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REVIEW KINO: „Smile 2 – Siehst Du es auch?“

Fortsetzung des Horrorphänomens von 2022, in der ein Popstar kurz vor seinem Comeback von dem bekannten Dämon verfolgt wird.

CREDITS:
O-Titel: Smile 2; Land / Jahr: USA 2024; Laufzeit: 127 Minuten; Regie & Drehbuch: Parker Fin; Besetzung: Naomi Scott, Dylan Gelula, Rosemarie DeWitt, Lukas Gage, Kyle Gallner; Verleih: Paramount; Start: 17. September 2024

REVIEW:
Dass Parker Finn es ernst meint mit „Smile 2 – Siehst Du es auch?“, es nicht auf die schnelle Kohle abgesehen hat, stellt er gleich mit der ersten Szene der Fortsetzung unter Beweis, ein virtuos choreographierter One-Shot, sechs Minuten lang und voller verblüffender Momente und beeindruckender Action, der das Publikum einerseits einstimmt auf die kommenden zwei Stunden, andererseits gleich daran erinnert, was die Prämisse seines Überraschungshits von 2022 war, eine kluge und konsequente Variante von „It Follows“: Ein nicht weiter erklärter Dämon ergreift Besitz von einem Menschen und setzt ihm so lange zu mit beklemmenden Visionen und Erscheinungen bizarr grinsender Menschen, die sich selbst schreckliche Dinge antun, bis man sich in einer Verzweiflung nach sieben Tagen selbst das Leben nimmt und damit automatisch an den nächsten übergibt, der in seiner Nähe ist – ein Perpetuum Mobile des Wahnsinns und grotesker Bluttaten. 

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Naomi Scott in Parker Finns „Smile 2 – Siehst Du es auch?“ (Credit: Paramount)

Den ersten Teil hatte niemand auf der Rechnung gehabt. Entstanden für schlanke 17 Mio. Dollar, war „Smile – Siehst Du es auch?“, das Debüt von Regisseur Finn, basierend auf seinem eigenen Kurzfilm „Laura Hasn’t Slept“, zunächst lediglich für den Streamingdienst Paramount+ vorgesehen, wurde dann aber nach positiven Testscreenings doch ins Kino geschickt. Knapp 220 Mio. Dollar weltweites Boxoffice später hatte wieder jeder gewusst, dass man auf einer Goldmine gesessen hatte: Die Fortsetzung war ausgemachte Sache. Dass sie nun nicht „more of the same“ geworden ist, sondern ein komplexer, köstlich merkwürdiger Film, der die Motive und Ideen des Originals übernimmt und nun ausbreitet auf einem bizarren Bildteppich über die Fallstricke des Popgeschäfts und Berühmtheit im Jahr 2024 ist der schieren Ambition des „Smile“-Schöpfers geschuldet: Sein „Smile 2 – Siehst du es auch?“ ist zu gleichen Teilen Polanskis „Ekel“ und Brady Corbets „Vox Lux“ und doch angefüllt mit den genussvoll ausgereizten Schockmomenten und diesem GRINSEN, die Teils eins zum Gesprächsthema gemacht hatten – als wäre endlich jemand auf die Idee gekommen, die ultimativen Creepout-Musikvideos von Chris Cunningham mit dem Konzept eines amerikanischen Horrorfilms zu kombinieren: Gab es zu Beginn der 2000er einen bestürzenderen Anblick, als Aphex Twins zu einer dauergrinsenden Fratze eingefrorenes Gesicht auf alle Figuren von „Come to Daddy“ projiziert zu sehen (wer sich davon erholt hat, kann noch einen Blick auf „Windowlicker“ riskieren)?

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Naomi Scott in Parker Finns „Smile 2 – Siehst Du es auch?“ (Credit: Paramount)

„Smile 2“ setzt mit seinem Intro sechs Tage nach Beginn des ersten Films an, an dessen Ende – SPOILER-ALARM! – der junge Cop Joel, gespielt von Kyle Gallner, mitansehen hatte müssen, wie sich seine Ex-Freundin, die Psychologin Rose selbst anzündete, in der Hoffnung, in aller Abgeschiedenheit den Fluch zu beenden, der sie – und mit ihr das Kinopublikum – förmlich in den Wahnsinn getrieben hatte. Nun ist Joel der Träger des Fluchs und will ihn an einen widerwärtigen Gangster und Drogendealer weitergeben, doch der Plan schlägt fehl. Ein anderer wird angesteckt, Joel wird von einem Auto überfahren und hinterlässt einen ekelerregenden Blutstreifen in Form eines, richtig, Lächelns. Dieses Lächeln wird dem Zuschauer:in in der Folge immer wieder begegnen, wenn man dem gefeierten Popstar Skye Riley folgt, gespielt von „Aladdin“-StarNaomi Scott in einer wahrhaft irrwitzigen Tour de Force, die in einer gerechten Welt Teil der Oscardiskussion sein sollte. Man sieht das Lächeln im Ausschnitt eines ihrer fabulösen roten Bühnenkostüme, es ist auf immer eingebrannt im Gesicht ihres stets hilfsbereiten Assistenten, und ihre Mutter und Managerin, gespielt von Rosemarie DeWitt sagt gerne einmal, weil sie weiß, dass die Show weitergehen muss: Jetzt lächel‘ doch mal!

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Naomi Scott in Parker Finns „Smile 2 – Siehst Du es auch?“ (Credit: Paramount)

Skye hat ein hartes Jahr hinter sich. Der Ruhm hatte sie abheben lassen. Drogen, Skandale, Sucht. Bis sie als Beifahrerin im Sportwagen ihres Boyfriends, beide voll mit Koks bis unter die Hutkrempe, einen fatalen Unfall erlebte, der ihn das Leben und sie Monate im Krankenhaus kostete. Nun ist sie clean, hat sich die Haare abgeschnitten, blond gefärbt und ist bereit, nach einer Mea-Culpa-Tour durch die diversen Talkshows ihre Fans zurückzuerobern. Eine krasse Narbe auf ihrem Bauch wird sie auf ewig daran erinnern, was sie erlebt hat. Wie auch peinigende Rückenschmerzen, die sie schließlich dazu bringen, sich nachts aus ihrem New Yorker Luxusappartement zu stehlen und sich bei einem Freund heftige Painkiller zu besorgen. Er ist der Junge, an den Josh zu Beginn des Films den Fluch weitergegeben hatte – und er ermordet sich vor den Augen Skyes auf legendär brutale Weise. Was aber auch bedeutet, dass fortan merkwürdige Dinge im Leben des Popstars geschehen, angefangen bei bizarr grinsenden Fans, die sich mit ihr ablichten lassen (Hallo, „Come to Daddy“ – siehe zweiter Absatz), wie auch weiteren zunehmend beklemmenden Schockvisionen, die sie schneller den Boden der Realität verlassen lassen, als es jeder Ruhm der Welt jemals schaffen könnte. 

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Lukas Gage in Parker Finns „Smile 2 – Siehst Du es auch?“ (Credit: Paramount)

Was sich entfaltet, ist ein Psychohorror auf zwei Ebenen, die sich gegenseitig bedingen und füttern. Zum einen treibt Parker Finn den Horrorplot voran, flechtet starke Terrorsequenzen herein, effektive Schockmomente, ein steter Horrortrip ins Ungewisse. Zum anderen erzählt er aber auch eine Geschichte über die Einsamkeit des Popstars, die Grausamkeit der Unterhaltungsindustrie, die sich Talente schnappt und auswringt, bis nichts mehr von ihnen und ihrer Kreativität übrig ist. Der Schocker und das Cautionary Tale überkreuzen fortwährend die Wege und finden schließlich zusammen in einem wahrhaft wahnwitzigen Paranoia-Showdown, der sich zunächst einbrennt mit einem kolossalen Grinse-Tableau für die Ewigkeit und dann einem Finale, das all das richtig macht und konsequent durchdekliniert, wo der tonal und thematisch gar nicht mal so andersartige „The Substance“ zu sehr auf den billigen Schrecken setzt. Gut gemacht, Parker Finn. Weitermachen. 

Thomas Schultze