Die Pyjama Pictures sorgt nach dem „Discounter“-Finale für frischen deutschen Comedy-Nachschub auf Prime Video. Bei der Mockumentary-Comedy „Gerry Star“ im „Weiße alte Männer sind cringe“-Subgenre steht Sascha Nathan als abgehalfterter Musikproduzent im Mittelpunkt.
FAST FACTS:
• Nach „Die Discounter” die nächste Comedy-Serie von Christian Ulmens und Karsten Kelbers Pyjama Pictures für Prime Video
• „Gerry Star“ ist eine achtteilige Mockumentary-Comedy mit Sascha Nathan als abgehalfterter Musikproduzent
• Debütantin Franziska Annekonstans Winkler ist die schauspielerische Entdeckung
CREDITS:
Auftraggeber: Prime Video; Produktion: Pyjama Pictures, Prater Film, Amazon Studios; Produzent:innen: Ina-Christina Kersten, Carsten Kelber und Frank Buchs; Producerin: Mina Avramova; Regie & Buch: Tom Gronau, Max Wolter; Cast: Sascha Nathan, Franziska Annekonstans Winkler, Vivien König, Lars Rudolph, Andrea Sawatzki, Robert Stadlober, Ben Becker, Caro Cult, Noah Tinwa, Mai-Phuong Kollath; Kamera: Johannes Thieme; Casting Director: Peti Misaila; Förderung: FISA+; Episodenanzahl: 8; Start: 10.1.25 auf Prime Video im DACH-Raum
REVIEW:
Nach ihrem langlaufenden Prime-Video-Serien-Hit „Die Discounter“ bringt die Produktionsfirma Pyjama Pictures von Christian Ulmen und Karsten Kelber jetzt eine neue Comedy zum Streamingdienst: In der achtteiligen Mockumentary „Gerry Star“ spielt der noch frisch bei der TeleVisionale in Baden-Baden für eine „Polizeiruf 110“-Rolle ausgezeichnete Sascha Nathan die Titelrolle des abgehalfterten Musikproduzenten, der vor vielen Jahren mal den Schlagerstar Ingo Rose (Robert Stadlober) groß machte.
Die besten Jahre hat Gerry Star aber schon lange hinter sich gelassen, lebt heute in einem Wohnmobil und schlawinert sich in Becky’s Bowlingbahn bei Deggendorf durch die Tage. Denn Besitzerin Becky (Andrea Sawatzki) hat auch die pubertierende Tochter Stella (Debütantin Franziska Annekonstans Winkler) an ihrer Seite, die gerne eine erfolgreiche Gesangskarriere anstreben will. Der Deal lautet: Hilft Gerry der aufstrebenden Stella beim Durchstarten, darf er in der Bowlingbahn kostenlos leben.
Die Serie „Gerry Star“ fällt dabei in das „Weiße alte Männer sind cringe“-Subgenre, in dem ein von der heutigen Zeit völlig überforderter Mann mittleren Alters versucht, sich den Begebenheiten mehr schlecht als recht anzupassen. Für Stella rekrutiert der Produzent zum Beispiel die Bandmitglieder aus dem örtlichen Personal wie dem Hausmeister Micha (Lars Rudolph als bärtiger Waldschrat und Band-Drummer) oder dem neu eingestellten Koch Big B (Noah Tinwa). Als Rahmenhandlung fungiert der bald stattfindende Deggendorfer Song Contest (DSC), bei dem Stella mitmachen will.
Das Bowlingbahn-Setting, das sofort Assoziationen an den Coen-Kultklassiker„The Big Lebowski“ auslöst, hat dabei ein gewisses geerdetes Flair, wenn zwischen Burgerbraten und dem Einsprühen von Bowlingschuhen der nächste Hitsong generiert werden soll. Zumal Titelfigur Gerry, den Sascha Nathan mit einem südhessischen Günter-Strack-Gedächtnisdialekt spielt, an allem gelegen ist, nur nicht ernsthaft die Karriere der kleinen Stella zu befördern, sondern im besten Fall mit seinem ehemaligen Musikpartner Ingo Rose wieder zusammenzukommen. Gerry ist latent übergriffig bei jüngeren Frauen, lebt technisch hinter dem Mond und tritt virtuos ungeschickt von einem gesellschaftlichen Fettnäpfchen ins nächste.
Interessanter ist die hochgewachsene Bowlingbahn-Tochter Stella, die nicht den konditionierten kapitalistischen Model-Normen entspricht, aber gut singen kann und ein Auge auf den neuen Koch geworfen hat, der wiederum lieber nach der Mitarbeitenden Helli (Caro Cult) schielt. In ihrer liebenswerten Unsicherheit, den langgezogenen Sätzen und der Naivität, wie sie an die Karriereplanung herangeht, bildet Stella das empathische und emotionale Zentrum der Serie. Newcomerin Franziska Annekonstans Winkler ist dabei eine schauspielerische Entdeckung.
Die visuelle Mockumentary-Umsetzung des Ganzen ist altbekannt und gut etabliert, dass die Szenen nicht nur so wirken, als sei ein Dokumentar-Kamerateam anwesend, sondern dazwischen auch immer wieder kleine Interview-Ausschnitte der Protagonisten zu sehen sind, wie sie die eigene Szenerie ironisch widersprüchlich kommentieren. Pyjama Pictures (Produzent:innen: Ina-Christina Kersten, Carsten Kelber und Frank Buchs) arbeitete bei „Gerry Star“ mit der österreichischen Prater Film zusammen, die bei der Herstellung vor Ort in Wien und Umgebung half.
Es ist das erste große Projekt von Tom Gronau und Max Wolter, die gemeinsam Regie führten und die Drehbücher schrieben. Im Cringe-Kosmos der Pyjama Pictures beweist sich „Gerry Star“ als kurzweilige Comedy-Alternative zu „Jerks“ oder „Die Discounter“, wobei die Peinlichkeiten der Titelfigur einem aus den vergangenen Jahren Serienschauen eher bekannt vorkommen. Die Serie punktet mehr über die kleineren Momente und Szenen der jüngeren Protagonisten.
Michael Müller