Verfilmung der auf YouTube berühmten Real Life Guys, Zwillingsbrüder aus dem hessischen Bickenbach, die bei ihren Abenteuern und Experimenten mit erschütternden Schicksalsschlägen konfrontiert werden und doch ihren Glauben nicht verlieren.
FAST FACTS:
• Coming-of-Age-Filme über die auf YouTube gefeierten Real Life Guys
• Erhebende Verfilmung der wahren Geschichte der Mickenbecker-Zwillinge
• Letzte deutsche Produktion der deutschen Paramount, jetzt im Verleih von LEONINE Studios
CREDITS:
Land / Jahr: Deutschland 2024; Laufzeit: 105 Minuten; Regie: Stefan Westerwelle, Maria-Anna Westholzer; Drehbuch: Lynda Bartnik, Sven Fockner, Toks Körner; Besetzung: Richard Fuchs, Anton Fuchs, Kya-Celina Barucki, Samirah Breuer, Millane Friesen; Verleih: LEONINE Studios; Start: 16. Januar 2025
REVIEW:
„Leben ist Jetzt – Die Real Life Guys“ sieht aus wie ein Film, der hart erkämpft wurde, der hart mit sich selbst zu kämpfen hatte, der es nicht einfach hatte, das zu werden, was er geworden ist. Und dadurch vielleicht interessanter wurde, als wenn er seine Geschichte einfach ohne Widerstände und Hindernisse hätte erzählen können, weil sich damit in dem Film selbst genau die Geschichte spiegelt, die er erzählt. Womit noch nicht einmal der Regiewechsel nach den Dreharbeiten von Maria-Anna Westholzer zu Stefan Westerwelle gemeint ist, der nicht einfach gewesen sein kann – als wäre ein Regiewechsel während einer Produktion jemals eine Kleinigkeit. Gemeint ist vielmehr die bloße Entstehung, eine Produktionszeit, in der aus einem Filmprojekt über drei real existierende Geschwister, die in der hessischen Provinz als gläubige Kids mit ihrem YouTube-Kanal „Real Life Guys“ durch die Decke gehen und Millionen von Fans mit ihrer lebensbejahenden Botschaft erreichen, mit dem Glauben an sich und an Gott könne man Berge versetzen, aufgrund verschiedener Schicksalsschläge zwangsläufig ein Stoff wurde, der genau diesen Glauben auf den Prüfstand stellt. Wie kann man weitermachen, wie kann man weiter glauben, wenn Krankheit und Tod einem den Lebenswind aus den Segeln nehmen?
Während sie an der Entwicklung ihres Films über die Zwillingsbrüder Philipp und Johannes Mickenbecker und deren Schwester Elli aus dem beschaulichen Bickenbach arbeiteten, sahen sich die Produzenten Sven Fockner von Real Life Films und Thomas Blieninger und Philipp Budweg von der Münchner Lieblingsfilm damit konfrontiert, dass zunächst Elli Mickenbecker bei einem Flugzeugunglück ums Leben kam und wenig später bei Philipp Mickenbecker ein eigentlich besiegt geglaubter Lymphdrüsenkrebs wieder diagnostiziert wurde, an dem er im Juni 2021 starb. Allesamt persönliche Tragödien, die den in Entstehung befindlichen Film erschütterten, schüttelten und beutelten und ihn immer wieder damit konfrontierten, einen neuen Ansatz zu finden, eine neue erzählerische Stoßrichtung, wofür es schließlich wiederholte Anläufe für ein Drehbuch und insgesamt drei Autoren brauchte, neben Produzent Fockner noch Toks Körner und schließlich Lynda Bartnik, sowie die bereits erwähnten zwei Regisseur:innen: Ein Film auf der Suche nach sich selbst.
So ist das nun mal manchmal. Und hinterlässt auch Spuren, ein kleines Narbengewebe, Sollbruchstellen. Aber es ist dann auch ein Film, der sich findet und bei sich ankommt, ein etwas anderer Coming-of-Age-Film ohne erste Schmetterlinge im Bauch, dafür eine Geschichte über den ungebrochenen Mut zu leben, ob nun mit christlichem Glauben oder nicht: Man erlebt all die Dinge mit, die es auch in dem Dokumentarfilm „Philipp Mickenbecker – Real Life“ von Lukas Augustin und Alexander Zehrer, der im September 2023 im Eigenverleih mit beachtlichem Erfolg in den Kinos gelaufen war, zu sehen gab, all die wagemutigen und irrwitzig anmutenden Stunts auf YouTube, mit denen die Real Life Guys über die Grenzen Deutschlands hinaus berühmt wurden, all die Abenteuer und Experimente, was sie immer noch mehr zusammenschweißte und in ihrer Überzeugung bestärkte, dass das Leben so intensiv wie nur möglich gelebt werden muss. Aber dabei ist der Film von Maria-Anna Westholzer und Stefan Westerwelle auch intimer und gleichzeitig expansiver, legt noch mehr Wert auf die besondere Beziehung der Zwillinge einerseits, der Erhabenheit ihrer Triumphe über alle möglichen vermeintlichen Einschränkungen andererseits. Und wie beides schließlich einen Weg weist, wie man mit Verlust, Trauer und Schmerz umgehen kann, wie man nicht von ihnen aus der Bahn geworfen wird.
In den besten Momenten ist „Leben ist Jetzt – Die Real Life Guys“ tatsächlich wie schwerelos, setzt sich hinweg über tonale Schwankungen, setzt sich hinweg über den offenkundigen Mangel an Erfahrung seiner beiden Hauptdarsteller Richard und Anton Fuchs, die bisweilen an ihre darstellerischen Grenzen geführt werden und sich mit ihrem beherzten Spiel doch wacker schlagen, setzt sich hinweg über den steinigen Weg, den man bei der Entstehung des Films gehen musste. Da ist er dann im Einklang mit sich und seiner Ambition, Glauben sichtbar und spürbar zu machen, ohne ein Film über Religion oder Kirche sein zu wollen: Haltet euch an eurer Liebe fest. Da ist er dann mehr als die Summe seiner Einzelteile, eine besondere Geschichte, die ein großes Publikum abholen und unterhalten, ihm aber auch etwas mitgeben will, auf den Weg. Was könnte man von „Leben ist Jetzt“ lernen, wenn nicht das: Der Weg ist das Ziel.
Thomas Schultze