Fortsetzung des Hits von Disney Animation aus dem Jahr 2016, in dem die Titelheldin einen Trupp von Mitstreitern um sich versammelt, um eine verschwundene Insel zu finden.
FAST FACTS:
• Fortsetzung des Blockbusters von Disney Animation
• „Vaiana“ schaffte in den deutschen Kinos 2,15 Mio. Tickets; US-Boxoffice: 250 Mio. Dollar; weltweit 690 Mio. Dollar
• Sensationeller Buzz; Prognosen für US-Start phänomenal
• Meistgeklickter Trailer von Disney Animation überhaupt: 178 Mio. Streams in den ersten 24 Stunden
CREDITS:
O-Titel: Moana 2; Land / Jahr: USA 2024; Laufzeit: 100 Minuten; Regie: David Derrick Jr., Jason Hand, Dana Ledoux Miller; Drehbuch: David Derrick Jr.; Verleih: Disney; Start: 28. November 2024
REVIEW:
„Vaiana“ blickte in die Vergangenheit, damals im Jahr 2016, darauf, wo man herkommt, wenn man wissen will, wer man ist. „Vaiana 2“ blickt in die Zukunft, acht Jahre später, darauf, wo man hinwill, wenn man wissen möchte, was sein könnte. Das ist der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Filmen, die sonst so parallel zueinander gebaut sind, die sich immer wieder aneinander spiegeln, so viele Gemeinsamkeiten haben und doch in den Details und den entscheidenden Momenten ganz unterschiedlich voneinander sind. „Vaiana“ war von Veteranen von Disney gemacht worden, von John Musker und Ron Clements (mit Unterstützung von Don Hall), die Macher von „Arielle, die Meerjungfrau“, „Hercules“ und „Der Frosch und die Prinzessin“, der letzte handgemachte Zeichentrickfilm des Traditionsstudios – die alte Garde. Die Fortsetzung lag nun in den Händen von David Derrick Jr. und Jason Hand sowie Dana Ledoux Miller, die ersten beiden erfahrene Kreativkräfte bei Disney, die hiermit ihr Regiedebüt geben – die junge Garde. Eine Staffelübergabe also, wie sie auch im Film selbst thematisiert wird.
„Vaiana“ sang das Hohelied auf den Individualismus. Die Fortsetzung strebt nach Gemeinschaft. Denn Vaiana ist nicht mehr auf der Suche nach selbst. In „Vaiana 2“ ist sie in die Rolle der designierten Anführerin ihres Volkes auf der kleinen polynesischen Insel Motonui gewachsen, ist von der rebellischen Außenseiterin zu einer Leitfigur geworden, die Verantwortung übernimmt, gerade weil ihre kleine Schwester zu ihr aufblickt, dabei allerdings ihre Energie und unstillbaren Tatendrang nicht verloren hat, wie gleich die erste Szene des Films zeigt, die man fast identisch gerade erst vor ein paar Monaten in „Planet of the Apes: New Kingdom“ gesehen hat: Todesmutig und behände erklimmt sie einen Berg – ain’t no mountain high enough – mit dem Schweinchen Pua im Schlepptau. Buchstäblich. Ihr Blick ist nach vorne gerichtet, in die Ferne. Ebenfalls buchstäblich. Und im übertragenen Sinne, weil Vaiana sich sorgt um die Zukunft ihres Stammes, nach Verbindungen sucht, darauf hofft, ihre Leute Teil eines größeren Ganzen sein lassen zu können, ein bisschen wie in „Raya und der letzte Drache“, in dem es darum ging, fünf voneinander getrennte Reiche zu einem großen Ganzen zusammenzufügen.
Das Streben nach Heilung und Ganzheit ist die Triebfeder in „Vaiana 2“, lässt die Heldin wieder in See stechen auf der Suche nach der sagenumwobenen versunkenen Insel Motufetu, die von einem Fluch befreit werden muss, wenn man die Völker der Südsee wieder vereinen will. Dazu muss sie nicht nur eine bunte Crew für die Reise verpflichten, die patente Handwerkerin Loto, den griesgrämigen Bauern Kele und den begeisterungsfähigen Chronisten Moni sowie Schweinchen Pua und Hahn Hehe, sondern auch wieder auf die Unterstützung des Halbgottes Maui vertrauen, den die Seefahrenden erst einmal aus einer peinlichen Gefangenschaft in den Tiefen des Ozeans befreien müssen. Nur mit gemeinsamen Kräften kommt man voran. Das gilt auch im 63. abendfüllenden Animationsfilm von Disney, der in hohem Tempo Abenteuer an Abenteuer reiht, ebenso rasend schnell seine Gags raushaut und zwischendrin eine Handvoll eingängiger und mit einer Ausnahme schmissiger Songs bereithält, die im Stil des ersten Films gehalten wurden, allerdings diesmal nicht von Lin-Manuel Miranda, sondern – Frauenpower! – Abigail Barlow und Emily Bear verfasst.
Der netteste Einfall ist es, die Kokomora nicht einfach nur zurückkehren zu lassen, sondern eine der garstigsten der entzückenden Kokosgestalten mit in die Mannschaft zu rücken, ihn im Stil eines Minions zwar weiterhin durchtrieben und feindselig gesinnt sein zu lassen, aber als Sympathieträger immer wieder für ein paar der gelungeneren Gags einzusetzen. Der ganze Film ist Fan-Service. All die Elemente, die den ersten Film zunächst zum grundsoliden Kinohit hatten werden lassen mit 690 Millionen Dollar Einspiel weltweit und dann im Lauf der Jahre zum kultisch gefeierten Publikumsliebling, sind wieder vertreten: die lebhaften, poppenden Farben, die hart am Rand zum Ethnokitsch wabernde Naturmystik, die angesprochenen Songs, die man sofort Mitsummen kann, das schlagfertige Hin und Her zwischen Vaiana und Maui, unaufhaltsame junge Frau auf der einen, seine Unsicherheit mit Überheblichkeit verdeckender Kraftprotz auf der anderen Seite.
Es ist ein Film, der einen abholt und dann auf den Wogen seiner eigenen Begeisterung trägt. Und das so überzeugend, dass man nur hin und wieder eine Unwucht entdeckt, die dann da herrührt, dass „Vaiana 2“ zunächst als Fernsehserie für Disney+ geplant war, dann aber doch zum Kinofilm umgearbeitet wurde: Die Nebenfiguren bekommen etwas wenig zu tun, bleiben oft Staffage und Stichwortgeber für Vaiana und Maui, wo man aber doch erkennen kann, dass sie offenkundig mit eigenen Handlungsbögen angelegt wurden und zu mehr auserkoren waren, als nur genau da zu sein, wo die Hauptfiguren sie gerade dringend brauchen. Da machen sie ihre Sache dann aber ausgezeichnet. Viel Zeit zur Verwunderung bleibt nicht, weil der Film dann doch immer mit vollster Disney-Pracht zum Wundern einlädt, zum Staunen, zum immersiven Eintauchen in seine polynesischen Wasserwelten, the way of the water. Ein frühes Weihnachtsgeschenk also voller tropischer Wärme und Sonnenlicht, mit dem Disney Animation den Kollegen von Pixar zuwinkt: Was ihr mit „Alles steht Kopf 2“ schafft, das können wir auch!
Thomas Schultze