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REVIEW KINO: „One to One: John & Yoko“ 


Dokumentarfilm von Oscargewinner Kevin Macdonald über das erste Jahr von John Lennon und Yoko Ono in New York.

CREDITS:
Land / Jahr: USA 2024; Laufzeit: 101 Minuten; Regie: Andrew Macdonald; Koregie: Sam Rice-Edwards; Verleih: Piece of Magic Entertainment; Start: 26. Juni 2025

REVIEW:
Beatles-Fans ist das „One to One“-Konzert, das John Lennon am 30. August 1972 im New Yorker Madison Square Garden gab, selbstverständlich immer schon ein Begriff gewesen: Es war das einzige komplette Solokonzert, das der Musiker jemals gab, der am 8. Dezember 1980 vor dem Eingang seines Wohnhauses erschossen wurde. 1986 war es erstmals offiziell unter dem Titel „Live in New York City“ veröffentlicht worden, als Tonträger sowie als Video. Die Aufnahmen der Show sind also nicht neu, sind bekannt. Aber wie Andrew Macdonald die Songs „Power to the People“, „Come Together“, „Hound Dog“, „Cold Turkey“ „Instant Karma“, „Imagine“ (der Höhepunkt des Films!) und „Give Peace a Chance“ einsetzt, wie er sie anordnet, wie er sie einbettet in eine Fülle anderem Bildmaterial, das macht den besonderen Kick aus von „One to One: John & Yoko“, der Weltpremiere bei den letztjährigen Filmfestspielen von Venedig gefeiert hatte und jetzt regulär in die deutschen Kinos kommt. 

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„One to One: John & Yoko“ von Kevin Macdonald (Credit: Mostra Venedig)

Das unterstreicht die besondere Meisterschaft von Regisseur Andrew Macdonald (unterstützt von Ko-Regisseur Sam Rice-Edwards) aus, Oscargewinner für „Ein Tag im September“ (ebenfalls über ein zeitgeschichtliches Event im Jahr 1972), versierter Spielfilmregisseur mit Titeln wie „Der letzte König von Schottland“ oder „Der Mauretanier“ und nicht zuletzt die treibende Kraft hinter der legendären Musikdoku „Marley“, um Welten besser als der letztjährige Spielfilm „One Love“: Sein Können besteht aus dem besonderen Blick, der außergewöhnlichen Geschicklichkeit beim Arrangement und der Montage von vornehmlich Archivaufnahmen. Keine aktuellen Interviews und Talking Heads sorgen hier für eine Einordnung oder zusätzliche Information, neu gedreht erscheinen hier nur ein paar Streifzüge durch das alte Zwei-Zimmer-Appartement der Ono-Lennons in der 105 Bank Street in Greenwich Village, das das Paar im November 1971 bezogen hatte und in dem es bis zum Umzug im Februar 1973 in eine luxuriösere Wohnung im Dakota Building in der Upper West Side lebte. 

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Ab 26. Juni in den deutschen Kinos: „One to One: John & Yoko“ (Credit: Bob Gruen)

Primär gestaltet der Film sein Narrativ aber über Archivmaterial. Es gibt ein paar private Super-8-Aufnahmen und Audiomitschnitte von Telefonaten, die Lennon und Ono in dieser Zeit führten und deshalb aufgenommen hatten, weil sie überzeugt waren, sie würden von der Geheimpolizei abgehört werden und bräuchten im Fall von Verhören und Anklagen das entsprechende Material. Das erinnert ein wenig an „Joan Baez I Am A Noise“, nur dass die Tapes nicht ganz so erschöpfend sind und auch keine erschütternden News erhalten, wenngleich sich in den Gesprächen Lennons gerade mit politischen Revoluzzern wie Jerry Rubin erkennen lässt, wie ein anfänglicher Enthusiasmus einer spürbaren Entfremdung weicht, weil sich der pazifistische Sänger nicht mit der militanten Gewaltbereitschaft der Yippies identifizieren kann. Vor allem aber entsteht ein interessantes Zusammenspiel aus den Privatmenschen John Lennon und Yoko Ono sowie den Konzertaufnahmen und zahllosen Sprengseln aus dem amerikanischen Fernsehprogramm der Zeit. Nicht von ungefähr lässt der Film den Zuschauer gleich zu Beginn mit einer Texteinblendung wissen, dass das Paar zahllose Stunden in der Wohnung vor dem Fernseher zugebracht hat, was Lennon in einem der vielen Auftritte in einer Talkshow bestätigt. 

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Ab 26. Juni in den deutschen Kinos: „One to One: John & Yoko“ (Credit: Bob Gruen)

Auf diese Weise wird man als Zuschauer selbst informiert über die wichtigen News der Zeit, versteht das erhitzte gesellschaftliche Klima, in der John Lennon Musik macht (und mit Yoko Ono, dem Drummer Jim Keltner und der Band Elephant’s Memory sein Doppelalbum „Some Time in New York City“ entstehen lässt). Man erfährt von dem Attentat auf Senator George Wallace, Richard Nixons wiederholter Nominierung als Präsidentschaftskandidat der Republikaner, der ersten Schwarzen Abgeordneten in den USA, Shirley Chisholm, immer wieder Vietnam, Vietnam, Vietnam. Und schließlich auch Geraldo Riveras damals erschütternde Reportage über die unmenschlichen Zustände in Willowbrook House, einer Schule für Kinder mit Behinderungen, die sich als Zündfunke für das „One to One“-Konzert erwies, mit dem 1,5 Millionen Dollar für diese Einrichtung eingespielt werden konnten (und sich der Umgang mit behinderten Kindern nachhaltig veränderte). Wenn man zu „Imgagine“ die Bilder sieht, wie einige der Kinder, die in Willowbrook gehalten wurden wie Tiere, teilweise nackt zusammengepfercht und ohne jegliche Betreuung, mit dem Schulbus bei einer begleitenden Veranstaltung im Central Park ankommen und dort von Menschen in die Arme genommen werden, ist es fast unmöglich, nicht in Tränen auszubrechen. Parallel dazu erlebt man das Schicksal von Yoko Ono, die verzweifelt versucht, Kontakt mit ihrer ersten Tochter Kyoko aufzunehmen und das Träume auch musikalisch zu verarbeiten versucht („Don’t worry, Kyoko“). Das geht einem an die Nieren. Und bricht nachhaltig mit dem öffentlichen Bild Onos als Hexe, die die Beatles auseinandergebracht hat. Trennung und Entzweiung ist nicht das Ziel dieses Films. „Come together, right now, over me“. 

Thomas Schultze