugriff. Die von Christian Beetz und Georg Tschurtschenthaler produzierte und von Veronika Kaserer und Stefano Strocchi inszenierte Highend-Doku lässt die akribische Recherche erkennen, umfassende journalistische Arbeit, ist aber unterhaltsam und packend aufbereitet in einer Montage aus Interviews mit maßgeblichen Akteuren von Polizei- wie Mafiaseite, Originalaufnahmen und nachgestelltem Filmmaterial. 

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„Jagd auf die Mafia – Episode 1: Die Spur“: Oliver Huth ist leitender Ermittler beim LKA Nordrhein-Westfalen und Teil der Operation Eureka. (Credit: © WDR/Sabine Panossian/beetz brothers film production)

Um die mehrjährige polizeiliche Kleinstarbeit über diverse europäische Territorien hinweg geht es, die am 3. Mai 2023 zur „Operation Eureka“ führte, als in zehn Ländern mehr als 3000 Polizisten zugriffen, um den bisher schwersten Schlag gegen die ’Ndrangheta auszuführen: Allein in Deutschland wurden 30 Haftbefehle vollstreckt, international kam es zu mehr als 150 Festnahmen von Mitgliedern der mittlerweile wohl mächtigsten Mafia-Organisation, die Mitte des 19. Jahrhunderts in den ländlichen Gegenden Kalabriens entstanden war und ab Mitte der 1950er-Jahre mit Beginn der Migration italienischer Gastarbeiter, vornehmlich nach Deutschland, auch in anderen Ländern Fuß zu fassen begann. Der jährliche Jahresumsatz wird auf 50 Milliarden Euro geschätzt, die Hälfte davon durch Drogenhandel, primär mit Kokain. Vor allem Deutschland gilt als wichtige Drehscheibe für die Aktivitäten der ’Ndrangheta, deren strenger Ehrenkodex ihre Mitglieder förmlich unterwirft.

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„Jagd auf die Mafia – Episode 3: Der Zugriff“: Der ehemalige ‚Ndrangheta-Boss Luigi Bonaventura vertraut sich nach einem jahrelangen Doppelleben seiner Frau Paola an. (Credit: © WDR / Nikolaus von Schlebrügge / beetz brothers)

Im Mittelpunkt von „Jagd auf die Mafia“ steht der Düsseldorfer Kriminalhauptkommissar Oliver Huth, dessen Einlassungen und Insider-Informationen als roter Faden durch die Handlung der drei Folgen („Die Spur“, „Die Krake“, „Der Zugriff“) führen. Andere Beamte erzählen vermummt, ebenso wie der ehemalige ‚Ndrangheta-Boss Luigi Bonaventura und dessen Frau Paola: Bonaventura hatte der Organisation abgeschworen und sagte als Kronzeuge gegen andere führende Mitglieder aus. So erhält man einen guten Einblick in die Kommandostruktur der Verbrecherorganisation, ihrer Kultur und Geschichte. Dazu wird man als Zuschauer:in regelrecht embedded in die Bemühungen der Polizei, Einblicke in die Aktionen der ’Ndrangetha zu erlangen, Beweise zu sammeln, eine internationale Koalition zu bilden und schließlich in einem beispiellosen Einsatz zuzuschlagen.

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„Jagd auf die Mafia – Episode 3: Der Zugriff“: Die Verhaftung des ehemaligen ‚Ndrangheta-Mitglieds Giorgio Basile in den 90er-Jahren in Bayern wird in einer Szene nachgestellt. (Credit: © WDR / Nikolaus von Schlebrügge / beetz brothers)

Tonal ist „Jagd auf die Mafia“, ein Nachfolgeprojekt der mehrfach prämierten ARD-Dokuserie „Reeperbahn Spezialeinheit FD65“, dabei wie ein Gegenentwurf zu den frechen True-Crime-Bubenstücken „German Cocaine Cowboy“, „Milliarden Mike“ und „Kill My Doppelgänger“, die als vierteilige Miniserien für Prime Video entstanden waren. Der Ton ist ernst, die Erzählung stringent, das Tempo hoch: Neben einem Maximum an Information auf engstem Raum, stets eine auffällige Qualität der Arbeiten der beetz brothers, ist bei allem gebotenen Ernst auch Raum für Unterhaltung. Weil spannende Geschichten eben immer auch unterhaltsam sind. Und eine viel spannendere Geschichte als „Jagd auf die Mafia“ gibt es kaum. Hut ab.

Thomas Schultze