SmHJHX

Am Freitag, den 25.10. werden wir ab 15.00 Uhr bis ca. 18 Uhr umfangreiche technische Wartungsarbeiten durchführen. Vielen Dank für Ihr Verständnis.

REVIEW KINO: „Flight Risk“

Knackig-packender Thriller über einen Flug auf Leben und Tod, in dem ein Kronzeuge eines Mafiaprozesses sicher in die Hände der Polizei überfährt werden soll.

CREDITS:
Land / Jahr: USA 2024; Laufzeit: 91 Minuten; Regie: Mel Gibson; Drehbuch: Jared Rosenberg; Besetzung: Mark Wahlberg, Michelle Dockery, Topher Grace; Verleih: Tobis; Start: 6. Februar 2025

REVIEW:
Einen lupenreinen B-Film hat Mel Gibson gemacht. Einen Thriller ohne Durchhänger oder Pause, ohne Schnörkel oder Nebenhandlung, 91 Minuten Hochspannung auf engstem Raum und nicht viel sonst. Kein Schnickschnack, keine inszenatorischen Kapriolen. No frills, no bullshit. Was man sieht, ist das, was man kriegt. Eine Drei-Personen-Geschichte an Bord einer kleinen Propellermaschine, ein Flug von einem Kaff im Nirgendwo von Alaska nach Anchorage, mehr oder minder in Realzeit erzählt, der schneller eskaliert, als man „Lethal Weapon“ sagen kann, und dann nicht mehr nachlässt, fortwährend Druck macht auf eine erfrischend altmodische, erfreulich effektive Weise. Eine Art von Film, wie man sie generell nicht mehr oft sieht. Und wie man sie von dem Filmemacher Mel Gibson noch nie gesehen hat, das inverse Gegenteil aller seiner Regiearbeiten seit „Braveheart“, die von ihrem expansiven Gestus leben, von der stetigen Bewegung nach vorn, angetrieben von Schmerz und Pein. „Die Passion Christi“, „Apocalypto“, „Hacksaw Ridge“: Sinfonien der Gewalt und geschundener männlicher Körper. In „Flight Risk“ blitzt das im Verlauf der Handlung ebenfalls auf, ohne allerdings so grotesk pornographisch und absurd barock überzeichnet zu sein wie in den rauschartigsten Momenten der Filmographie des 69-Jährigen. 

Flight Risk  scaled e x
Mel Gibsons „Flight Risk“ mit Michelle Dockery, Topher Grace und Mark Wahlberg (Credit: Tobis / Lionsgate)

Zwei, maximal drei Minuten dauert die Exposition des von Jared Rosenberg geschriebenen Films, der bisweilen wie ein auf seine Essenz reduzierter „Midnight Run“ erscheint mit Topher Grace in der Rolle, die in Martin Brests Klassiker von Charles Grodin gespielt worden war: der ewig schnatternde, keine Sekunde den Mund haltende Buchhalter, der von einem aufrechten Vertreter des Gesetzes – in „Midnight Run“ ist es ein von Robert De Niro gespielter Kopfgeldjäger, in „Flight Risk“ eine von Michelle Dockery mit wackerem US-Akzent gespielte Air Marshal – zu einem Prozess gebracht werden soll, wo er als Kronzeuge gegen einen einflussreichen Mafioso aussagen will (Einschub: Aufgrund der geradlinigen Machart ist Clint Eastwoods „Der Mann, der niemals aufgibt“ / „The Gauntlet“ von 1977 als Referenzfilm vermutlich noch brauchbarer – Eastwood soll eine Prostiuierte zu einem Prozess bringen). Nach dem kurzen Einstieg, in dem Winston von Madolyn in einem schäbigen Motel verhaftet wird, geht es schon weiter in der einmotorigen Maschine, die von Mark Wahlberg geflogen wird. Dass er womöglich nicht der richtige Pilot ist, sondern ein angeheuerter Killer sein könnte, lässt der Film ziemlich schnell durchscheinen (und wird obendrein auch im Trailer verraten, weshalb wir uns diesen Spoiler jetzt einfach einmal erlauben).

flightrisk sg trailer rc x
Michelle Dockery as Madolyn and Mark Wahlberg as Daryl in Flight Risk. Photo Credit: Courtesy of Lionsgate

Keine Minute geht es „Flight Risk“ um etwaige Unklarheiten. Es geht ums (und ans) Eingemachte, um einen Überlebenskampf auf engstem Raum, wenn Wahlbergs Very Bad Guy Daryl alsbald die Maske fallen lässt und damit den spannendsten Flugzeugthriller seit Wes Cravens „Red Eye“ einläutet. Während Michelle Dockery sich am Steuerknüppel der Maschine von einem indischen Techniker in Anchorage anweisen lässt und in Telefongesprächen mit ihren Vorgesetzten herausfinden muss, von wem sie verraten wurde, muss sie sich immer wieder neuer Attacken an Bord aussetzen, als würde Mel Gibson einen „714 antwortet nicht“ aus der Hölle durchexerzieren, jener Film von 1957, der das Vorbild war für den Comedyklassiker „Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug“. 

Flight Risk scaled e x
Mel Gibsons „Flight Risk“ mit Michelle Dockery und Mark Wahlberg (Credit: Tobis / Lionsgate)

„Flight Risk“ ist aber auch ein aufreizend alberner Film, einerseits so ernst und straight und auf den Punkt erzählt, dann aber auch wieder so krass skizziert wie eine Sketchroutine der Three Stooges. Erdung verleiht dem Film die Performance von Michelle Dockery: Ihr Air Marshal Madolyne ist die erste Frau in einem Film von Mel Gibson mit substanzieller Bedeutung für die Handlung. Auch wenn sie an einer traumatischen Erfahrung zu knabbern hat, sich nach Jahren hinter dem Schreibtisch erstmals wieder in einem Einsatz beweisen kann, ist sie Professionalität pur. Selbst mit Fortschreiten der Handlung bleibt ihr Pferdeschwanz ungeöffnet, nur ein paar wenige Strähnen fallen ihr ins Gesicht. Während Topher Grace die Rolle des comic relief zufällt, ein inkompetenter Mann in einer unkontrollierbaren Situation, ist die interessanteste Figur aber Daryl, Mark Wahlbergs erster Bösewicht seit seinem Leinwanddurchbruch 1996 in „Fear“, als er Reese Witherspoon nachstellte, ein radikaler Bruch mit seiner sonst so stringent gepflegten Persona als guter Junge aus der Arbeiterklasse, christlicher Familienvater, das Salz der Erde, die Zuverlässigkeit und Aufrichtigkeit in Person. 

Flight Risk x
Topher Grace in „Flight Risk“ von Mel Gibson. (Credit: Lionsgate)

Daryl ist nicht einfach ein Profikiller. Er ist ein Sadist, der Spaß hat daran, sich mit zwei scheinbar hilflosen Opfern an einer abgelegenen Stelle im ewigen Eis zu vergnügen. Mehrfach droht er Winston mit Vergewaltigung, Madolyne überzieht er mit Verbalinjurien und dann auch gewaltsamen Übergriffen. Schließlich muss er sich selbst Schmerzen und Leid zufügen, um sich aus seiner Fesslung zu befreien. Er ist ein Monster, Wahlbergs Interpretation von Max Cady. Aber er ist auch eine lächerliche Gestalt, wie er da sitzt mit derangiertem Gesicht und, ohne ersichtlichen Grund, einer bizarren Halbglatze, ein bisschen wie eine der archetypischen maskulinen Heldenfiguren, wie Mel Gibson sie immer wieder gespielt hat, nur wie in einem Zerrspiegel interpretiert, gespielt von dem Schauspieler, der in „Daddy’s Home 2“ der Sohn von Gibson gewesen war, ein Alter ego wie aus einer Freakshow, eine Variante der vielen Schmerzensmänner, die der Regisseur im Lauf seiner Karriere gespielt hatte, von Martin Riggs mit seinem flammenden Todeswunsch in den „Lethal Weapon“-Filmen hin zu seinem Charakter in der Erfolgskomödie „Was Frauen wollen“, der sich seine Beinbehaarung mit einem Pflaster entfernt. Und auf dem Armaturenbrett des Flugzeugs in „Flight Risk“ tanzt eine Hula-Puppe, als würde sie sich ausschütten vor Lachen. Toller Film.

Thomas Schultze