Drittes Filmabenteuer mit dem besten Bären der Welt, der daheim in Peru gemeinsam mit Familie Brown nach der verschwundenen Tante Lucie suchen muss.
FAST FACTS:
• Darauf hat die Welt sehnsüchtig gewartet: Der dritte Teil der hinreißend witzigen und warmherzigen Live-Action-/CGI-Abenteuer-Reihe um den beliebtesten Bären der Filmgeschichte führt den Publikumsliebling zurück in seine südamerikanische Heimat
• In England der beste Start einer einheimischen Produktion seit „James Bond 007: Keine Zeit zu sterben“ (2021)
• Der britische Musikvideo- und Werbefilmer Dougal Wilson folgt auf „Wonka“-Regisseur Paul King, der als ausführender Produzent und Mitglied des Story-Teams erhalten blieb
• Emily Mortimer übernimmt die Rolle von Sally Hawkins, zum fabelhaften Cast gehören diesmal außerdem Olivia Colman und Antonio Banderas
• Bislang spielte das Franchise weltweit insgesamt fast 500 Millionen Dollar ein, „Paddington“ (2014) verkaufte in Deutschland 2,1 Millionen Tickets, „Paddington 2“ (2017) 1,3 Millionen Tickets
CREDITS:
O-Titel: Paddington in Peru; Land/Jahr: USA 2024; Laufzeit: 106 Minuten; Drehbuch: Mark Burton, Jon Foster, James Lamont; Regie: Dougal Wilson; Besetzung: Hugh Bonneville, Emily Mortimer, Julie Walters, Jim Broadbent, Madeleine Harris, Samuel Joslin, Imelda Staunton, Carla Tous, Olivia Colman, Antonio Banderas, mit der Stimme von Ben Whishaw (in der deutschen Synchronisation Elyas M’Barek); Verleih: Studiocanal; Start: 30. Januar 2025
REVIEW:
Filme brauchen Publikum, lautet eine bekannte Branchenweisheit, in diesem Fall ist es umgekehrt: Die Menschen brauchen „Paddington“! Pa…dding…ton! Mit unermüdlicher Freundlichkeit, unersättlichem Wissensdurst, unerschütterlichem Optimismus, zutiefst reinen Absichten und neugierigem Blick aus braunen Knopfaugen hat der knuffige Bär, der in jedem das Gute sieht, tollpatschig in jedes Fettnäpfchen tritt und sich niemals die Orangenmarmelade vom Brot nehmen lässt, bereits Millionen Zuschauern das Leben versüßt und mit seiner zeitlosen Botschaft inspiriert, die so unmissverständlich ist wie der durchbohrende Blick von Tante Lucy, der uns an unsere guten Manieren erinnert. Der fabelhafte Paul King verhalf der liebenswürdigsten Ikone des britischen Understatements, die auf der 27-bändigen, 1958 gestarteten Kinderbuchreihe von Michael Bond basiert und sogar das Herz von Queen Elizabeth II erweichen konnte, 2014 auf der Leinwand zu verdientem Weltruhm. Die erste Kinoadaption fängt den unwiderstehlichen Charme der Vorlage bis ins winzigste, witzigste Detail, bis zur feuchten Nasenspitze des fantastisch animierten Titelhelden kongenial ein. „Paddington“ ist ein modernes Meisterwerk des Family-Entertainment, die Steigerung von Feelgood-Movie, ein kuscheliges Comfort-Movie in dunklen Zeiten. Drei Jahre später gelang dem Regisseur und Drehbuchautor das seltene Kunststück eines Sequels, das seinen brillanten Vorgänger sogar noch übertrifft und „Citizen Kane“ als bestbewerteten Film aller Zeiten auf der Kritikerseite Rotten Tomatoes ablöste. Nachdem King zwischenzeitlich das heimliche „Paddington“-Spin-Off „Wonka“ inszenierte und derzeit unter anderem mit Tom Holland an einem Fred-Astaire-Biopic arbeitet, feiert nun sein nicht minder fantasiebegabter Kollege Dougal Wilson, der mit wundervollen Musikvideos (Coldplay, Massive Attack, The Streets, Jarvis Cocker) und Werbespots bereits Popkultur geschaffen hat, mit „Paddington in Peru“ sein Regiedebüt.
Doch das ist nach sieben Jahren Vorbereitungszeit nicht die einzige spannende Veränderung im Gepäck des Franchise:Emily Mortimer übernimmt die Rolle der (zugegeben schwer vermissten) Sally Hawkins als Mary Brown, die einst den kleinen Bären vor dem Fundbüro der Londoner Paddington Station aufgelesen und seitdem in ihrem Haus in Windsor Gardens liebevoll behütet, ummantelt und mit Sandwiches versorgt hat. Erstmals verlässt das Drehbuch für längere Zeit den gewohnten Schauplatz, um das Geburtsland des Protagonisten zu erkunden. Kenner wissen vielleicht, dass Paddington schon in einer Zeichentrickserie in den 1990er-Jahren versucht hat, einen Tunnel nach Peru zu graben, nun wählt er den legalen Weg mit frisch gedrucktem, britischem Reisepass in den Tatzen. Weil Mary die anstehende Nestflucht ihrer Kinder Sorge bereitet, die ohnehin nur noch mit sich selbst beschäftigt sind – Tochter Judy (Madeleine Harris) mit ihrer Bewerbung an der Universität, Sohn Jonathan (Samuel Joslin) mit Chill‘n („das E ist stumm“) – und weil der neue Boss (eine Amerikanerin) ihres Mannes Henry (Hugh Bonneville) von Mitarbeitern einer Versicherungsgesellschaft mehr Risikobereitschaft erwartet, scheint ein gemeinsamer Urlaub mitsamt der unverzichtbaren Haushälterin Mrs. Bird (Julie Walters) eine gute Idee zu sein. Außerdem ergibt sich so die Gelegenheit für ein Wiedersehen mit Tante Lucy, die bekanntlich am Rande des Amazonas in einem Heim für pensionierte Bären lebt, das von einem Orden singender Nonnen und einer Gitarre spielenden Schwester Oberin (Gott segne die begnadete Olivia Colman!) geleitet wird. Diese muss den Browns bei ihrer Ankunft leider die Nachricht überbringen, dass Tante Lucy spurlos verschwunden ist, sich angeblich auf einer Art Dschungelmission, möglicherweise in großer Gefahr befindet. Prompt verlässt die Familie die Touristenpfade, begibt sich auf die Suche und unbekanntes Terrain, stürzt sich furchtlos in ein Abenteuer, das (Drehbuch-)Analysten als viel zu riskant einstufen würden, denn es führt tief in den Regenwald, mitten ins Herz der Finsternis.
Zu den Browns und dem bewährten Cast gesellt sich unter anderem Antonio Banderas als gutaussehender, ergo nicht vertrauenswürdiger Flussschiffskapitän Hunter Cabot – ein weiterer Besetzungscoup nach Nicole Kidman als scharfzüngige Tierpräparatorin Millicent und Hugh Grant als krimineller Bühnenstar Phoenix Buchanan. In einigen Szenen spielt Banderas sechs Verwandte seiner Figur, wie Alec Guinness 1949 in „Adel verpflichtet“ (und Roger Moore in „Die Zwei“), während er gleichzeitig seinen inneren Klaus Kinski channelt und mit dem Grammophon auf dem Bootsdeck dem Wahnsinn verfällt. Auf seinem wilden Trip zitiert sich Dougal Wilson munter durch die Filmgeschichte, mit Anspielungen auf mindestens zwei Klassiker von Werner Herzog, auf „Jäger des verlorenen Schatzes“, „Meine Lieder – meine Träume“, „Die schwarze Narzisse“, „Apocalypse Now“, „2001: Odyssee im Weltraum“ und „Paddington 2“, was Kinofans ebenso begeistern dürfte wie die Tatsache, dass der unvergleichliche Ben Whishaw nach wie vor dem kleinen Bären seine sanfte Stimme leiht – einer von vielen Gründen, sich nach Möglichkeit die Originalfassung zu gönnen (wobei Elyas M’Barek ein ebenfalls gern gehörter, nicht zu unterschätzender Sprecher ist, der Paddington eine ganz eigene Note aufdrückt).
Die gesamte Tonlage ist ein wenig tiefer, schließlich sind die Zeiten in den letzten Jahren ohne „Paddington“-Fortsetzung noch düsterer geworden (jüngere Zuschauer im zweiten Akt bitte an die Hand nehmen, recht vielen Dank). Aber alles gut, liebe Leserinnen und Leser, Paddington ist immer noch Paddington, die fortgeschrittene Computertechnik und messerscharfe Auflösung lassen das Fell glänzen wie doppelt geföhnt, es gibt mehr Action, mehr Abenteuer, Drinks mit Schirmchen und purpurne Riesenspinnen. Das bewährte Autorenteam (unter Mitwirkung von Paul King) lebt seinen Forschergeist nach allen Regeln der Kunst aus, stürzt den tapferen Bären in wilde Gewässer, lässt ihn neblige Berghänge erklimmen und durch ein Inka-Ruinen-Labyrinth irren, wo er so manchen Stein der Geschichte ins Rollen bringt, bis Held und Film am Ende einer sehr aufregenden Reise wieder zu sich selbst finden. An diesem Punkt ist das Franchise wieder ganz bei sich, findet trostspendende Worte in einem wahrhaftigen Märchen über ein verlorenes Heimatgefühl und das Zuhause, das dort ist, wo das Herz schlägt, über die Bedeutung der Familie, die wertvoller ist als jedes Eldorado. Man könnte jetzt noch schreiben, bitte um Verzeihung, dass das Threequel nicht so smart, lustig, entspannt und einfallsreich ist wie das Sequel, dass das Comedy-Timing nicht immer mit der Action mithalten kann, die Londoner und Hugh-Grant-Exzentrik und auch etwas von der Süße fehlt, die Paul King zuvor großzügiger verteilt hat als Willi Wonka Schokolade.Aber das wäre Jammern auf hohem Niveau und sehr unhöflich und ist auch gar nicht so wichtig, solange die Band immer weiterspielt – in der nächsten Fortsetzung dann hoffentlich auch wieder den alten Calpyso-Sound. Danke für die Aufmerksamkeit.
Corinna Götz