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REVIEW KINO: „Thunderbolts*“


Abschluss der Phase 5 des MCU mit einer bunt zusammengewürfelten Gruppe Antihelden, die bei einer riskanten Mission mit den Dämonen der Vergangenheit konfrontiert wird.

CREDITS:
Land / Jahr: USA 2025; Laufzeit: 126 Minuten; Regie: Jake Schreier; Drehbuch: Eric Pearson, Joanna Calo; Besetzung: Florence Pugh, Lewis Pullman, Sebastian Stan, Hannah John-Kamen, Geraldine Viswanathan, David Harbour, Violet McGraw, Olga Kurylenko, Wyatt Russell; Verleih: Disney; Start: 1. Mai 2025

REVIEW:
Was zum Thor, Loki und deren beider Schwester Hela fragte man sich, wenn man in den letzten Monaten gerade nicht über Weltkrisen, Importzölle, schleppende Ticketzahlen in den Kinos und den generellen Wahnsinn des Lebens nachgrübelte, hat es mit diesem gottverdammten „*“ auf sich, diesem unerklärlichen Zusatz im Titel „Thunderbolts“? Ist es ein Fleißsternchen vielleicht, ein besonderer Hinweis, ein Gender-Einbeziehungssymbol oder nur eine Ablenkung, ein Verschönerungsschnörkel? Ist es ein Asterisk gar, ein Fußnotenzeichen, nur dass man die Fußnote vergessen hatte oder man selbst einfach nur zu blöd war, sie zu finden, irgendwo verborgen im Kleingedruckten eines Pressetextes. Wenn man „Thunderbolts*“ gesehen hat, weiß man, was das „*“ bedeutet. Es ist die Überraschung, der besondere Clou des Films, mit dem das Marvel Cinematic Universe seine sehr, sehr unausgeglichene fünfte Phase nach sechs Titeln mit einem kleinen Highlight beschließt, nach dem zwischen den beiden Tiefpunkten „Die Marvels“ (schüttel!) und „Captain America: Brave New World“ (zzzz!) eingebetteten Geniestreich „Deadpool vs. Deapool“. Es ist auch der Grund, warum es fast unmöglich ist, eine wirklich umfassende Besprechung des Films zu schreiben, weil HEAVY SPOILER ALERT. *hust hust*

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David Harbour, Hannah John-Kamen, Sebastian Stan, Florence Pugh und Wyatt Russell in „Thunderbolts*“ (Credit: Marvel Studios)

So muss man festhalten, dass Marvel-Studios-Chef Kevin Feige sehr hoch pokert mit diesem Film. Der ein one trick pony ist, ein Taschenspielertrick, ein sleight of hand, ein Zauberkunststück, ein Zauberer of Oz hinter dem Vorhang, dem es gelingen muss, von dem Wesentlichen abzulenken, um was es ihm wirklich geht, und das so gut zu machen, dass man stets am Ball bleibt, involviert ist, mitfiebert. „Thunderbolts*“ ist so etwas wie der „Ein Quantum Trost“ des MCU, ein Überbrückungsfilm, der aber so aufregend sein muss, dass er auf eigenen Beinen steht, den man beim Schauen als leichte Unterhaltung empfindet, aber rückblickend als große Ouvertüre begreifen darf. Ohne „Ein Quantum Trost“ kein „Skyfall“. Ohne „Thunderbolts*“ keine Phase 6. Was man nicht alles hören durfte im Vorfeld und den letzten Tagen. Der A24-Film unter den Superhelden-Eventmovies sollte es sein, hieß es, eine 200-Millionen-Dollar-Produktion mit dem Herzen eines Independentfilms, was auf den Underdog-Charakter abzielte, einen eher hausgemachten Charme, eine Rückbesinnung zu etwas Handfesterem nach der letzthin ausgereizt erschienenen Gigantomanie. Back to the basics, zurück zu den Figuren und der Schlagfertigkeit, die einen damals eingenommen hatte für „Iron Man“, mit dem 2008 alles begann und den man davor eigentlich auch eher als einen B-Hero aus der zweiten Reihe angesehen hatte, bevor Robert Downey Jr. passierte. 

Nun ist es nicht so, als würde ein Trupp No-Names in sein größtes Abenteuer geschickt. Florence PughDavid Harbour und Sebastian Stan sind durchaus klingende Namen und noch bessere Schauspieler:innen, aber ihre Figuren Yelena Belova, Red Guardian und der Winter Soldier waren bislang eher Fußsoldaten an der Seite der großen Avengers, was für Wyatt Russell als U.S. Agent, Hannah John-Kamen als Ghost und Lewis Pullman als Sentry noch einmal doppelt zählt. Der Marvel-erfahrene Autor Eric Pearson („Thor – Tag der Entscheidung“, „Black Widow“) und die ihm an die Seite gestellte Kollegin Joanna Calo („The Bear“, „Beef“, „Hacks“) machen, wie das bei Marvel längst als hohe Kunst zelebriert wird, aus der vermeintlichen Not eine Tugend und betonen den Verliererstatus der Sechs im Verlauf der Handlung gemeinsam mit Regisseur Jake Schreier (ebenfalls „Beef“) nicht nur, sie beziehen aus der Sinnlosigkeit und Unzufriedenheit ihrer Existenz den Zündstoff für die Handlung, machen die Leere selbst in einem visuell genialisch gelösten Kniff zum ureigenen und so gut wie bezwingbaren Gegenspieler, ein kluges Abziehbild für die Negativität und unbändige Wut, die einem selbst in harmlosesten Diskussionen in den sozialen Medien entgegenbrandet. 

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Florence Pugh in „Thunderbolts*“ (Credit: Marvel Studios)

Es bedarf indes einer gewissen Anlaufzeit, bis „Thunderbolts*“ den strahlenden „*“ in sich findet, seinen Rhythmus und das Ensemble seinen die Figuren vereinenden Groove. Das mag mit dem unattraktiven Look zu tun haben, mit dem David Lowerys Kameramann Andrew Droz Palermo („The Green Knight“, „A Ghost Story“) die Superheldenwelt in dunklen Suppenfarben anstreicht, aber auch dem Eindruck, dass man sich bisweilen in einer ausgedehnten Psychotherapie-Session für depressive Versager befindet, wenn nicht gerade David Harbour zum Ausgleich mit dem breitesten russischen Akzent aller Zeiten gute Laune und erstaunliche Oneliner im Minutentakt (wenn er denn in den Szenen ist) raushauen würde. Unterbeschäftigt bleibt das Ensemble einfach auch deshalb, weil soviel Exposition und Plot zu erzählen ist, wie die im Entstehen begriffenen Anti-Avenger aufeinandertreffen, weil die durchtriebene Valentina Allegra de Fontaine, gespielt von im Cruella-De-Ville-Look, die nicht ganz so superen Helden eigentlich als gegenseitige Killer aufeinander loslässt, sich die Fünf dann erst einmal erstmals gemeinsam aus einer kniffligen Situation befreien müssen, um dann nach ein paar Umwegen in dem Gebäude in New York zu landen, in dem die Avengers manche ihrer kühnsten Taten verrichteten: Hier wird sich auch ihr Schicksal erfüllen, wenn ein neuer gottgleicher Bösewicht mit dem Fingerschnippen eines Thanos einen ewigen Schatten über die Stadt wirft. Nicht immer hat man in den vorangegangenen 100 Minuten gewusst, warum genau man zuschaut. Jetzt ist es auf einmal klar, glasklar. Mit „*“ hintendran. 

Thomas Schultze