Brillante Verfilmung des Bestsellers von Robert Harris über einen Kardinaldekan, der nach dem Tod des Papstes im Konklave einer weitreichenden Verschwörung auf die Spur kommt.
FAST FACTS:
• Erster Film von Edward Berger seit seinem Oscartriumph „Im Westen nichts Neues“
• Hochkarätige Verfilmung des Bestsellers von Robert Harris
• Herausragende Besetzung mit einer oscarreifen Leistung von Ralph Fiennes
• Hoch gehandelt im aktuellen Oscarrennen
• Gefeierte Festivalauftritte in Telluride, Toronto und San Sebastián
CREDITS:
O-Titel: Conclave; Land / Jahr: USA 2024; Laufzeit: 120 Minuten, Regie: Edward Berger; Drehbuch: Peter Straughan; Besetzung: Ralph Fiennes, Stanley Tucci, John Lithgow, Isabella Rossellini, Sergio Castellitto, Merab Ninidze; Verleih: Leonine Studios; Start: 21. November 2024
REVIEW:
Der britische Schriftsteller und Journalist Robert Harris ist es gewohnt, dass seine Romane namhaft verfilmt werden: sein Debüt „Vaterland“ von Christopher Menaul, „Enigma“ von Michael Apted, „Ghost“ unter dem Titel der „Der Ghostwriter“ von Roman Polanski (dem er dann auch „Intrige“ auf den Leib schrieb), „München“ von Christian Schwochow. Nun hat sich Edward Berger einer seiner höchst filmischen Vorlagen angenommen, „Konklave“, ein Roman aus dem Jahr 2016, als hätte Dan Brown eine seiner Geschichten mit Nebensätzen geschrieben, mit Tiefgang, anspielungsreich, gewandt, gewitzt. Auf gut Deutsch: großartige, spannende, wendungsreiche Unterhaltung für Erwachsene. Es ist eine ideale Gelegenheit für Edward Berger, seine kreativen Muskeln spielen zu lassen, seinem Oscargewinner „Im Westen nichts Neues“ ein Projekt folgen zu lassen, das so gänzlich anders ist, ihm aber als Filmemacher ebenso liegt: Nach dem expansiven Epos ein konzentriertes Kammerspiel, nach dem körperlich spürbaren Spektakel ein versierter Schauspielerfilm, der so geschickt und passgenau geplottet ist, dass es eines wahren Könners bedarf, um ihn wirklich wie ein Uhrwerk funktionieren zu lassen, ein mit feinster Konzentration und Kontrolle realisierter Thriller über eine oder vielleicht sogar mehrere Verschwörungen während des Konklaves im Vatikan.
„Konklave“ ist ein Meisterstück an ökonomischer Erzählung. Alle Räder greifen ineinander, nichts ist fehl am Platz, jedes Detail erfüllt seinen Zweck. Es ist eine Freude, dem Film zuzusehen, mitzuerleben, wie er seine Figuren einführt, den Plot entwickelt, immer genau dosiert die Charaktere untermauert, einen Haken schlägt, neue Entwicklungen und Erkenntnisse an den Tag fördert. Ein Konklave ist ein dankbarer Rahmen, ein geheimnisvoller, ritualisierter Vorgang hinter geschlossenen Türen, umrankt von Mysterien und möglichen Verschwörungen: Wie genau ist das Prozedere, wie werben die potenziellen Nachfolger des verstorbenen Pontifex um die Gunst der anderen Kardinäle, was geht zwischen den Wahlgängen vor sich. Edward Berger und sein brillanter Drehbuchautor Peter Straughan („Dame, König, As, Spion“) verstehen das, wie es auch Robert Harris in seiner Vorlage verstanden hat. Und die Filmemacher wissen, dass diese Geschichte schnell wie ein Stück Pulp Fiction rüberkommen könnte, wenn man nicht die richtigen Schauspieler finden würde: Ralph Fiennes ist die Idealbesetzung als Kardinaldekan Thomas Lawrence, dem man jeden Zweifel, jede Entscheidung, jede Prüfung seines Glaubens ansieht, ohne dass es jemals bemüht oder angestrengt aussähe. Stanley Tucci, John Lithgow, Isabella Rossellini, Sergio Castellitto und Carlos Diehz in den wichtigsten Rollen stehen ihm in nichts nach.
Sede vacante. Der Sitz ist frei. So beginnt „Konklave“: Kardinaldekan Thomas Lawrence wird ins Zimmer des toten Papstes gerufen, in seinen Augen überraschend gestorben. Er wird damit beauftragt, die Leitung des Konklaves zu übernehmen: 108 Kardinäle werden hinter verschlossenen Türen, abgeschirmt von der Außenwelt, in wiederholten Wahlgängen ein neues Oberhaupt der katholischen Kirche wählen. Der italienische Kardinal Tedesco gilt als Hardliner, als Vertreter einer rückschrittlichen Lesart des katholischen Glaubens, am anderen Ende des Spektrums ist der progressive Amerikaner Bellini, der zunächst nichts davon wissen will, Papst zu werden, dann aber alles daran setzt, Tedesco zu verhindern. Chancen ausrechnen dürfen sich außerdem noch der durchtriebene Strippenzieher Tremblay und der Schwarzafrikaner Adeyemi. Überraschend gesellt sich zu den anwesenden Männern noch der Kardinal Benitez, den der Papst kurz vor seinem Tode zu seinem Vertreter in Kabul ernannt hatte. Er ist so etwas wie der Joker in dem Kartenspiel, das Lawrence sofort zu fordern beginnt mit zahllosen Umwegen und Überraschungen, Enthüllungen und Intrigen, akzentuiert und geordnet durch die Ergebnisse der einzelnen Wahlgänge, die wie eine kurze Zusammenfassung der aktuellen Handlung wirken.
Kameramann Stéphane Fontaine, der erstmals mit Edward Berger arbeitet, hüllt seine wohltemperierten Bilder in das ewige Grau von Marmor und Stein, akzentuiert nur durch rote Tupfen in den Roben und Hauben der Kardinäle und mancher Türen. Es ist eine klaustrophobische Welt, wie in Meißel gehauen und ihren Konventionen verpflichtet. Immer wieder wird Ralph Fiennes von hinten gefilmt, nur sein Hinterkopf. Er trägt alle Verantwortung, alle Last auf seinen Schultern, muss auf jeden neuen Haken reagieren, und das sind im Verlauf des Films einige. Natürlich wird hier eine Geschichte über die Verantwortung von Macht und Entscheidungen des Gewissens erzählt, Spiritualität in der materiellen Welt. Natürlich nutzt Edward Berger die Steilvorlage dieses hermetisch in sich versiegelten Universums, um viele aktuell drängende Themen anzuschneiden und damit die Handlung zu unterfüttern. Der beste Moment gehört Isabella Rossellini – Szenenapplaus in San Sebstián, Aber das Allerbeste ist die Musik, wieder von Oscargewinner Volker Bertelmann, der seinen Score für „Im Westen nichts Neues“ noch einmal übertrifft. Ein Moment, in dem ein krasser Schnitt von einem schrillen Geigenstakkato mit Posaunenakzent zum Schluss begleitet wird, geht einem durch Mark und Bein. Wie man überhaupt elektrisiert dabei ist, bis zum letzten erzählerischen Paukenschlag: So gut kann Kino sein, wenn es von Leuten gemacht wird, die wissen, dass sie mit tollem Material arbeiten.
Thomas Schultze