SmHJHX

Am Freitag, den 25.10. werden wir ab 15.00 Uhr bis ca. 18 Uhr umfangreiche technische Wartungsarbeiten durchführen. Vielen Dank für Ihr Verständnis.

REVIEW KINO: „Karli & Marie“


Mischung aus romantischer Heimatkomödie und bayerischem Roadmovie über zwei gescheiterte Existenzen, die auf einer abenteuerlichen Reise nach Tirol ihre Seelenverwandtschaft erkennen.

CREDITS:
Land/Jahr: Deutschland/Österreich 2025; Laufzeit: 87 Minuten; Drehbuch: Ulrich Limmer; Regie: Christian Lerch; Besetzung: Sigi Zimmerschied, Luise Kinseher, Rainer Egger, Johanna Bittenbinder, Maria Hafner, Jule Ronstedt, Silja Bächli; Verleih: SquareOne; Start: 17. Juli 2025

REVIEW:
Der gealterte Kleinganove Karli (Sigi Zimmerschied) will gerade eine Sprengladung an einem Geldautomaten platzieren, als ihm die angetrunkene, aufgetakelte Marie Müller (Luise Kinseher) in die Quere kommt und ihn mit ihrem Opel Admiral über den Haufen fährt. Aus Angst vor Schmerzensgeldforderungen nimmt sie ihr Unfallopfer mit nach Hause und verarztet dessen unbedenkliche Verletzungen mit Wacholderschnaps. Als Bombenentschärfer bei der Bundeswehr und bei Auslandseinsätzen in Afghanistan und Afrika habe er gelernt, den Schmerz zu ignorieren, meint er. Sie wiederum, einstige Schönheitskönigin von Mingkofen, hat einen Scheidungskrieg hinter sich, nachdem ihr attraktiver Ex-Mann sie mit seiner Sekretärin betrogen hat. Geblieben sind ihr nur eine heruntergekommene Villa, ein klappriges Auto und ein insolventes Betonwerk. Der kampferprobte Veteran kommt ihr da gerade recht: Sie verpflichtet ihn als Bodyguard/Beifahrer auf einer Reise nach Innsbruck, wo sie einen korrupten Beamten mit Schwarzgeld bestechen will, um einen staatlichen Großauftrag an Land zu ziehen, der das marode Familienunternehmen retten soll. Es kommt zu einigen Unvorhersehbarkeiten und einer Explosion im Kofferraum. Nach wenigen Kilometern steht das ungleiche Duo abgebrannt und mittellos da – und der selbsternannte „Regulator“, der angeblich in der Lage ist, jeden Krisenherd zu löschen, muss zugeben, dass er in der Vergangenheit als weltgewandter Kantinenkoch lediglich die Schöpflöffelbrigade angeführt hat.

 Marie und Karli beobachten das Haus von Dr Berger c Eckhard Kuchenbecker  e x
Christian Lerchs „Karli & Marie“ mit Luise Kinseher und Sigi Zimmerscheid (Credit: SquareOne / Eckhard Kuchenbecker 2024)

„Die ganze Welt ist voller falscher George Clooneys“, stellt Marie fest. Alle Figuren in dieser subversiven Heimat-RomCom sind Schwindler, Bluffer oder Betrüger. Der Automechaniker repariert den Marderschaden mit Klebeband und verkauft dazu noch eine Übernachtung im eigenen Gästehaus; ein freundlicher Familienvater, der weibliche Anhalterinnen einsammelt, entpuppt sich als Vergewaltiger; der korrupte österreichische Staatsdiener rechtfertigt sein Verhalten selbst vor dem Finanzamt mit Bibelzitaten. Für die Verbrechen der Protagonisten interessiert sich hingegen nicht einmal die Polizei. Also stehlen sie wiederholte Male ihr Abendessen und die passende Flasche Lagrein von der Terrasse eines Innsbrucker Gourmetrestaurants, kleiden sich, ohne zu bezahlen, in einer Edelboutique ein, rauben sogar einen Bettler aus, weil sie ohnehin nicht mehr tiefer fallen können. Der emotionale Höhepunkt ist eine bittersüße, nächtliche Szene im Heuschober und Scheinwerferlicht eines Traktors, in der sich Karli und Marie ihr Scheitern eingestehen, die Masken ablegen und sich der Wahrheit und Einsamkeit stellen, vor der sie die ganze Zeit davonrennen. Es braucht allerdings noch ein paar weitere Anläufe, damit beide ihre Seelenverwandtschaft akzeptieren, sich Schritt für Schritt füreinander öffnen und aufeinander zu bewegen.

Karli und Marie gehen hand in hand die Strasse lang c Eckhard Kuchenbecker  x
Christian Lerchs „Karli & Marie“ mit Luise Kinseher und Sigi Zimmerscheid (Credit: SquareOne / Eckhard Kuchenbecker 2024)

Das Drehbuch von Ulrich Limmer („Schtonk“, „Ein ganzes Leben“) verlässt sich ganz auf die Chemie und Sympathiewerte der zwei Kabarettisten, die schon in der Krimikomödie „Weißbier im Blut“ (2021) gemeinsam vor der Kamera standen. Die beschwipste und bodenständige Marie ist eine Paraderolle für Luise Kinseher, die sich im Laufe des Films von einer ungewohnt verletzlichen Seite zeigt, während Sigi Zimmerschied einmal mehr den anarchischen Systemverlierer und scharfzüngigen Kritiker des Establishments gibt, der hier nicht nur mit einer philosophischen Neigung, sondern auch mit einer sanftmütigen und romantischen Ader überrascht. Die dialoglastigen Interaktionen der Schauspieler erinnern vor allem in der zweiten Hälfte beinahe an eine Theaterinszenierung. Wenn sich die Handlung im entschleunigten „Straight Story“-Tempo wieder in Bewegung setzt, sorgt Kameramann Armin Golisano („Das Kanu des Manitu“) für zauberhafte Panorama-Aufnahmen der malerischen Berg- und Wiesenkulisse. Der Film hat eine Art magischen bayerischen Realismus, der sich nicht um Löcher oder Ungereimtheiten im Drehbuch schert, das sich hier und da auf etwas makabre Weise im Ton vergreift. Mit einem gelegentlichen Hang zum Slapstick scheint sich Regisseur Christian Lerch aber vor allem vor Charlie Chaplins „Tramp“ zu verbeugen, einschließlich der an „Moderne Zeiten“ erinnernden Schlussszene und einer hoffnungsvollen Botschaft, die hier übersetzt lautet: „Was weg is, is weg, und was da is, is da.“

Corinna Götz