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REVIEW KINO: „Piece By Piece“

Origineller Dokumentarfilm über Leben und Karriere des Hiphop-Superstars Pharrell Williams, der allerdings komplett mit Legosteinen realisiert wurde. 

CREDITS:
Land / Jahr: USA 2024; Laufzeit: 93 Minuten; Regie: Morgan Neville; Drehbuch: Morgan Neville, Oscar Vazquez, Aaron Wickenden; Besetzung: Pharrell Williams, Morgan Neville, Kendrick Lamar, Gwen Stefani, Timbaland, Snoop Dogg; Verleih: Universal; Start: 23. Januar 2025

REVIEW:
Ziemlich zu Beginn von „Piece By Piece“ beschreibt Pharrell Williams seine erste Wahrnehmung von Musik als kleiner Junge als eine körperliche Erfahrung, als würde er die Töne wahrnehmen wie Farben und Lichter: Stevie Wonder und „Songs in the Key of Life“ als kosmischer Trip. Will man dem Musiker, Sänger und Produzent aus Virginia Island, der HipHop mit seinen unverkennbaren Beats und ungewöhnlichen Harmonien geprägt hat in den letzten 25 Jahren wie wenige andere, in einem Film gerecht werden, ohne einfach nur sein Leben nachzuerzählen, muss man einen Weg finden, Bilder für sein musikalisches Empfinden zu finden. Das mag der Ursprung der Idee gewesen sein, einen Dokumentarfilm zu machen und ihn dann mit Legosteinen noch einmal zu drehen, ein funkelndes, glitzerndes Dings, das in alle Farben und Richtungen zu explodieren scheint – ein bisschen, wie es einem geht, wenn man eines dieser wunderbaren, eigenartigen Konfekte aus der Schmiede von Pharrell und den Neptunes zum ersten Mal hört, „Milkshake“ von Kelis, „Shake Ya Ass“ von Mystikal oder „Like I Love You“ von Justin Timberlake, wie heruntergebeamt aus einer anderen Galaxie, um Frieden und Freude zu bringen. Tanz mit dem Herzen oder tanz gar nicht.

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„Piece By Piece“ von Morgan Neville (Credit: Courtesy of Focus Features / © 2024 FOCUS FEATURES LLC)

Natürlich lässt sich hervorragend streiten darüber, ob man einen komplett mit Lego animierten Film einen Dokumentarfilm nennen kann. Wer sich auf diese Diskussion versteift, hat aber nicht begriffen, worum es geht. Das Sprengen von Konventionen, Brechen von Regeln, Neuerfinden, Auseinandernehmen und neu Zusammensetzen, Stück für Stück, Legostein um Legostein, steckt intrinsisch in der Kunst von Pharrell Williams, der ganz alltägliche Geräusche kombiniert mit klassischen Drums, um seine Beats und Kadenzen zu basteln. Erlaubt ist, was gut klingt und tanzen lässt. Das kann doch ein einfaches Zungenschnalzen sein wie bei „Drop It Like It’s Hot“ von Snoop Dogg, womöglich der essenzielle Pharrell-Jam, sein Credo komprimiert in perfekte vier Minuten Pop. So ähnlich funktioniert auch „Piece By Piece“, gewiss der ungewöhnlichste Film von Morgan Neville bislang, der für seinen famosen „Won’t You Be My Neighbor“ über Mr. Rodgers 2018 einen Oscar für den besten Dokumentarfilm gewinnen konnte und in diesem Jahr bereits mit seiner zweiteiligen Doku über Steve Martin auf Apple TV+ Maßstäbe gesetzt hatte. 

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„Piece By Piece“ von Morgan Neville (Credit: Courtesy of Focus Features / © 2024 FOCUS FEATURES LLC)

Wie diene ich diesem Ding namens Leben? Pharrell Williams stellt diese Frage gegen Ende des Films. Es ist seine Erkenntnis nach einer Karriere, die nach einer behüteten Kindheit mit zwei Eltern, die seine Kreativität immer unterstützt haben, weil sie den sonderlichen Jungen mit der überbordenden Fantasie niemals geradebiegen wollten, immer nur bergauf ging nach seinen Anfängen als Protegé des damals erfolgreichsten Produzenten schwarzer Musik, New-Jack-Swing-Mitbegründer Teddy Riley, alle großen Stars Schlange stehen ließ, um von ihm produziert zu werden und einen seiner genialen Beats abzugreifen, MadonnaGwen StefaniJustin Timberlake und und und, und dann einem jähen Absturz und einer panischen Sinnkrise. Wie diene ich diesem Dings namens Leben? Es ist die Erkenntnis eines Mannes, dessen Leben in Einzelteile zersprungen ist, der Mode-ikone war und Influencer, bevor es den Begriff überhaupt gab, und der es Stück um Stück neu zusammensetzen muss. Und erst jetzt die zwei größten Hits seines Lebens fabrizieren kann. Erst „Get Lucky“ von Daft Punk und wenig später, als er versucht, eine Entsprechung für die simple Lebensfreude seines kleinen Sohns zu finden, „Happy“ unter seinem eigenen Namen. 

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„Piece by Piece“ von Morgan Neville (Credit: 2024 FOCUS FEATURES LLC. ALL RIGHTS RESERVED)

Im Grunde ist es eine Erfolgsgeschichte, wie man sie oft schon gesehen hat – Aufstieg, Absturz, Buße, Wiedergutmachung, Neuerfindung. Dass Morgan Neville sie mit Lego erzählt, alle möglichen Stars und Wegbegleiter, neben den oben genannten unter anderem noch Timbaland und Missy Elliott, die mit Pharrell dieselbe Schule besuchten, Jay-Z oder N.O.R.E., zu Wort kommen lässt und dann als Plastikfiguren zu Leben erweckt, gibt „Piece By Piece“ den besonderen Spin, den Extradreh, weil man nach einer Weile gar nicht mehr richtig merkt, wie sich aus einer vermeintlich konventionellen Szene eine visuelle Spinnerei schält, eine Reise entspinnt, die mit einem Realfilm unmöglich wäre. Und immer ist da die Musik, sind da die Beats, sind da die Melodien, ist da die damit verbundene Hoffnung, dass wir alle zusammenkommen können, a nation under one groove. Da macht dieser Film glücklich. Happy. Eben.

Thomas Schultze